von Lothar Struck

Diskurs im Mittelmass

Die erste Ausgabe des «Literaturclub» ohne Moderator Stefan Zweifel bleibt mittelmässig und reibt sich in gegenseitigen Unterbrechungen auf. Es fragt sich, welcher renommierte Kritiker die Leitung dieser Sendung übernehmen wollen wird.

Es ist schon ein Elend. Da gibt es seit Jahren eine eigentlich wunderbare Literatursendung im deutschsprachigen Fernsehen, in der von klugen Menschen über vier, fünf Bücher jenseits der ansonsten üblichen, marktschreierischen Attitüden seriös gesprochen wird. Und dann sind die Haare von Elke Heidenreich Aufmacher für einen Bericht im «Blick» zur Aufzeichnung der aktuellen Sendung:

Nach dem spektakulären wie lächerlichen Rauswurf von Stefan Zweifel als Moderator des «Literaturclub» schaut also der Boulevard auf diese Sendung. Ein Boulevard, für den Literatur ein Appendix des Marktes ist, der sich nach dessen Regeln zu fügen hat. So ist es auch logisch, dass ein Rummelplatzdirektor wie Roger Schawinski die vermeintlich elitären Elemente, die Stefan Zweifel und seine Form von Literaturkritik unterstützen, in den Orkus verbannen möchte. Wo Qualität aus An- und Abschaltquoten definiert wird, ist kein Platz für unnütze Sachen wie Literatur.

Also jetzt Sendung 1 nach Zweifel. Rainer Moritz war als «Gast-Moderator» eingesprungen. Schon in den ersten beiden Sendungen unter Zweifels Ägide, im Herbst 2012, übernahm Moritz für den an den Stimmbändern erkrankten Rüdiger Safranski, was Moritz‘ launige Vorstellung von Safranski erklärt, er sei «heute bei bester Stimme». Fein säuberlich ausgewogen verteilte er seine Spitzen in der Einleitung. Alle Zitate seien dem Moderator «vorgelegt» worden und «zweifach geprüft». Und die «Disziplin des Bücherweitwurfs werden wir nicht ausüben heute Abend». Die Literatur stehe im Mittelpunkt und es ginge nicht darum, die Diskussion der letzten Wochen weiter zu «zerreden».

Dann begann die Runde mit einer Neuauflage von Erich-Maria Remarques «Im Westen nichts Neues». Als Heidenreich eine Passage aus dem Buch vorlesen wollte, begann sie mit: «Ich zitiere wörtlich». Vielleicht sagt man der studierten Germanistin mal, dass Zitate immer «wörtlich» sind.

Schliesslich wandte man sich dann drei Neuerscheinungen zu. Die Diskussionen verliefen auf eher mittelmässigem Niveau. Als es bei Tomas Espedals «Wider die Natur» um einen älteren Mann ging, der ein Verhältnis mit einer wesentlich jüngeren Frau hatte, wurde Heidenreich schnell ein bisschen zotig. In der ganzen Sendung gelang es auch Rainer Moritz es nicht, Elke Heidenreich auf elementarste Dinge der Gesprächsführung zu vergattern. Sie unterbrach immer wieder Ausführungen ihrer Mitdiskutanten, besonders von Rüdiger Safranski. Die schüchterne Hildegard Keller wurde häufig einfach übersprochen. Moritz verfuhr mit Heidenreich gelegentlich ähnlich, um überhaupt einen Punkt zu machen.

Einmal allerdings, bei einer Lesung aus Georgi Gospodinovs «Physik der Schwermut» gab es einen schalkhaften Moment in der Lesung. Der Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart las eine kurze Geschichte von zwei Freunden, die kein Geld haben, sich eine Eintrittskarte für einen Kinofilm zu kaufen. Dafür bieten sie auf der Strasse ein «Kino für Arme» an. Für zehn Prozent des Eintrittspreises erhalten denjenigen, die ebenfalls kein Geld für die Karte haben, die Zusammenfassung des Films in schriftlicher Form. Aus den Vorankündigungen zitierend und mit etwas Phantasie gehe das leicht, so einer der Protagonisten. Mit den Einnahmen könnte man danach dann ins Kino gehen und endlich den Film schauen. Wer auch immer diese Stelle ausgesucht hat – eine wunderbare Parabel auf den Betrieb im allgemeinen und eine teilnehmende Person in der Runde im speziellen.

Moritz hat seine Rolle als «Gast»-Moderator zu oft betont, als das dies die Lösung für den «Literaturclub» ab September sein könnte. Die Parität würde einen Moderator/eine Moderatorin aus der Schweiz fordern. Spontan fallen einem hier einige Namen ein, die dieser Sendung guttun würden, zum Beispiel Barbara Villiger Heilig, die schon in der Ära Radisch ab und an Gast war, oder Roman Bucheli. Aber ob sich ein renommierter Kritiker, eine renommierte Kritikerin nach dem aktuellen Desaster in diese «Schlangengrube» (Stefan Zweifel) begeben und mit einer abgeschotteten, klandestinen Redaktion zusammenarbeiten möchte, bleibt die Gretchenfrage.

Leserbeiträge

Claudia Schulte 27. Juni 2014, 13:09

Ach der Herr Struck mal wieder. Frustriert und fest eingenommen von Stefan Zweifel, sondern er hier eine weitere tendenziöse Soße, die ihrerseits ein Skandal ist, ins digitale Nirwana ab.
Warten Sie nur, es kommen noch nette Informationen von mir.
Aber zuerst sei Ihnen versichert, von einer Germanistin, dass es mehr als nur eine Zitatform gibt. Insofern war Heidenreich Begriff vom „wörtlichen Zitat“ korrekt.
500 (!) Hass-Mails hat Zweifel an sämtliche Journalisten und Redaktionen verschickt. Und Sie fallen drauf rein und übernehmen ungeprüft Zweifels falsche Darstellung, Zitat und sein Abgang wären miteinander verbunden. Eine journalistische „Meisterleistung“. Das desavouiert Sie und Ihre „Arbeit“ letztlich, liegt der Fall doch erwiesenermaßen ganz anders.
Sie hatten sich NIE um eine Darstellung der anderen Seite bemüht, warum auch? So sieht eben einseitiger fanatischer „Journalismus“ aus, eine Kampagne ohnegleichen.
Abgesehen von den ca 500 Zweifel-Mails, die vor lauter Falschinformationen nur so strotzen, gab es dann ja auch mehrere Mails mit vertraulichen Interna, die Herr Zweifel einzelnen Redaktionen weitergeleitet hat. Das wird ihm juristisch zu einem entscheidenden Nachteil werden.
Nach der April-Sendung (mit dem Zitat) war die Stimmung zwischen den Diskutanten einvernehmlich. Weder Safranski noch Schütt hatten was an der Heidegger Sache auszusetzen. Nach der Mai-Sendung wollte man zusammen sogar noch was trinken gehen. Erst als S. Zweifel angedeutet wurde, man wolle ihn von der Doppelbelastung als Moderator und Kritiker befreien, damit er sich in Zukunft alleinig auf seine Fähigkeiten als Kritiker in der Runde konzentrieren könne, erst dann ist er auffällig geworden und in fast psychopathischen Manier durchgedreht. Es sieht natürlich besser aus, wenn man wegen eines Heidegger-Disputs den Hut nimmt, als aus schnöder, narzisstischer Eitelkeit. Also hat er die unzulässige Verknüpfung seines selbstgewählten Abgängen mit der Heidegger-Sache verknüpft.
Wo hat das hin geführt? Ihn zum Boulevard. Er sitzt nun halbnackt in der Schweizer Bildzeitung und liest in der Badi. „Shades of Grey“ wollte er in der nächsten Sendung machen. Wie geht das mit seinem verschwurbelten elitären Pseudo-Intellekt zusammen?
Naja, das Verhalten verwundert nicht wirklich und ist typisch für diese narzistische Störung. Aber das fast die gesamte Schweizer Literaturjournaille auf ihn hereingefallen ist und unrecherchiert seine Falschdarstellungen verbreitet, wirft ein trauriges Licht auf die Kollegen. Objektivität? Fehlanzeige. Zweifel-Hörigkeit? Unübersehbar. Germano- Phobie? Ausgeprägt. Investigativer Journalismus? Eher einseitiges Heidenreich-Bashing. Resümee: armselig und unprofessionell.
Lassen wir uns doch alle zusammen mit diesem Narziß in der Badi ablichten – ohne zu hinterfragen.

Lothar Struck 28. Juni 2014, 15:06

Frau Schulte, oder, a. a. O., „Schultke“ – haben Sie den letzten FAZ-Beitrag nicht gelesen`Habe da Ihren Kommentar fast schon vermisst. Ach ja, sicherlich können Sie Ihre Anschuldigung der „500 Hass-Mails“ belegen. Andernfalls würden Sie sich womöglich einer Straftat schuldig machen, denn wer öffentlich über einen anderen eine falsche Beschuldigung ausspricht (der Vorwurf, „Hass-Mails“ zu schreiben, ist eine gravierende Beschuldigung), kann entsprechend belangt werden. Auch der Vorwurf, Herr Zweifel würde in „psychopathische[r] Manier“ „durchdrehen“, geht in diese Richtung.

Auf diesem nicht satisfaktionsfähigen Niveau erübrigt sich für mich jede weitere Diskussion mit Ihnen.

Claudia Schulte 28. Juni 2014, 16:07

Ich kann meine Behauptungen mindestens (!) so gut belegen, wie Sie sicherlich ihre wunderbare Recherche-Arbeit.
So einseitig geht es nicht Herr Struck, bei aller Eitelkeit nicht.
(p.s.: beide email Adressen sind valide.)

Annabelle Huber 28. Juni 2014, 18:00

Als sich EIN EINZIGER Zuschauer über die Zurechtweisung von Frau Heidenreich wegen ihres erfundenen Zitates beklagte, sah die Kulturredaktion des SRF akuten Handlungsbedarf.

Fred David, 10. Juni 2014, 13:53
Wenn ich das richtig im Kopf habe, gab es zum besagten „Literaturclub“ einen Zuschauerbrief. Einen einzigen. Jedenfalls berichtete das ras. in der NZZ.

Jetzt, wo nicht nur die gesamte Schweizer Presse inklusive die überwältigende Mehrheit der Leser, sondern auch grosse Deutsche Zeitungen den Kopf schütteln über die hochgradige Unprofessionalität von Kulturredaktion und von Frau Heidenreich, sieht das SRF überhaupt keinen Handlungsbedarf.

Offensichtlich macht der Kulturclub den Kulturclub für sich und ein paar Auserwählte.
Die Mitarbeiter des SRF zahlen bekanntlich keine SRF Gebühren.

Annabelle Huber 28. Juni 2014, 18:13

Ich bin froh, dass der Blick die Geistesgegenwart hatte, bei der Aufzeichnung der Sendung anwesend zu sein.
Hätte einer von Stefan Zweifels „Kollegen“ den Anstand besessen, ein gutes Wort für ihn einzulegen während der Aufzeichnung, so hätte das die Zensur des Literaturclubs nicht vertuschen können, der Blick hätte diesem Votum auf jeden Fall Gehör verleiht.
Ich bin nun nur noch angeekelt durch diese Heuchler Runde.

Ein Neuanfang mit weniger verdorbenen Teilnehmern wäre auf jeden Fall zu begrüssen.
Wie in der Presse vorgeschlagen: Pedro Lenz, ja ! Dillier und Beller, warum nicht !

Lothar Struck 29. Juni 2014, 10:11

Pedro Lenz ist ein sehr guter Schriftsteller. Ihn als Moderator oder Dauergast in den „Literaturclub“ zu berufen würde bedeuten, das Konzept der Sendung grundlegend zu verändern. Es ist nämlich durchaus problematisch, wenn Schriftsteller als Kritiker agieren sollen. Und zwar zunächst vor allem für den Schriftsteller. Es ist eine Art Kodex, über Kollegen so weit wie möglich kritische Einwände zu unterlassen.

Schon bei Heidenreich war das ein Problem. Zum einen ist sie selber als Autorin belletristischer Prosa tätig. Wichtiger aber war, dass sie auch als Herausgeberin agierte. Diese Herausgeberschaft hatte sie dann aufgegeben, um eine offensichtliche Interessenkollision zu vermeiden.

Im übrigen war wohl der Text zur Heidenreich-Nachfolge von Herrn Glogger eher eine Glosse.

Rüdiger Kiesewetter 29. Juni 2014, 00:04

@Frau Huber: Von welchen deutschen Medien sprechen Sie? Meinen Sie die FAZ? Da schrieb bislang nur der S. Zweifel nahestehende Jürg Altwegg, ein Schweizer.

Ansonsten bleibt einfach nur festzustellen, dass die Forderung nach einer Entschuldigung in der laufenden Literaturclub – Sendung unverständlich ist. Soweit mir bekannt, ist Zweifel freiwillig ausgeschieden. Er wurde nicht gekündigt, das wollen wir einmal doch als Fakt festhalten.
Zum anderen wäre die Diskussion um S. Zweifel in einer Talkshow vielleicht angebracht (obgleich das nun wirklich ein Aufbauschen der Bedeutung dieser Angelegenheit wäre), aber bitte doch nicht im Literaturclub, wo es um Bücher, um Literatur geht und nicht um einen Garten der Eitelkeiten.
Die schon angesprochene Einseitigkeit in der Berichterstattung fällt schon auf. Ist vielleicht ein Züricher Problem. Wer von den Berichterstattern (Neff, Struck, Stadler, Altwegg, Eibel etc.) hat sich mit Heidenreich in Verbindung gesetzt? Es riecht arg nach Support für Zweifel.
Anyway, der Literaturclub ist nicht der Nabel der Welt, liebe Freunde.
Übrigens, das hat Struck vergessen, ist Hildegard Keller in der Sendung ohne Zweifel geradezu aufgeblüht.

Annabelle Huber 29. Juni 2014, 13:44

Herr Kiesewetter, Ihre Antwort an mich ist voll von Hinweisen dafür, dass Sie sich nicht redlich mit der Thematik auseinander gesetzt haben.
Was ebenfalls Fragen aufwirft nach Ihrer Motivation und Ihrer Nähe zu Elke Heidenreich.
Hier nur zur Verdeutlichung Ihrer verblendeten Haltung eine weitere kritische Meldung aus einer „Zürcher Provinz “
http://www.sueddeutsche.de/kultur/sendung-literaturclub-eklat-um-heidenreichs-heidegger-faelschung-1.1973423

Franco Del Conte 07. Juli 2014, 11:48

Tatsächlich ist Stefan Zweifels Rauswurf ein Verlust für die Sendung, die selbstverzückte Frau Heidenreich hingegen mehr als fragwürdig, scheint sie doch ihre Emotionen nicht im Griff zu haben und noch weniger die Fakten, die sie in Rage bringen. Was allerdings Roger Schwainski mit der Sache zu tun haben soll, ist schon merkwürdig und befremdet mich. Er ist ja beim SRF nicht Programmdirektor sondern Moderator mit eigener Sendung, etwas selbstverliebt zwar, aber immer möglichst authentisch. Das ist wohl das offene Geheimrezept seines Erfolges. Schöngeist versus Echtgeist.