Konvergenter Kniff
Als Radioprogramm erreicht SRF 4 News nur ein Nischenpublikum. Das gibt aber intern nicht weiter Anlass zur Sorge. Denn der Nonstopp-Nachrichtensender spielt eine wichtige Rolle im konvergenten Newsangebot von Schweizer Radio und Fernsehen. SRF 4 News sorgt unter anderem dafür, dass die in der Konzession geforderte Längenbeschränkung für Textnachrichten ohne Sendebezug ins Leere läuft.
Die Konzession der SRG schränkt das Online-Angebot von Schweizer Radio und Fernsehen ein: Newsmeldungen ohne Bezug zu einer Radio- oder TV-Sendung dürfen höchstens 1000 Zeichen zählen. Die entsprechende Konzessionsbestimmung ist aber weitgehend bedeutungslos. Denn die Online-Nachrichten finden nicht zuletzt dank der umfangreichen Berichterstattung von SRF 4 News für praktisch alle Themen den erforderlichen Sendebezug.
Die Umfangsbeschränkung steht seit 2013 in der SRG-Konzession. Damals erhielten Schweizer Radio und Fernsehen mehr Spielraum bei den Kanälen und Plattformen. Bei den Textnachrichten versuchte der Regulator den Spielraum der SRG einzuschränkgen und so den Anliegen der Verleger Rechnung zu tragen. In Artikel 13 der geltenden Konzession steht nun unter Absatz 3: «Bei Online-Inhalten ohne Sendungsbezug sind Textbeiträge in den Sparten News, Sport und Regionales/Lokales auf höchstens 1000 Zeichen beschränkt.» Der Verband Schweizer Medien hätte die Obergrenze lieber bei 800 Zeichen gesehen.
Auf die Redaktionsarbeit wirke sich die Zeichengrenze weder spürbar hinderlich noch hemmend aus, höchstens lästig, wegen redaktionell sinnlosen Mehraufwands, heisst es. SRF Online stösst verhältnismässig selten an die konzessionsrechtliche Umfangsgrenze. Zu praktisch jedem Thema findet die Redaktion den geforderten Sendebezug aus dem vielfältigen Fundus der Programme von Schweizer Radio und Fernsehen. Wie weit der Begriff des «Sendebezugs» zudem reicht, steht nirgends festgeschrieben. Das verschafft zusätzlichen Spielraum. Mit Verweis auf bereits ausgestrahlte oder zeitnah angekündigte Radio- oder TV-Beiträge, greift die Zeichenlimitierung für Textnachrichten nicht. Ebenso leicht lassen sich passende Nachrichtenschnipsel aus dem umfangreichen Radio- und TV-Material in die meisten Online-News einbinden – und so erfüllt man locker die hierfür erforderliche Quote von 75%.
Ein wichtiger Lieferant für den Sendebezug ist SRF 4 News. Entsprechend häufig findet sich denn auch der Verweis auf einen Beitrag des Nachrichtensenders unter einer Textnachricht auf SRF Online. So fällt etwa auf, dass Meldungen, die sich eigentlich auch kürzer abhandeln liessen, mit einem Verweis auf einen Radiobeitrag von SRF 4 News oft in aller Länge runtergeschrieben werden.
Die interne Legitimation bezieht der Nischensender SRF 4 News (Marktanteil 0.8%; SRF 1 mit 31.1%) längst nicht mehr allein aus der Veranstaltung eines Radioprogramms, sondern auch als Teil einer konvergenten News-Redaktion. Gegenüber der MEDIENWOCHE wollte sich Programmleiter Michael Bolliger dazu nicht äussern. Die SRF-Medienstelle spricht allgemein von «Synergien», welche die gleich gelagerten Angebote SRF 4 News und SRF Online erzielen könnten.
Die Grenze zwischen Radio und Online verläuft fliessend. Regulatorische Fussangeln greifen kaum. Der Kniff mit der Längenbeschränkung läuft in der Praxis ins Leere. «Die Interpretation des Sendebezugs ist ohnehin ein Witz», heisst es denn auch beim Verband Schweizer Medien. Das zeigt auch der sogenannte «Konformitäts-Monitor». Mit der Studie lässt das Bakom wissenschaftlich untersuchen, ob sich die SRG im Onlinebereich konzessionskonform verhält. Dabei geht es natürlich auch um den Sendebezug. Und Überraschung: «Lediglich 3,3 Prozent aller Textbeiträge weisen keinen eindeutigen Sendungsbezug auf», hält die aktuelle Messung fest. Kein Wunder, wenn die Newsproduktion von Radio und Fernsehen – nicht zuletzt dank SRF 4 News – so umfassend ist, dass die Online-Redaktion praktisch jederzeit zu jedem Thema einen Sendebezug herstellen kann.
Mit ihrem Ruf nach einer Einschränkung des SRG-Onlineangebots stehen die Verleger auf verlorenem Posten. Auch wenn der Bundesrat «eine klare Ausrichtung des SRG-Angebots auf audiovisuelle Beiträge» fordert, gewinnt das Textangebot auf SRF Online zunehmend an Prominenz. Von Einschränkungen im redaktionellen Bereich, und sei es nur eine Zeichenlimitierung, sollten die Behörden indes absehen, da sie letztlich einen obrigkeitlichen Eingriff in die Redaktionsfreiheit darstellen. Dem Bundesrat als Konzessionierungsbehörde und dem Bakom als Regulator bleiben indes wenig Spielraum, um auf einen Interessenausgleich zwischen privater Presse und öffentlichem Rundfunk hinzuwirken. Bei der Werbung hat der Bundesrat bereits entschieden, dass die SRG dereinst ihr Online-Angebot vermarkten darf und beim Textangebot im Web zeigt die redaktionelle Praxis, dass eine Einschränkung nicht funktioniert.