Gefährliche No-Billag-Experimente
Ein Ja zur neuen Medienabgabe am 14. Juni würde der SRG den Rücken stärken und den beiden Anti-Billag-Initiativen den Wind aus den Segeln nehmen. Für eine Entwarnung ist es allerdings noch zu früh, eine Aushöhlung des Service public droht weiterhin. Gleichzeitig hat die öffentliche Hand nur wenig Spielraum für wirksame medienpolitische Massnahmen. Unsere aktuelle Service-public-Debatte eröffnet Regula Rytz, Co-Präsidentin Grüne, Nationalrätin (BE) und Mitglied der für die Medienpolitik zuständigen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen KFV-NR.
Medienabgabe?
Am 14. Juni gelangt das Referendum gegen das revidierte Radio- und Fernsehgesetz zur Abstimmung. Dabei geht es um die Finanzierung von Radio und Fernsehen mit einer allgemeinen Medienabgabe. Die MEDIENWOCHE lässt Exponentinnen der fünf grossen Parteien im Bundeshaus mit ihren besten Argumenten zur Vorlage Stellung nehmen.
Die Geschichte der RTVG-Revision ist rasch erzählt: Aufgrund des technologischen Wandels muss das Gebührensystem für die öffentlichen Radio- und Fernsehsender angepasst werden. Die Gebühr für einzelne Empfangsgeräte wird im Zeitalter der Konvergenz durch eine pauschale Abgabe ersetzt. Weil damit die verhassten Billag-Kontrollen entfallen, kommen 75 Prozent der Unternehmen und ein Grossteil des heutigen Radio- und TV-Konsument/innen in den Genuss einer Gebührensenkung oder gar einer Gebührenbefreiung. Auch die konzessionierten privaten Radio- und TV-Stationen unterstützen den Systemwechsel. Ende gut alles gut, könnte man sagen. Umso mehr überrascht der Absender des Referendums, das im Januar 2015 eingereicht wurde. Weshalb bekämpft ausgerechnet der Gewerbeverband eine Vorlage, die weniger Bürokratie und eine Gebührenbefreiung für KMU verspricht? Offensichtlich hat er sich einmal mehr vor den Karren gewerbeferner Interessen spannen lassen.
Hinter den Kulissen: Der Kampf um neue Märkte
Die Revision des RTVG, über die am 14. Juni abgestimmt wird, beschränkt sich bewusst auf ein neues Finanzierungsmodell. Die von der SVP geforderte Grundsatzdebatte über den verfassungsrechtlichen Auftrag der SRG wurde auf später verschoben. Einige Unentwegte versuchten trotzdem, die SRG finanziell zu schwächen, ihre publizistische Unabhängigkeit zu durchlöchern und wachsende Geschäftsfelder insbesondere im Online-Bereich für private Anbieter zu sichern.
Ein weiteres Ziel war die Aufhebung des Schutzschildes gegen die Medienkonzentration. Die Beschränkung auf maximal zwei Fernseh- und Radiokonzessionen pro Unternehmen wurde von der SVP als „Angriff auf die Wirtschaftsfreiheit“ gegeisselt. Doch ihre Anträge prallten ab. Eine klare Mehrheit des Parlamentes setzt sich heute für publizistische Vielfalt und regional breit abgestützte Radio- und Fernsehprogramme ein. Sie anerkennt die staatspolitische Bedeutung der öffentlichen und konzessionierten Medien, die in unserem kleinen, vielsprachigen Land einen Beitrag zur nationalen Identitätsbildung leisten. Vermutlich hat genau dieser breite Konsens den Bundesrat dazu bewogen, das Referendum gegen die RTGV-Revision bereits im Sommer an die Urne zu bringen. Geht seine Taktik auf, dann spricht sich eine Mehrheit der Stimmberechtigten im Juni für eine SRG mit neuem Gebührenkleid aus. Dies wäre auch als starkes Zeichen gegen weitere Angriffe auf die öffentlichen Medien zu werten.
No-Billag will Radio- und Fernsehen privatisieren
Neben dem Referendum gegen die RTVG-Revision sind gleich zwei Initiativen zur Abschaffung der öffentlichen Radio- und Fernsehprogramme unterwegs. Die eine will das Angebot der SRG in unabhängige Sender aufteilen und verkaufen. Die andere will die Rolle des Bundes auf die Konzessionserteilung an Private beschränken. Beide Volksbegehren rücken die Abschaffung der Gebührenlast und der Gebührenerhebungsstelle Billag ins Zentrum. Faktisch geht es aber um die Zerschlagung und die Privatisierung der SRG. Wie die schöne neue Radio- und Fernsehwelt in der No-Billag-Ära aussehen wird, lassen die Initianten offen. Wie würden in unserem viersprachigen Land aufwändige Radio- und Fernsehproduktionen mit Lokalbezug finanziert? Könnten RTL oder Berlusconi-TV die Konzessionen erwerben? Wer würde die Kernaufgaben des heutigen SRG-Leistungsauftrags, die Pflege der Meinungsvielfalt oder die Kulturförderung, weiterführen? Auch wenn man die SRG in ihrer heutigen Form nicht unter Heimatschutz stellen darf und nicht jede ihrer Produktionen lieben kann, ist von No-Billag-Experimenten dringend abzuraten. Wer die privaten Medien stärken will indem er die gebührenfinanzierten Medien entsorgt, will ihre staats- und demokratiepolitische Rolle schwächen. Es braucht andere Antworten auf die aktuellen Umwälzungen in der Medienbranche.
Zankapfel Medienförderung
Ende 2014 hat der Bundesrat aufgezeigt, wie er mit den Transformationsprozessen in der privaten Medienwelt umgehen will. Seine Vorschläge decken sich weitgehend mit denjenigen der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) und sind heiss umstritten. Viel Spielraum gibt es nicht. Denn jede öffentliche Intervention muss die publizistische Unabhängigkeit wahren. Neben der Stärkung klassischer Instrumente wie zum Beispiel ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auch für Online-Medienoder höhere Beiträge an die journalistische Aus- und Weiterbildung sind aus meiner Sicht alle Ansätze interessant, die der gezielten Förderung von Sprachenvielfalt, unabhängigen regionalen Plattformen oder von einzelnen Ressorts wie der Wissenschafts- und Kulturberichterstattung dienen. Die Mitfinanzierung von Agenturleistungen muss deshalb genauso ernsthaft geprüft werden wie die Äufnung von Stiftungen für Start-Ups, Innovation und inhaltliche Recherchen. Ziel der Medienförderung ist der Erhalt eines qualitätsbasierten journalistischen Wettbewerb und die Abbildung der gesellschaftlichen Vielfalt. Es liegt allerdings auch an uns Bürgerinnen und Bürgern, für diese Aufgabe einen fairen Preis zu bezahlen.
Olivier Kessler 16. Februar 2015, 13:00
Die Vizepräsidentin der Grünen, Regula Rytz, versucht sich in der Diskreditierung der Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühr – und scheitert kläglich.
Regula Rytz behauptet, es gehe bei der No-Billag-Initiative „um die Zerschlagung der SRG“. Das ist nachweislich falsch. Wir wollen lediglich, dass die SRG sich – wie jedes andere Unternehmen auch – selbst finanziert, ohne die Bürger zur Zahlung von Billag-Gebühren zu zwingen.
Weiter behauptet sie, die Initiative wolle die SRG privatisieren. Frau Rytz ist wohl entgangen, dass die SRG bereits heute ein privater Verein ist. Unser Anliegen ist es lediglich, die Billag-Zwangs-Gebühren abschaffen. Jeder soll selbst entscheiden können, wie viel er bereit ist, für seinen Radio- und Fernsehkonsum auszugeben.
Unterstütze auch Du uns bei der Abschaffung der Billag-Gebühr mit einer Unterschrift oder einer Spende zur Verbreitung der Unterschriftenbogen: http://www.nobillag.ch
Christof Moser 17. Februar 2015, 19:11
Frau Rytz ist Co-Präsidentin der Grünen. Manchmal hilft Bildungsfernsehen.
Jonas Ryser 16. Februar 2015, 20:29
Natürlich würde die „No-Billag“-Initiative (falls sie denn wegen ihrer schlechten Formulierung überhaupt zur Anwendung käme) zu einer Zerschlagung der SRG führen, da hat Regula Rytz schon Recht. Niemals könnte z.B. ein Programm für die Randregionen, wie es die SRG produziert, am „freien Markt“ finanziert werden, egal ob über Werbung oder Abogebühren.
Die Initianten wie der oben schreibende ignorieren, dass es Güter gibt, die einen hohen gesamtgesellschaftlichen Nutzen haben, die der Markt aber nicht liefern kann, so z.B. vernünftige Information. Gibt es in der Schweiz einen einzigen privaten Radiosender, der ausführliche, gut recherchierte Nachrichten sendet? Nein, gibt es nicht. Und auch in den umliegenden Ländern nicht.
Natürlich ist die SRG nicht perfekt, und meinetwegen könnte man eine Menge Sendungen im Bereich Unterhaltung und die teuren Sportübertragungen gerne den Privaten überlassen. Aber als Nachrichtenkanäle sind die TV- und vor allem die Radiokanäle der SRG in der Schweiz unbedingt nötig.
Es sei denn, man will Blocherpolitik, für die, wie er selbst sagte, die Leute mit dem Bauch entscheiden sollen statt mit dem Kopf. Dann brauchen wir keine informierten Bürger, ein bisschen diffuses Bauchgefühl reicht da aus.
Thierry Blanc 17. Februar 2015, 15:08
Gemäss Wiki sind „die SRG SSR […] dafür verantwortlich, dass alle Sprachregionen eine gesicherte Informationsabdeckung und ein vielfältiges Unterhaltungs-, Bildungs- und Kulturprogramm erhalten.
Dies ist ein gesetzlicher Auftrag. Das Problem dabei, ist, dass der Beitrag dafür von der Billag eingetrieben wird. Denn diesen Informationsauftrag umzusetzen, muss gewährleistet werden, unabhängig davon, ob jemand ein Empfangsgerät hat oder nicht. Es handelt sich um einen Service public, den die Gesellschaft als Ganzes stützen muss. Daher sollte die Finanzierung über Steuern erfolgen, auch deshalb, damit Wohlhabende mehr und Ärmere weniger zahlen. Dies ist ein Solidaritätsprinzip. Vom Vorteil einer gut informierten und gebildeten Gesellschaft profitieren alle, auch ausländische Firmen.
Ein Unterhaltungsprogramm ist heute jedoch nicht mehr nötig, da die zahllosen im Angebot stehenden Programme dies bei Weitem abdecken. Jene Sendungen, die in die Kategorie Unterhaltung fallen, sollten über Werbung, o.ä. finanziert werden.
Ein privates Fernsehen würde den Kassensturz sofort abschaffen. Für unabhängige (oder genauer: weniger abhängige) Berichterstattung braucht es eine SRG.
Hans Muster 17. Februar 2015, 17:06
Auch künftig braucht es die Billag, da ohne flächendeckende, objektive Berichterstattung die Räder der direkten Demokratie nicht mehr drehen. Wenn man nun aber die SRG über Steuern finanziert, entscheiden Politiker über die Höhe der Beiträge, was eine unabhängige Berichterstattung gefährdet. Ich behaupte aber, dass es bei der SRG Sparpotential gibt. Damit meine ich nicht einzelne Sendungen. Ich habe aber selber schon Fälle erlebt, wo für den selben Medienanlass ein mehrere SRG Journalisten und Kamerateams vor Ort waren – so einen Aufmarsch leistet sich kein Privater. Hinzu kommt noch, dass einzelne Beiträge der SRG tendenziös sind. Damit meine ich nicht zu „links“, sondern zu boulevardesk. Ist aber nur meine subjektive Meinung. Eines noch: No Billag heisst vermutlich auch kein Donnschtig-Jass, keine Berichte über Randsportarten und wenig Beiträge aus Randregionen.
Ernst Jacob 18. Februar 2015, 03:18
Ich gehe mal davon aus, dass von der Frau auch gar nichts Anderes zu erwarten war. Grün und öffentlich-rechtlich-staatlich-kontrolliert, und Alles, was auch nur im Ansatz auf ‚Abbau‘ oder ‚Umbau‘ hindeuten könnte, wird erbittert bekämpft. Man kämpft damit auch um die eigene Clientele.
Soviel dazu, mehr wäre zuviel.
Roman Wiis 25. März 2015, 14:09
Der SRF ist überhaupt nicht „objektiv“ und „unabhängig“ wie hier viele glauben. Ich arbeite ehrenamtlich für die alternativen Medien S&G, klatv, schallundrauchblog, koppnews usw. und wir haben schon zich tausendfach klar aufgezeigt was für üble Propaganda der SRF uns auftischt. Darum bin ich auch klar für die abschaffung dieser Zwangsgebühr.
Andi M 12. Mai 2015, 16:27
Ich finde dieser Beitrag in viele Hinsichten bedenklich. Wenn wird Staatsfernsehen mit Meinungsvielfalt gleichsetzt nimmt die Debatte fast Orweillische Züge an. Das SRG ist weit davon entfernt politisch neutral zu sein. Das SRG ist im besten Fall Systemtreu und Staatstreu. In der Presse und im Internet gibt es ausreichend unabhängige Stimmen. Warum soll das Fernsehen anders sein? Im Kern genommen ist das Fernsehen etwas aus dem 20 Jahrhundert als Fernsehproduktion noch zu teuer war und es keine Alternativen gab. Das Konzept der festen Programmierung wird bald in die Geschichtsbücher verschwinden. Warum müssen wir noch mit Staatsgewalt Leute ihr Geld aus der Tasche ziehen um dieses archaische Konzept am Leben zu erhalten anstatt es dem wohlverdienten Untergang zu überlassen. Es werden nicht Millione, nein Millarden dafür verschleudert um dumme und noch dümmere amerikanische Gameshows nachzuaffen während Leute auf der Welt verhungern. Und das auf unsere Kosten. Jeder der nur ein wenig Herz oder ein wenig verstand hat müsste laustark für ein Abschaffung plädieren. Das hier ist das Speilzeiug der Ewiggestrigen die sich auf kosten der Allgemeinheit ihr bisschen Wichtigkeit gönnen. Abschalten, abschaffen, weitersagen.
Nick Lüthi 12. Mai 2015, 16:28
Bei der Abstimmung am 14. Juni geht es nicht um die Abschaffung der SRG.
Andi M 12. Mai 2015, 16:53
Schade, dass Frau Rytz das nicht gemerkt hat. Sie redet von nichts anderes.