Medienfinanzierung als öffentliche Aufgabe
Die neue Medienabgabe ist ein Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung des Service public im digitalen Zeitalter. Als nächsten Schritt braucht die Schweiz ein neues, direktes Fördermodell. Dabei gilt es stets die Unabhängigkeit des Journalismus zu wahren. Die Thurgauer Nationalrätin Edith Graf-Litscher meldet sich als Vertreterin der SP in der Debatte um die neue Medienabgabe zu Wort.
Die Medienwelt befindet sich in einem radikalen und rasanten Wandel, bei welchem kaum ein Stein auf dem andern bleibt. Wir befinden uns medial wohl in der grössten Revolution seit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg. Die Stichworte dazu sind bekannt: Digitalisierung und Internet, ein ungeheures Tempo und eine noch nie dagewesene Dynamik in der technologischen Entwicklung. Zum ersten Mal in der Geschichte verschmelzen Text, Bild und Ton miteinander, erzeugen neue Inhaltsformen – und diese können je länger je mehr völlig unkompliziert ausgetauscht, geteilt und nahezu überall abgerufen und genutzt werden.
Deshalb erstaunt es auch nicht, dass immer mehr Menschen audiovisuelle Inhalte – oder eben Sendungen – nicht mehr nur am Radio und Fernsehen sondern zunehmend auch via Internet nutzen. Bei der RTVG-Revision geht es im Kern genau darum: Nämlich um den Wechsel von einer Apparategebühr hin zu einer pauschalen Gebühr für audiovisuelle Inhalte, welche von der SRG und den privaten Radio- und Fernsehveranstaltern produziert werden.
Die Pauschalabgabe ist keine Steuer
In jedem Haushalt – selbst wenn er kein Radio- oder Fernsehgerät hat – findet sich ein Computer, Laptop, iPad oder Smartphone, mit dem sich die Sendungen empfangen lassen. Heute verfügt jeder Haushalt durchschnittlich über vier Geräte, mit denen man ins Internet gelangen und damit auch Fernseh- und Radiosendungen empfangen kann. Die Breitbandversorgung in der Schweiz beträgt über 95%, und so haben praktisch alle Haushalte die Möglichkeit, Medienangebote auch auf diesem Weg zu konsumieren. Die Nutzung jedes einzelnen Haushalts ist nicht messbar. Und so handelt es sich bei der neuen Gebühr um eine Pauschalabgabe – und nicht um eine Mediensteuer.
Eine pauschale Mediengebühr ist zeitgemäss, weil sie den heutigen, veränderten Nutzungsgewohnheiten Rechnung trägt: Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen Sendungen nicht mehr nur dann schauen, wenn sie live ausgestrahlt werden, sondern vor allem dann, wenn sie Zeit und Lust dazu haben. Es gilt das Motto: alles, überall, zu jeder Zeit, und das ortsunabhängig.
Für mich ist es wichtig, dass die künftige Finanzierungsform des audiovisuellen Service public über eine Gebühr und nicht über eine Steuer geschieht. Und zwar aus folgendem Grund: Eine Steuer bringt Staatsnähe anstatt Staatsferne: Unabhängiger Journalismus und Staatsnähe vertragen sich nicht. Es ist gerade der Vorzug der Schweiz, publizistisch und unternehmerisch, einen staatsfernen Service public zu haben. Es gibt Länder, in denen sich Programmmacher vor parlamentarischen Kommissionen rechtfertigen müssen – das entspricht der schweizerischen Demokratie nicht. Die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen ist auch in der Verfassung verankert. Je stärker die Finanzierung des Service public aus dem Tagesgeschäft herausgehalten wird, desto besser für seine Unabhängigkeit.
Unabhängigkeit der Medien sicherstellen
Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verständlich, weshalb ausgerechnet jene Kreise, die immer von «Staatsmedien» reden, via eine Steuerfinanzierung diese näher an den Staat rücken wollen. Wenn die Finanzierung des Service public Gegenstand jährlicher Budgetdiskussionen im Parlament würde, wäre das ein schwerer Eingriff in die Unabhängigkeit der Medien, verbunden mit einer grossen Planungsunsicherheit für die Unternehmen. Im schlechtesten Fall würden die Service-public-Anbieter sogar erpressbar. Professionelle audiovisuelle Produktion ist weiterhin enorm teuer. Besonders in kleinräumigen Märkten, die dazu noch von grösseren Ländern mit denselben Sprachen umrahmt sind – lässt sich die Produktion von Radio und Fernsehen nicht kostendeckend am Markt refinanzieren. Deshalb ist es für das neue Modell zentral, dass alle sich an der Finanzierung beteiligen.
Ob eine Sendung für ein grosses Land wie Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern oder in einem kleinen Land wie der Schweiz mit 8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern produziert wird – die Produktion kostet zunächst einmal gleich viel. Grosse Staaten mit vielen Gebührenzahlenden brauchen deshalb keine Unternehmensabgabe und wenig bis gar keine Werbung. Kleine Staaten hingegen mit weniger Gebührenzahlenden brauchen die Mitfinanzierung durch Wirtschaft und Werbung. Und die Schweiz, die Programme in vier Sprachen finanzieren muss und damit eine starke und unabdingbare Rolle im nationalen Zusammenhalt spielt, braucht die Mitfinanzierung durch die Wirtschaft erst recht. Würde diese Einnahmequelle wegfallen, dann wäre die vom Bundesrat angepeilte Senkung der Gebühr auf rund 400 Franken kaum realisierbar.
Gesetzesrevision ist dringlich und nötig
Der Systemwechsel, wie ihn die Revision des RTVG will, ist ein Schritt zu einer nachhaltigen Finanzierung des Service public im digitalen Zeitalter. Die Gesetzesrevision, über die wir am 14. Juni 2015 abstimmen, ist die notwendige Anpassung an den Wandel von Technologie und Mediennutzung. Die veraltete geräteabhängige Gebühr soll durch eine zeitgemässe Medienabgabe abgelöst werden. 75 Prozent der Unternehmen (KMU) werden von Gebühren befreit und für alle ehrlichen privaten Gebührenzahlenden sinkt der Betrag voraussichtlich von 462 auf 400 Franken. Die Revision ist dringlich und nötig, damit alle Haushalte und ein Grossteil der Unternehmen entlastet werden.
Als nächsten Schritt braucht die Schweiz ein neues, direktes Fördermodell, für eine gattungsübergreifende Medien- und Journalismusförderung und eine Erhöhung der Fördermittel. Die Unabhängigkeit des Journalismus darf dabei nicht angetastet werden. Kriterium für den Zugang zu Fördermitteln sollen deshalb nicht die Inhalte, sondern die Strukturen und Rahmenbedingungen sein. Möglich wäre dies über eine Förderstiftung, wie sie die Eidgenössische Medienkommission vorschlägt. Es ist höchste Zeit auch politisch in die Diskussion über die Zukunft unseres Mediensystems einzusteigen. Die indirekte Presseförderung für die Lokal- und Regional- sowie die Mitgliederpresse darf nicht eingestellt werden, bevor alternative Fördermodelle in Kraft gesetzt sind.
Remo 19. Februar 2015, 03:24
Die Medien brauchen nicht mehr Staat sondern weniger Staat. Besonders die Schweiz. Kein (demokratisches) Land auf der Welt leistet sich derart hohe Zwangsabgaben für staatliche Medien.
Hans-Ruedi Engeler 19. Februar 2015, 18:44
@Remo stimmt nicht – wenn man nicht absolute Zahlen vergleicht, dass ist die Schweiz sicher nicht am teuersten (aber immer noch sehr teuer). Nur werden bei uns auch Programme in 4 Sprachen produziert, nicht in einer Sprache.
Frank Hofmann 20. Februar 2015, 10:09
@Hans-Ruedi Engeler: Die ARD besteht aus 9 Landesrundfunkanstalten. Das ZDF hat auch mehrere Programme. Dass wir Programme in mehreren Sprachen haben, spielt keine Rolle, denn diese werden ja in den entsprechenden Regionen produziert. Ab 20 Uhr gibts bei den Deutschen keine Werbung mehr, trotzdem sind die Gebühren tiefer als bei uns. Trotz Mehrsprachigkeit, 8 TV- und 17 Radioprogramme sind einfach zu viel, das ist „nice to have“, purer Luxus. Bevor man über Gebühren spricht, sollte der Service public definiert werden. Das würde zu einer Entschlackung und damit zu tieferen Gebühren führen.