Auf der Suche nach der «Digitalisierungsdividende»
Produktion und Distribution von Radio und Fernsehen kosten künftig dank Digitalisierung und Automatisierung weniger. Von einer finanziellen «Digitalisierungsdividende» für die Gebührenzahler will die SRG aber nichts wissen, man investiere die eingesparten Mittel ins Programm. Der Bundesrat hätte bei der Festlegung der Gebühren aber sehr wohl Spielraum nach unten.
Ein Gespenst geht um. Der Roboter, der uns die Arbeit wegnimmt. In den Medien kursiert der Roboterjournalist als Chiffre für die Ersetzbarkeit menschlicher Schreibkraft. Und auch bei den Kameraleuten geht die Angst um: SRF setzt auf Roboterkameras, lautete jüngst eine Schlagzeile mit der Unterzeile: Die Belegschaft fürchtet einen massiven Personalabbau. Die Regie der News-Sendungen soll automatisiert werden. Wofür es bei der «Tagesschau» heute elf Leute braucht, könnten künftig noch drei bewerkstelligen.
Die Zukunft ist in der Gegenwart angekommen. Automatisierung, Virtualisierung und Digitalisierung beginnen allmählich etablierte Produktionsprozesse und analoge Distributionstechnologien abzulösen. Wenn dafür weniger Personal arbeiten muss, bedeutet das nicht automatisch einen Leistungsabbau. Software gesteuerte Prozesse und Algorithmen arbeiten nicht weniger verlässlich als Menschen. Auf lange Sicht lassen sich so strukturelle Einsparungen bei den Personalkosten erzielen.
Auch der technologische Fortschritt lässt die Ausgaben sinken. Bei der Radioverbreitung etwa, rechnen SRG und Fachleute mit deutlichen Einsparungen. «Langfristig kommt DAB+ viel billiger als UKW zu stehen; aber Ausstieg und Aufbau kosten kurzfristig Geld», teilt SRG-Sprecher Daniel Steiner auf Anfrage mit. Konkret rechnet die SRG mit Einsparungen von drei bis acht Millionen Franken pro Jahr. Die UKW-Verbreitung kostet sie nun 23 Mio., mit Digitalradio sind es dereinst noch 15 bis 20 Mio.
Ob Roboterkameras oder Digitalradio, beides weist in die gleiche Richtung: Radio und TV machen, wird billiger. Doch wer profitiert von der «Digitalisierungsdividende»? Soll die SRG die frei werdenden Mittel ins Programm stecken und so ein besseres Angebot ermöglichen oder «gehört» das Geld nicht vielmehr den Haushalten und Unternehmen, die mit ihren Gebühren Radio und TV zu grossen Teilen finanzieren?
Die Frage lasse sich nicht einfach beantworten, heisst es im Bundesamt für Kommunikation Bakom. «Klar ist einzig, wer über diesen Punkt letztlich befinden wird – der Bundesrat», schreibt Marcel Regnotto, Leiter Grundlagen Medien im Bakom. Was aber auch soviel heisst, dass der Bundesrat durchaus über Spielraum verfügte, die Höhe der Abgabe dem tatsächlichen Aufwand anzupassen, also auch zu senken, wenn die Kosten sinken.
Während einen Ausschüttung einer «Digitalisierungdividende» an das zahlende Publikum aus regulatorischer Sicht zumindest nicht ausgeschlossen ist, zeigen sich die Nutzniesser des Geldes weniger offen für eine Rückvergütung. Die «wirtschaftlich äusserst effiziente Newsproduktion» durch Automatisierung der Abläufe legt zwar Mittel frei, aber die fliessen direkt ins Programm von SRF, teilt ein Sprecher mit. Zur Frage einer Beteiligung des Publikums am Effizienzgewinn nimmt er keine Stellung.
Was die Kosten angehe, gebe es gar keine «Digitalisierungsdividende», heisst es bei der SRG. «Die Digitalisierung hat Effekte, die sich gegenseitig aufheben», teilt Unternehmenssprecher Daniel Steiner mit. Für die Technik setzte die SRG «trotz des technologischen Wandels über die Jahre in etwa einen gleichbleibenden Anteil ihrer finanziellen Mittel ein.» Allerdings profitierten die Zuschauer und Zuhörerinnen sehr wohl von einer «Digitalisierungsdividende», nur nicht in Form geringerer Gebühren, sondern mit verbesserter Qualität. Steiner erklärt das so: «Durch die Digitalisierung der Haushalte haben sich auch die Nutzungsgewohnheiten verändert. Die Gebührenzahlenden erwarten, dass die Inhalte überall linear und auf Abruf verfügbar sind. Diese Verbesserung der Angebote wurde ohne Anpassung der Gebühren durch interne Umlagerungen erreicht.»
Dennoch tut der Bundesrat gut daran, den künftigen Mittelbedarf der SRG auf daraufhin zu prüfen, ob das zahlende Publikum am Effizienzgewinn teilhaben kann. Andere Akteure profitierten bereits heute. So zahlen Privatradios dank der Förderung digitaler Technologie mit dem Segen des Bundesrats weniger für die Verbreitung ihrer Programme. «Die ‹Digitalisierungsdividende› zugunsten des Publikums besteht in diesem Fall in der Erweiterung des terrestrisch verbreiteten Programmangebots», erklärt Medienspezialist Regnotto vom Bakom. Es gibt sie also, die «Digitalisierungsdividende». Dass die Gebührenzahler davon in Franken und Rappen profitieren, ist aber eher unwahrscheinlich.
Felix Hürlimann 31. März 2015, 20:06
Das Problem liegt darin, dass die Gebühreneinnahmen so oder so ausgegeben werden. Falls eine Redaktion oder Abteilung weniger Geld ausgibt als budgetiert, wird das Geld an einem anderen Ort ausgegeben. Es gibt bei der SRG keinen Anreiz weniger Geld auszugeben und einen allfälligen Gewinn der Bundeskasse oder dem Billagzahler zurückzugeben.
Der Bundesrat muss sich bei der Festlegung der Gebührenhöhe an „den Bedarf für die Finanzierung der Programme der SRG und der übrigen publizistischen Angebote der SRG, die zur Erfüllung des Programmauftrags notwendig sind.“ (RTVG Art. 70). Er hat aber keine Möglichkeit unabhängig zu überprüfen, ob dieser Bedarf überhaupt gerechtfertigt ist.
Diese Mängel müssten meiner Meinung nach grundsätzlich diskutiert und behoben werden.