«… ist kein Geld zu verdienen»
Im Hotel Savoy Baur en Ville in Zürich wurde das Buch «Weniger Staat, mehr Fernsehen» vorgestellt. SRG-Generaldirektor Roger de Weck stellte sich mutig einer SRG-kritischen Zuhörerschaft aus Liberalen.
Die Diskussion startete nach kürzeren Vorträgen von Marina Masoni (MedienVielfalt Holding), René Scheu (Schweizer Monat) und Roger de Weck (SRG-Generaldirektor). De Weck erwähnte x-fach seinen Leistungsauftrag und x-fach die Konkurrenz durch Netflix («House of Cards»). Er lobte sich selbst («Die SRG ist ausserordentlich effizient»), forderte mehr Kompetenz von seinen Kritikern und klagte darüber, dass niemand der Autoren des am Anlass vorgestellten Buchs «Mehr Fernsehen, weniger Staat» vorgängig das Gespräch mit der SRG gesucht habe: «Sie sind eingeladen, die nächste Sitzung der Medienvielfalt Holding im Leutschenbach abzuhalten.»
Und er zählte fünf betriebswirtschaftliche Gegebenheiten auf und teilte mit, mit was alles kein Geld zu verdienen sei:
- «Mit Programmen, die das breite Publikum erreichen, ist in der Schweiz kein Geld zu verdienen.»
- «Mit Politik ist kein Geld zu verdienen.»
- «Mit Fiktionen ist kein Geld zu verdienen.»
- «Sport kostet wesentlich mehr als er einbringt.»
- «Wir sind ein Geschäft mit enorm hohen Fixkosten.»
- «Ein Übertragungswagen an einem Schwingfest kostet 12 bis 15 Millionen Franken.»
Auf dem Podium redete man dann ziemlich aneinander vorbei und durcheinander – der als Moderator eingesetzte Rainer Stadler liess den Teilnehmern stellenweise sehr viel Freiraum. Roger de Weck bestand darauf, Fragen zu beantworten, um diese dann am Ende doch nicht zu beantworten. Auch wenn die Diskussion zwischen den zwei aufeinander prallenden Welten wenig aufschlussreich und zerfahren war, so war sie doch immerhin stellenweise unterhaltsam.
TeleZüri-Chefredaktor Markus Gilli wartete mit peppigen Zitaten auf («Ich bin ein Medienstaubsauger», «Der Markt ist knüppeldick»), redete sich ins Feuer und unterbrach die Diskussion bei jeder Gelegenheit auf eine Art, wie er es bei seinen «Sonntalk»-Gästen eher nicht akzeptieren würde. Vor radikalen Experimenten wie der No-Billag-Initiative warnte er, weil das einen Bestand der SRG für die nächsten 50 Jahre garantieren werde. «Du bist für mich der Fidel Castro der Medien», sagte er an Roger de Weck gerichtet, und: «Die SRG ist flächendeckend und kennt keine Grenzen, sie will die Konkurrenz verunmöglichen. Wer die SRG kritisiert, wird ins ideologische Lager verschoben».
Eine solche Kommunikationsstrategie bei de Weck analysierte auch CVP-Nationalrat Gerhard Pfister: «Zuerst wird man Ideologe genannt, dann wird man inkompetent genannt.» Schalkhaft fügte er hinzu: «Kompetenz ist allerdings keine Voraussetzung, um Politiker zu werden.» Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Journalisten konnte Pfister keine erkennen: «Es gibt da und dort hervorragende Journalisten und Leute, die ihre Zeit absitzen und zu Alkoholikern geworden sind. Übrigens auch bei den Politikern.»
Selina Hofstetter, die als Sprecherin der Initiatie «No Billag» auftrat, schlug vor, die SRG in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Das würde das Unternehmen dazu bringen, auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Im Schlussstatement sprach sie sich dafür aus, die Sache dem Markt und dem Souverän zu überlassen: «Sie haben uns als naive Jungpolitiker abgetan. Aber wir sprechen für die Konsumenten und die Schweizer Bürgerinnen.»
Fast wähnte man sich in einer Diskussion, wie sie 1968 geführt werden hätte können. Ein geduldig seinen gesetzlichen Leistungsauftrag verteidigender Beamter sieht sich einer Gruppe aufmüpfiger Veränderer gegenüber. Im Unterschied zu damals verhielt sich das Publikum gesittet und warf auch keine Eier – und war sehr viel älter, mächtiger und reicher: Als Revoluzzer im Saal des Nobelhotels sassen unter anderem Christoph Blocher, Tito Tettamanti und Peter Wanner.
Offenlegung: Ronnie Grob veröffentlichte im vorgestellten Buch «Weniger Staat, mehr Fernsehen» den Beitrag «Staatspropaganda im Staatsfernsehen? Jetzt mal konkret» und erhielt dafür ein Honorar.