An «20 Minuten» kommt niemand vorbei
Geld stinkt nicht: Für 140’000 Franken wird Tamedia eine medienkritische Botschaft prominent als Cover-Umschlag von «20 Minuten» bringen. Schliesslich ging auch eine plump manipulierte SVP-Ausländergrafik problemlos durch. The winner takes it all.
Selbst ein gewiefter Verlagsprofi hätte das nicht geschickter einfädeln können: Die Partei mit dem grössten Wahlkampfbudget kauft sich einen der teuersten Werbeplätze in der grössten Tageszeitung der Schweiz. Und weil die Partei kommuniziert, wie es vielen nicht gefällt, provoziert das eine Gegenreaktion, die in Form eines Konter-Inserats an gleicher Stelle demnächst im Blatt erscheinen soll. Kostenpunkt: Zweimal geschätzte 140’000 Franken.
In einem erodierenden Printwerbemarkt hat nur noch derjenige längerfristig eine Überlebenschance, der alles abdeckt. Das macht «20 Minuten» in der Schweiz. Mit der Gratiszeitung und den Online-Plattformen zusammen erreicht der Tamedia-Titel drei Millionen Menschen täglich, 2 Mio. Print und 1 Mio. Online. Die Differenz zu den nächst folgenden bemisst sich in Hunderttausenden von Nutzern. In dieser Liga spielt sonst nur noch die SRG, die aber weniger attraktiv Werbeplätze bietet.
Daher bleibt nur der Überflieger «20 Minuten» als einzige Plattform, die effizient und flächendeckend eine Botschaft transportieren kann. Aber das kostet natürlich. Und nicht wenig. Das ist ein bisschen wie früher. Wie einst die Zeitung als Gattung den Teilmarkt Print monopolisiert hatte, erreicht nun für nationale Kampagnen «20 Minuten» eine ähnlich dominante Stellung. Zusammen mit Web und Apps bieten sich weitere wichtige Werbemöglichkeiten.
Wenn nun der Student Donat Kaufmann dazu aufgerufen hat, mittels 5-Franken-Spenden die teure Frontseitenummantelung zu kaufen, dann war das zuerst einmal ein kecker Spontisplean: Wir geben mit den gleichen Mitteln zurück, damit es das gleiche Publikum mitkriegt, das die SVP-Propaganda schon sah. Aus Spass wurde Ernst. Der Betrag kam zustande. Wer hat, dem wird gegeben.
Wie nun Tamedia 140’000 Franken erhält, so kriegt der Krösus auch anderweitig Zuwendungen. Die schiere Grösse wirkt als Magnet. Das gilt auch für die fremdfinanzierte «Wissen»-Seiten in «20 Minuten». Seit sechs Jahren finanzieren die Stiftungen Gebert Ruef und Mercator ein Redaktionsbüro, das Woche für Woche «lesernah, verständlich und spannend» – und vor allem: für «20 Minuten» gratis, seine Doppelseite «Wissen» bestreitet. Oder auch die Gratisartikel aus Blogs und Online-Magazinen, die man «20 Minuten» zum Nulltarif überliess, in der Hoffnung auf ein paar digitale Brosamen in Linkform.
«20 Minuten» ist zu einem Schwergewicht in der schweizerischen Medienlandschaft herangewachsen. So rief «Die Zeit» vor genau einem Jahr «20 Minuten» zum neue Leitmedium aus. Das trifft publizistisch erst punktuell zu. Aber ganz sicher in kommerzieller Hinsicht, wie das mit 280’000 Franken dotierte Inserate-Ping-Pong zwischen SVP und Student Kaufmann zeigt.
Wer ein solches Massenblatt herausgibt, trägt eine grosse verlegerische Verantwortung, die auch eine gesellschaftliche ist. Eine Inseratepolitik mit offenen Türen für Politpropaganda und Studentenjux zeugt indes wenig davon.