Amtlicher Segen für Uefa-Content-Marketing
Wer die Spiele der Fussball-EM übertragen wollte, musste auf einen Teil seiner redaktionellen Unabhängigkeit verzichten und der Uefa Sendeplätze für Content Marketing zur Verfügung stellen. So auch das Schweizer Fernsehen. Die Werbeaufsicht vom Bundesamt für Kommunikation findet daran nichts Anstössiges – mit einer heiklen Begründung.
Zum Ende des Turniers konnte man doch noch ein bisschen Kritik am Medienregime der Uefa vernehmen. Während des Finalspiels zeigte sich SRF-Kommentator Sascha Ruefer irritiert ob der (nicht) gezeigten Bilder. Er finde es schade, dass die Fernsehzuschauer den Flitzer auf dem Rasen nicht sehen könnten, kommentierte Ruefer und beschrieb dann halt mit Worten, was auf dem Spielfeld zu sehen war.
Es geht hier nicht um die Diskussion ob es sinnvoll ist, Flitzer zu zeigen oder nicht, sondern darum, dass Journalisten entscheiden sollen, wie die Vorkommnisse im Stadion abgebildet werden und nicht die Uefa. Vermutlich hätte Frohnatur Ruefer den – nota bene angekleideten – Eindringling liebend gerne gezeigt, es war schliesslich auch eine urkomische Szene als der Flitzer mit einem eleganten Flic-Flac den Rasen betrat.
Die Kritik an der Uefa betrifft zum einen die Auswahl der Live-Bilder, zum anderen die vertragliche Verpflichtung der Sender, vorproduzierte Uefa-Videos auszustrahlen. SRF nahm dies billigend in Kauf und zeigte im Vorfeld des Turniers eine zwölfteilige Vorschauserie auf die sie keinerlei redaktionellen Einfluss hatten; lupenreines Content Marketing, finanziert und produziert im Auftrag der Uefa.
SRF-Moderator Rainer-Maria Salzgeber machte das zwar alles schön transparent als er dem Publikum mitteilte, das Schweizer Fernsehen müsse das Uefa-Magazin eins-zu-eins übernehmen und unverändert ausstrahlen. Doch das Statement klang viel mehr nach einer Kapitulationserklärung – wir können nicht anders; wir tun, wie uns befohlen.
Aber ist es überhaupt rechtens, wenn SRF Dauerwerbesendungen für die UEFA EURO 2016TM ausstrahlt? Für TV-Werbung gibt es Spielregeln und mehr oder weniger klar definierte Grenzen des Erlaubten. Was ist überhaupt Werbung? Gemäss Definition des Bundesamts für Kommunikation, das über die Einhaltung der gesetzliche Bestimmungen wacht, handelt es sich dann um Werbung, wenn ein «Rundfunkveranstalter einem Dritten gegen Bezahlung oder eine ähnliche Gegenleistung Sendezeit zur Verfügung» stellt. Diese Bedingungen scheint das Uefa-Magazin prima vista locker zu erfüllen.
Handelte es sich tatsächlich Werbung, dann müsste sie den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen – was beim Uefa-Magazin vermutlich nicht der Fall wäre, da der einzelne Beitrag mit 23 Minuten länger dauert als die erlaubten zwölf Minuten Werbung pro Stunde. Doch das Bakom winkt ab, keine Werbung – mit der überraschenden Begründung: «Wir sind zum Schluss gekommen», teilt ein Bakom-Sprecher auf Anfrage mit, «dass es sich um einen redaktionellen Beitrag handelt.»
Mit anderen Worten: Das Bundesamt für Kommunikation taxiert eine von der Uefa finanzierte und produzierte Sendung, zu deren Ausstrahlung sich die SRG wohl oder übel verpflichten musste, wenn sie die Spiele der Fussball-EM zeigen wollte, als «redaktionellen Beitrag». Mit dieser Einschätzung stützt das Bundesamt für Kommunikation letztlich die Praxis der Uefa und schwächt die Position der SRG, die ja selbst deutlich genug deklariert hat, dass ihr das Uefa-Magazin ins Programm gedrückt wurde. Andere Grossveranstalter werden die Signale verstehen und mit ähnlichen Deals wertvolle Sendezeit ergattern wollen für ihr Content Marketing.
Aber auch die SRG trägt eine Verantwortung. Während sie bei der Fussball-EM vor der Alternative friss-oder-stirb gestanden hatte und man es ihr schlecht verübeln kann, die Dauerwerbesendungen des Fussballverbands ausgestrahlt zu haben, sollte sie sich zumindest bei eigenen Formaten in Zurückhaltung üben. Solange sich die SRG mit Werbung finanziert, locken Formate in der Grauzone des Zulässigen. Das war etwa im letzten Herbst mit «Gadget Box» der Fall auf SRF zwei – acht mal 24 Minuten beste Werbung für einen Unterhaltungselektronikhändler. «Letztlich geht es darum, redaktionelles Programm und Werbebotschaften nicht zu vermischen», schreibt das Bakom. Trotzdem kommt die Werbeaufsicht im Fall «Gadget Box» zum Schluss, dass hier «kein werblicher Auftritt des Sponsors vorliegt.» Aus Zuschauerperspektive eine nur schwer nachvollziehbare Einschätzung.