Niemand hat die Absicht, eine Zeitung zu verkaufen
Am Ursprung der Aufregung über einen möglichen Handel zwischen Tamedia und Christoph Blocher standen weniger die publizistischen Ambitionen des SVP-Politikers als die Regionalzeitungsstrategie des Zürcher Medienunternehmens.
Wenn beide dementieren, dann lügt mindestens einer – oder sagt nicht die ganze Wahrheit. Weder Christoph Blocher noch Tamedia wollen es gewesen sein, die einen Tausch ihrer Zeitungen ins Spiel gebracht haben. Am letzten Freitag sagte SVP-Politiker Blocher, er wolle die «Basler Zeitung» nicht aus der Hand geben und am Montag folgte das Dementi von Tamedia: «Diese Gerüchte sind unwahr», hielt Pietro Supino «In eigener Sache» in jenen Zeitungen fest, die gemäss der Berichterstattung der letzten Tage von einem Deal mit Blocher betroffen gewesen wären; das sind die Zürcher Landzeitungen, der Winterthurer Landbote und die Berner Zeitung als deren Mantellieferant.
Nun will es also keiner gewesen sein. Doch Blocher lieferte einen Hinweis, wie die Sache gelaufen sein könnte. Gespräche mit Tamedia dementierte er nicht und fügte im Tages-Anzeiger sogar noch an: «Unsere Idee [eines Zeitungstauschs] war das nicht». Auch das muss natürlich nicht der Wahrheit entsprechen und kann Teil eines geschickten Ablenkungsmanöver sein. Doch passt die Aussage zu früheren Gerüchten, die in eine ähnliche Richtung zielten.
Im März ging es um «Bund» und «Berner Zeitung», ganz ohne Blocher. Aus Kostengründen fasse Tamedia eine Fusion der beiden Titel in der Bundesstadt ins Auge. Wie heute dementierte Tamedia auch damals Tamedia das vom Branchenorgan «Schweizer Journalist» lancierte Gerücht umgehend. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass ein börsennotiertes Unternehmen solche Entscheidungen nicht vorab bekanntgibt oder bestätigt, sondern erst im Moment der Spruchreife seinen Aktionären und der Öffentlichkeit gegenüber bestätigt. Allerdings passen die Puzzleteile ganz gut zusammen, wenn man sich damit eine Zukunft für Tamedias Tageszeitungen zusammenbauen möchte.
Diese Strategie bestünde darin, nur noch den (hoch)rentablen Medienverbund von «20 Minuten» zu halten , sowie das Tafelsilber in Form des Tages-Anzeigers mit Ablegern in Basel und Bern. Regionalzeitungen mit natürlich begrenzter Reichweite hätten in einem solchen Szenario keinen Platz mehr. Mit der Frage, wer denn diese Titel übernehmen könnte, kommt Christoph Blocher ins Spiel. Er hat das Geld und den Wunsch, seine Medienaktivitäten auszubauen.
Wer verkaufen will, muss einen Käufer finden. Und wenn dieser im Tausch etwas Attraktives anzubieten hat – umso besser. Blochers «Basler Zeitung», die schon heute zahlreiche Leistungen von Tamedia bezieht, wie etwa Druck, Online-News und «Das Magazin», liesse sich mit überschaubarem Aufwand in den Tages-Anzeiger integrieren. Natürlich kämen für die Zürcher Landzeitungen auch andere Käufer in Frage. Etwa die NZZ oder die AZ Medien. Nur beackern die gerade andere strategische Baustellen und haben zudem kein so attraktives Tauschobjekt anzubieten wie Blocher mit der «Basler Zeitung».
Dass ein solcher Handel nun offenbar nicht zustande kommt, liege am Widerstand des Tamedia-Verwaltungsrats. Wie die NZZ am Sonntag schreibt, hätten die Granden der Coninx-Familie die Verkaufs- und Tauschpläne mit Blocher blockiert – aus politischen Gründen. Dem aktuellen Verwaltungsratspräsidenten Pietro Supino wären solche Bedenken hingegen fremd, Blocher für ihn ein valabler Geschäftspartner.
Natürlich könnte alles auch ganz anders sein. Der schweizerische Medienmarkt sorgt schliesslich immer wieder für Überraschungen. Doch die Entwicklung von Tamedia der letzten Jahre mit der Fokussierung auf hochrentable – inzwischen oft medienferne – Geschäftsbereiche und die nicht eben erspriesslichen kommerziellen Aussichten für mittelgrosse Tageszeitungen, liessen einen Verkauf der Regionalzeitungen als plausibel erscheinen.
Fürs Erste scheint das Verkaufsszanario aber vom Tisch zu sein. Darum wird Tamedia mit seinen Zeitungen den gewohnten Weg weitergehen und nach wirtschaftlichem Optimierungspotenzial suchen – und solches bestimmt auch finden. Das Medienhaus hat in der Vergangenheit hinlänglich bewiesen, dass sich selbst vermeintlich ausgepresste Strukturen noch weiter «optimieren» lassen. Sei es mit Synergien, Kooperationen oder auch mit der Auslagerung einzelner Arbeitsabläufe ins Ausland. Die Betroffenen erleben solche Massnahmen in der Regel als Leistungsabbau. Doch Kostenoptimierung gehört zum Kernauftrag des Führungspersonals. Nach dem Motto: Den Druck permanent hoch- und die Rendite stets im Auge behalten.