von Fabian Baumann

Blochers stumpfe Waffe

Die Wahlen im Kanton Basel-Stadt zeigen es eindrücklich: Als politisches Projekt ist die «Basler Zeitung» unter ihrem nationalkonservativen Chefredaktor Markus Somm gescheitert. Nach dem für ihn verheerenden Wahlausgang blieb Somm vielsagend stumm.

Entweder hat ihm das Resultat die Sprache verschlagen oder er hat Basel schlichtweg aufgegeben: Keine Zeile in der eigenen Zeitung hat der BaZ-Chefredaktor bisher dem Absturz der bürgerlichen Regierungskandidaten gewidmet, die er mit seinem Blatt eigentlich zum Erfolg führen wollte. Das Resultat der Parlaments- und Regierungswahlen im Kanton Basel-Stadt entsprach aber auch gar nicht Somms Geschmack.

Die Verteidigung der rotgrünen Mehrheit in der Regierung dürfte im zweiten Wahlgang problemlos gelingen und im Grossen Rat haben die SP und das Grüne Bündnis je einen Sitz dazugewonnen. Verloren haben die FDP, die CVP und (bei den Regierungswahlen) die SVP. Als grösste Verliererin gilt in Basel aber die «Basler Zeitung». Das deutliche Wahlresultat ist eine erneute Watsche für deren Chefredaktor Markus Somm, der einmal mehr erfolglos einen bürgerliche Wahlsieg herbeizuschreiben versuchte.

Zwar betonte Somm auch diese Woche wieder, er habe «nicht in erster Linie eine politische Mission», aber so richtig nimmt ihm das niemand ab. Gar abwegig erscheint die Idee, Christoph Blocher habe vor sechs Jahren aus reinem Interesse an guter Schreibe bei der BaZ investiert und mit Somm einen Sympathisanten in die Chefposition gehievt. Für Blocher ist die Zeitung weniger ein publizistisches als ein politisches Projekt. Auch Somm, der immerhin einmal gesagt hatte, die Redaktion solle die (Baselbieter) Politik «aus den Angeln heben», forderte noch vor zwei Monaten unzweideutig eine bürgerliche Wende in Basel mit «weniger Vorschriften, mehr Härte gegen Kriminalität und – mehr Heimat».

Es lohnt sich also durchaus, auf die Rolle der BaZ in diesem Wahlkampf zurückzublicken. Wie hat sie berichtet? Hat sie den Wahlausgang beeinflusst? Und weshalb ist es ihr nicht gelungen, einen Rechtsrutsch zu erwirken?

1. Der Chefredaktor
Dass Markus Somm sich für Basel nicht besonders interessiert, war schon lange klar. Auch nach sechs Jahren als BaZ-Chefredaktor wohnt er weiterhin in Wädenswil am Zürichsee, schreibt kaum über Basel, taucht so gut wie nie an lokalen Veranstaltungen auf. Im diesjährigen Wahlkampf war sein Desinteresse aber noch einmal offensichtlicher. In manchen Wochen soll Somm nur noch einmal in der Redaktion aufgetaucht sein.

In einer Stadt, wo nichts die Linken und Bürgerlichen so eint wie der gemeinsame Lokalpatriotismus, kommt es nicht gut an, wenn ein Auswärtiger – und ein solcher ist Somm in jeder Hinsicht geblieben – die BaslerInnen über Basel belehren möchte. So geschehen auch bei den zwei (!) Wortmeldungen Somms zur Basler Politik im Wahljahr. Als er die angeblich schmuddelige Bahnhofshalle zum Symbol für den angeblichen Niedergang der rotgrünen Stadt erkoren hatte, erntete er vor allem Spott: Somm kenne in Basel eben nichts ausser dem Bahnhof. Und als er von den bürgerlichen «Angsthasen» einen härteren Wahlkampf forderte, gab es prompt eine Schelte des abtretenden liberalen Regierungsrats Christoph Eymann, der in einer Replik festhielt, Somm verlange eine politische Schlammschlacht. «Das mag in Herrliberg gewünscht sein», schrieb Eymann giftig: «In Basel möchten wir das nicht.»

Auch am Wahltag war Somm im Basler Messezentrum der grosse Abwesende: Der Chefredaktor der grössten Zeitung in der Stadt hielt es nicht für nötig, sich an dem Anlass zu zeigen, der praktisch alle Basler PolitikerInnen und JournalistInnen in einem Saal versammelt. Am nächsten Morgen stand in der BaZ kein einziger Satz des Chefredaktors. Dafür tauchte am Dienstag im Tages-Anzeiger ein kurzes Interview mit Somm auf, der offenbar keine Zeit hatte, seine Ideen in einen Artikel zu verpacken. Somms These: Die Bürgerlichen haben alles falsch gemacht, die Linken haben gewonnen, weil in Basel so viele Leute vom Staat leben. Und tautologisch stellt er fest: «Aus bürgerlicher Sicht wäre eine bürgerliche Wende sicher positiv.»

Am gleichen Tag durfte der Kenner der Gegend im Blick behaupten, die LDP habe bei den Wahlen dazugewonnen, weil sie rechts der FDP stehe. Würde er gelegentlich die lokale Konkurrenz lesen, wüsste er, dass das Gegenteil der Fall ist.

Nein, Markus Somm ist für die Basler Bürgerlichen keine grosse Hilfe. Aber, wir erinnern uns, das ist ja gar nicht sein Ziel.

2. Die Lokalredaktion
Betrachtet man die Entwicklung des Ressorts «Basel-Stadt» über die letzten Jahre, so fallen zunächst vor allem die ständigen personellen Wechsel auf. 2014 gab Raphael Suter die Leitung des Ressorts an Nina Jecker ab, die publizistisch blass blieb und diesen Sommer nach gut zwei Jahren durch Bundeshausredaktor Christian Keller ersetzt wurde. Auch andere LokalredaktorInnen bleiben nicht lange.

Ähnlich erratisch wie Markus Somms Personalpolitik ist auch die politische Linie des Lokalressorts, welches im Gegensatz zum Inlandteil nicht durchgehend nationalkonservative Positionen vertritt. Zwar gibt es im Ressort durchaus rechte Wahlkämpfer – etwa Gewalt- und Marihuana-Fan Mischa Hauswirth – aber allen LokalredaktorInnen ideologische Einseitigkeit zu unterstellen, wäre ungerecht. Christian Keller selbst gilt zwar als konservativ, hat aber gleichzeitig den Ruf eines hartnäckigen Rechercheurs, der auch politische Verbündete nicht schont. So fuhren Keller und seine Leute vor den Wahlen eine Kampagne gegen den freisinnigen Polizeidirektor Baschi Dürr, dem sie verschiedene Ungereimtheiten in seinem Departement vorwarfen.

Eine klar rechte Linie zeigte das Lokalressort vor allem an zwei Fronten: in der Sicherheits- und in der Verkehrspolitik. Im August etwa trompetete «Haudrauf-Hauswirth» in einem reisserischen Artikel, Gewalttaten würden sich im Kleinbasel «häufen» – obwohl die Statistiken sogar einen leichten Rückgang der Gewaltdelikte anzeigen. Und schon seit Jahren greift die Zeitung regelmässig den sozialdemokratischen Baudirektor Hanspeter Wessels für dessen velo- und ÖV-freundliche Verkehrspolitik an.

Die restliche politische Berichterstattung im Lokalteil war eher wirr als eindeutig rechts. Es erschienen unter anderem: zwei bemerkenswert wohlwollende Porträts der linken Regierungsratskandidatinnen, ein unappetitlicher Artikel von Martin Regenass, der einen privaten Schicksalsschlag eines grünen Grossrats auszuschlachten versuchte, ein paar halbwitzige Kolumnen, in denen Michael Bahnerth im Gestus des weinerlichen Narzissmus die Linken wie die Bürgerlichen gleichsam verflucht, und ein ganzseitiges Interview mit einer Wahrsagerin.

3. Die Glaubwürdigkeit
Die BaZ-Kampagnen gegen Dürr und Wessels dürften mit ein Grund sein, dass beide in den zweiten Wahlgang müssen – wobei der Bau- und der Polizeidirektor meistens einen schweren Stand haben. Die hysterischen Berichte über die angeblich steigende Gewalt verfehlten hingegen ihre Wirkung komplett: Die SVP konnte im Parlament keine Sitze dazugewinnen und eine Regierungsbeteiligung scheint nach wie vor unrealistisch.

Dieses Resultat liegt wohl auch an der mangelnden Glaubwürdigkeit der Zeitung. Der Ruf der BaZ hat in den letzten Jahren schwer gelitten. Nicht nur Linke sehen sie als SVP-Parteiblatt – was nicht ganz gerecht ist, aber eben auch nicht völlig grundlos. Viele Wählerinnen und Wähler lesen sie überhaupt nicht mehr oder vertrauen ihr nicht. Nur wer ohnehin schon das Gefühl hat, alles werde immer schlechter, findet sich bestätigt von den teilweise apokalyptischen Berichten der BaZ.

Diese Berichte sind aber auch etwas gar weit von der Realität entfernt. Markus Somm etwa zählte im August folgende Probleme auf: «Migration, Staatsverschuldung, miserable Schulen, eine EU im Zerfall, eine Verkehrspolitik, die den ­Kollaps betreibt, Dreck in den Strassen, ­Hochschulen, die versagen, Professoren, die man nicht kennt, Sozialhilfeempfänger, die sich wundersam vermehren.» Grosszügig schob Somm noch nach, die Basler Regierung sei nur für einen Teil dieser Probleme verantwortlich. Aber man muss schon sehr wenig über Basels beneidenswert gute Lage wissen, um die Mär vom sozialistischen Sodom zu glauben.

Die Wahlen müssten zeigen, ob die BaZ die Wahrnehmung der Leute verändern könne, schrieb Philipp Loser vor Kurzem im Tages-Anzeiger. Die Wahlen haben gezeigt: Sie kann es nicht.

4. Polarisierung und Mobilisierung
Wenn es der BaZ auch nach sechs Jahren nicht gelungen ist, die Verhältnisse im Kanton zu verschieben, so hat sie doch dazu beigetragen, dass die Politik polarisierter ist als auch schon. Das erstmalige Bündnis der bürgerlichen Parteien FDP, LDP und CVP mit der SVP hat wohl auch damit zu tun, dass die BaZ seit Jahren den «bürgerlichen Schulterschluss» und den Machtwechsel im Regierungsrat als höchste Ziele propagiert. In Basler Wirtschaftskreisen ist diese Botschaft durchaus angekommen, wie etwa die Wahlkampf-Interventionen von Gabriel Barell zeigen, dem Direktor des Gewerbeverbands, welcher der rotgrün dominierten Regierung immer wieder – und eher faktenfrei – Wirtschaftsfeindlichkeit vorwarf.

Auch in den letzten Wochen versuchten mehrere Kommentare in der BaZ, eine «bürgerliche Wende» als notwendig und wahrscheinlich darzustellen. Markus Somm spürte angeblich eine «feine Wechselstimmung» im Stadtkanton (oder doch nur in der Bahnhofshalle?). Die BaZ, aber auch andere Medien (Tageswoche, bz Basel) und die Meinungsumfragen des Sotomo-Instituts, trugen entscheidend zum Gefühl bei, dass Basel vor einer Richtungswahl stehe. Aus bürgerlicher Sicht war dies wohl kontraproduktiv: Die weit verbreitete Abneigung gegen die SVP half den linken Parteien bei der Mobilisierung und führte so zum Sieg der bewährten Kräfte. Die vorausgesagte Wende stellte sich als self-destroying prophecy heraus.

5. Wie weiter?
Als politisches Instrument zur bürgerlichen Revolution in Basel ist die Sommsche BaZ ein voller Misserfolg. Nach sechs Jahren Somm ist die Wahlbevölkerung im Stadtkanton keinen Millimeter nach rechts gerückt. Gleichzeitig ist die BaZ national nach wie vor zu unbedeutend, um einen entscheidenden Einfluss auszuüben. Dies dürfte unterdessen auch Christoph Blocher bemerkt haben und es ist kein Zufall, dass in jüngster Zeit wieder das Gerücht aufkam, er plane den baldigen Verkauf der vermeintlich «gesundgeschrumpften» BaZ.

Auch für Markus Somms persönliche Zukunft kursieren verschiedene Szenarien: Mal hiess es, Tamedia-Chef Pietro Supino wolle ihn als neuen Tagi-Chef installieren und den Tagi möglicherweise gleich noch mit der BaZ zusammenlegen. Anderswo hörte man, Somm solle eine neue Blocher-Sonntagszeitung für die gesamte Deutschschweiz leiten.

Ob es dazu kommt, ist noch völlig unklar – auch Somm mag sich nicht dazu äussern. Klar ist hingegen: Von einem Abgang Somms aus Basel könnten alle Seiten nur profitieren. Die Stadt hätte eine neue Chance auf ein glaubwürdigeres Leitmedium. Die BaZ-Redaktion könnte beweisen, dass sie fähig ist zu konstruktiver Gesellschaftskritik jenseits ideologischer Vorgaben und Verirrungen. Und falls Blochers Sonntagsblatt zustande kommt, dürfte Somm seinen missionarischen Eifer bei einem eigens für ihn geschaffenen, parteipolitisch ehrlich deklarierten Medium ausleben. Wir wünschen Herrn Somm für seinen weiteren beruflichen Weg alles Gute.

Leserbeiträge

Stefan Moser 27. Oktober 2016, 23:24

In Teilen treffende Analyse, aber weshalb der hochnäsig despektierliche Unterton?

Heinz Kremsner 28. Oktober 2016, 12:29

Besten Dank für diesen hervorragend recherchierten Artikel. Super die Sache dargestellt. Als Medienkonsument (Bin kein Journi) verfolge ich gerne die Hintergründe von Medien. Ja da hat sich der Blocher selber ein Ei gelegt. Wollte Basel aufmischen – reingefallen – auch finanziell für ihn katastrophal.

Was fehlt im Artikel:
– Die Baz wurde nach Übernahme von Blocher/Somm in einer gigantischen Verteilaktion mehrmals pro Woche gratis in Briefkästen verteilt. Das wurde eingestellt. Hat sicher auch finanzielle Gründe. Also die Manipulation durch Gratis-Zeitung zog nicht.
– Dann gabs die BAZ-Compact. Wurde auch eingestellt. Auch finanziell sicher ein Misserfolg. Siehe http://bazonline.ch/basel/stadt/Basler-Zeitung-lanciert-BaZ-Kompakt/story/27008319

Severin Liechti 28. Oktober 2016, 14:19

Gut fundierte Analyse. Doch mit Somms Abgang würden sich nicht zwangsläufig die Besitzverhältnisse der BaZ ändern. Ich bezweifle, dass die BaZ im Besitz von Christoph Blocher zu einem glaubwürdigen Leitmedium werden könnte.