«Wir sind ein sehr schweizerisches Start-up»
Der Start rückt immer näher. Schon in drei Monaten will die «Republik» loslegen. Hinter den Kulissen nimmt das neue Online-Magazin allmählich Form an. Mitgründer Christof Moser gewährt einen Einblick in den aktuellen Stand der Arbeiten und erklärt, warum die «Republik» keine zweite WOZ werden will und wie ein Entscheid der NZZ die Gründung des Projekts begünstigt hat.
MEDIENWOCHE:
Als für dich klar war, dass du alles auf die Karte «Republik» setzen wirst, wie hattest du dir damals das neue Medium vorgestellt?
Christof Moser:
Ich hatte eigentlich schon immer jenes Projekt vor mir, das jetzt mit der «Republik» entsteht: Ein digitales Magazin, das die Community auch wirklich einbindet und nicht nur bewirtschaftet. Und das Verschmelzen von Redaktion und IT nicht nur propagiert, sondern lebt. Ich habe mir das vorgestellt, was jetzt entsteht: ein gutes Team, auf das ich mich jeden Tag freue, mit ihm zusammenzuarbeiten. Meine Erfahrung beim Entwickeln früherer Projekte, beim Aufbau des Reporterforums oder auch von Infosperber, zeigte mir: wenn ein paar Leute zusammenkommen, die wirklich etwas erreichen wollen, können sie Berge versetzen.
MEDIENWOCHE:
Wie nah dran seid ihr an deiner ursprünglichen Vorstellung?
Christof Moser:
Relativ nah. Wir haben ja auch jahrelang Vorarbeit geleistet. Eine erste grosse Auseinandersetzung führten wir um den Namen. «Republik» ist, glaube ich, genau der richtige Name im richtigen Moment. Constantin Seibt hat sich sehr viele Gedanken übers Schreiben gemacht. Davon profitieren wir enorm. Wie wir die ganze Sache zusammenschrauben, das ist eher mein Part. Wenn man fünf, sechs, sieben, ja acht Jahre über eine Publikation nachdenkt, dann ist sehr Vieles schon einmal sehr gründlich durchgedacht worden. Wir sind ein sehr schweizerisches Start-up. Alles ist gut überlegt.
MEDIENWOCHE:
Ihr seid nach dem erfolgreichen Crowdfunding mit 14’000 individuellen Erwartungen an euer Magazin konfrontiert. Das birgt ein riesiges Enttäuschungspotenzial.
Christof Moser:
Das ist so. Einem Teil der Projektion, die wir auslösten, können wir aktiv begegnen. Das trifft sicher auf die Fan-Basis zu, aber auch auf jene, die genau gelesen haben, was wir vorhaben und uns darum unterstützten. Wenn wir die Bedürfnisse dieser Gruppen befriedigen können, ist das Projekt gut unterwegs. Wir waren ja selbst überrascht, wie gut das Crowdfunding gelaufen ist. Und man muss immer mit einem gewissen Prozentsatz rechnen, den man enttäuschen wird. Das merken wir schon jetzt, bei Leuten, die vor allem Partikularinteressen haben und etwa meinen, wir würden jeden Tag etwas für den Tierschutz tun oder ihren politischen Überzeugungen entsprechen.
MEDIENWOCHE:
Mit welcher Absprungquote nach dem ersten Jahr rechnet ihr?
Christof Moser:
In den offiziellen Kalkulationen rechnen wir mit fünfzig Prozent, was im internationalen Vergleich mit anderen, ähnlichen Projekten vernünftig ist – und womit wir trotzdem überleben würden.
MEDIENWOCHE:
Ihr sprecht die künftigen Abonnentinnen und Anteilseigner konsequent als «Verleger» an. Wie nehmen diese Verleger Einfluss auf den Geschäftsgang?
Christof Moser:
Wichtig ist zuerst einmal, dass sich die Verleger, wie alle guten Verleger, nicht in die Redaktion einmischen. Aber jeder darf mit einer guten Idee zu uns kommen, die wird dann vielleicht umsetzen. Indem wir von Verlegern und nicht von Community sprechen, haben wir ihre Rolle klar definiert. Die Verleger tragen das Gesamtprojekt mit und können in diesem Rahmen mitentscheiden. Dort wollen wir relativ weit gehen. Bei schwierigen Entscheiden oder Uneinigkeit tragen wird die Diskussion nach aussen. Dass die Leute diese Rolle auch ernst nehmen, zeigte unsere Frage nach dem Profil einer zusätzlichen Stelle, ob wir eine Datenjournalistin, einen Satiriker oder eine Korrespondentin in Deutschland anstellen sollen. Auf diese Frage haben wir sehr qualifizierte Rückmeldungen erhalten.
MEDIENWOCHE:
Ihr hättet mit allen drei Optionen leben können, zumal ihr sie ja selbst vorgeschlagen habt. Seid ihr denn auch bereit, Entscheide der Verleger umzusetzen, die nicht in eurem Sinne sind?
Christof Moser:
Das ist unsere feste Absicht, sonst würden wir es nicht so machen. Es kann natürlich schon sein, dass Unvernünftiges gefordert wird. Auf der strukturellen Eben haben wir jedoch dafür gesorgt, dass es nicht so weit kommt. Geschäftlich ist die «Republik» ja so organisiert, dass alle Verleger zusammen in der Genossenschaft rund 45 Prozent Anteil am Magazin halten, wir als Gründer etwas weniger als 40 und die Investoren die restlichen gut 20. Nur zwei dieser drei Gruppen können zusammen einen Entscheid herbeiführen. Das ist eine Sicherung. Wir gehen davon aus, dass ein Entscheid nicht so falsch sein kann, wenn ihn zwei dieser Gruppen mittragen.
MEDIENWOCHE:
«Republik»-Mitgründer Constantin Seibt (auf dem Bild rechts) hat in seinem Blog und Buch «Deadline» ausführlich beschrieben, woran Medien im allgemeinen und Journalismus im Speziellen kranken und was sie ändern müssten. Ist «Deadline» die Bauanleitung für die «Republik»?
Christof Moser:
Zu den Fragen, wie man Texte entwirft, wie man Themen angeht, wie eine Dramaturgie entwickelt wird oder wie man mit Formen spielt, profitieren wir enorm von Seibts Überlegungen. In dem Sinn steckt durchaus «Deadline» drin. Eine der grössten Herausforderungen des Journalismus ist es heute ja, hochrelevante Themen an die Leute zu bringen. Ein Paradebeispiel ist der Klimawandel. Eigentlich ein enorm wichtiges Thema. Aber ich merke es ja an mir selber: Wieder ein Grad wärmer oder ein grösserer Eisberg abgebrochen – man nimmt es noch schulterzuckend zur Kenntnis. Für uns stellt sich darum die Frage: Wie gehen wir die Geschichten an, damit wir die Leute packen können. Das ist einerseits eine Frage der Haltung, andererseits der Dramaturgie und der formalen Umsetzung.
MEDIENWOCHE:
Was genau wird die «Republik» anders machen, als die übrigen Medien?
Christof Moser:
Allzu viel kann und will ich nicht verraten. Aber wir werden ziemlich anders sein: in Stil, Haltung, Perspektiven, was die Themen angeht, und strukturell bei der Publikumseinbindung. Indem wir die «Republik» auf der grünen Wiese aufbauen und die ganze IT-Entwicklung selbst in der Hand haben, bieten sich uns auch andere Möglichkeiten als in Grossverlagen mit gewachsenen Strukturen. Das kann zum Beispiel heissen, die Hilfe zu suchen bei der Community für Recherchen. So wie das «Correctiv» gemacht hat beim Projekt «Wem gehört Deutschland?», als die Redaktion die Leser auf die Grundbuchämter schickte für Nachforschungen. Aber auch im klassischen Kommentarbereich unterhalb der Artikel wollen wir mit einem cleveren Community-Management Rückmeldungen herausholen, die weiter gehen als der klassische Leserkommentar und die wir wieder in den journalistischen Prozess einspeisen können. Auch das ist an sich nichts Neues. Aber oft wird das recht lieblos gemacht in Form eines uninspirierten Zusammenschriebs. Dort werden wir einiges ganz anders angehen.
MEDIENWOCHE:
Euer bisheriger Erfolg basiert auf einer cleveren Kommunikations- und Werbekampagne. Wieviel war geplant, was war Eigendynamik?
Christof Moser:
Das waren sicher 80 Prozent Eigendynamik. So etwas kannst du nicht planen. Nicht die beste Werbeagentur könnte dir einen solchen Crowdfunding-Erfolg garantieren, wie wir ihn erzielt haben: 14’000 Leute in Bewegung setzen für ein Medium, das es noch nicht gibt und alle nehmen dafür 240 Franken in die Hand, die sie auch einzahlen. Die ehrlichste Antwort auf die Frage nach dem Grund für unseren Erfolg lautet aber ganz einfach: Glück. Und natürlich ernsthaft an dem Projekt zu arbeiten. Die Leute müssen spüren, dass eine Truppe am Werk ist, die das Ganze ernst meint und auch ein persönliches Risiko eingeht. Es hätte überhaupt nicht funktioniert, wenn wir alle unsere Stellen behalten und daneben etwas aufgezogen hätten. Was danach geschah, war unplanbar. Es hätte auch sein können, dass wir nur 1500 Leute mobilisieren, oder 2500. Dann hätten wir die ganze Sache abgeblasen. Nun sind wir in einer relativ komfortablen Ausgangssituation. Damit haben wir nicht gerechnet.
MEDIENWOCHE:
Ihr baut euer Image stark über die Gegnerschaft zu den grossen Verlagshäusern auf. Du warst 2007 selber ein Tamedia-Sparopfer bei der Einstellung von «Facts». Wieviel persönliches Ressentiment steckt in eurer Anti-Verleger-Kampagne drin?
Christof Moser:
Eine journalistische Qualität sollte es ja sein, Ressentiments nicht zum Nennwert zu nehmen für das, was man macht. Ich habe meine Emotionen relativ gut im Griff. Aber ich weiss auch sehr genau, wie die Verlagshäuser funktionieren. Mir wurde bei Recherchen zu den Arbeitsbedingungen bei «20 Minuten» klar, dass der Journalismus auch gegen die Grossverlage verteidigt werden muss. Aus den Verlagen wird uns ja vorgeworfen, wir würden sie als PR-Vehikel missbrauchen. Nein, wir meinen das sehr ernst! Wir sind nicht einverstanden mit deren Geschäftsstrategien. Wir haben eine andere Vorstellung von Journalismus. Was rundherum gerade passiert mit Restrukturierungen und Entlassungen, bestätigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und vor allem, dass wir zum Glück rechtzeitig gehandelt haben.
MEDIENWOCHE:
Der Traum, ein eigenes Magazin herauszubringen, begleitet dich ja schon fast dein ganzes Journalistenleben lang. Unter dem Projektnamen «Republik» hast du bereits bei früherer Gelegenheit zwei Magazin-Nullnummern entworfen. Zuletzt vor sechs Jahren für eine Wochenendbeilage zu den Regionalzeitungen ausserhalb des Tamedia-Konzerns – von AZ Medien bis NZZ-Mediengruppe. Wieviel von den ersten beiden «Republiken» steckt in der dritten «Republik»?
Christof Moser:
Nicht wenig. Die erste «Republik» war ein reines konzeptionelles Feuerwerk. Über eineinhalb Jahre hinweg habenein paar Leute und ich zusammen unser Traummagazin entworfen. Finanziell hätte sich das aber nie gerechnet. Doch darum ging es auch nicht. Sondern darum, festgefahrene Denkweisen aufzubrechen. Die zweite «Republik» kam von der anderen Seite her und identifizierte zuerst ein Geschäftsmodell als Wochenendbeilage und entwickelte dazu ein redaktionelles Konzept. All die Überlegungen, was es braucht, damit ein spannendes Medium entsteht, habe ich also schon mindestens einmal gemacht. Vieles davon fliesst jetzt mit ein. Auch bei den beteiligten Personen gibt es eine Kontinuität. Laurent Burst, der bei der «Republik» für die Strategie verantwortlich ist, hat den Businessplan für das geplante Beilagenmagazin entwickelt, von dem ich noch heute höre, es sei einer der besten Businesspläne gewesen, die Verlags-CEOs je vor sich hatten. Das Projekt scheiterte daran, dass die NZZ-Gruppe nicht mitmachen wollte, weil wir im Werbemarkt das «NZZ Folio» kannibalisiert hätten. Im Rückblick war die Absage der NZZ aber ein Glücksfall, weil es heute nicht zielführend ist, ein neues Medium zusammen mit traditionellen Verlagen hochzuziehen. Das killt die Innovation.
MEDIENWOCHE:
Als angestellter Journalist hattest du dir immer sehr viele Freiheiten herausgenommen. Bringt dir die «Republik» noch mehr Freiheit?
Christof Moser:
Im Moment habe ich sehr viel weniger Freiheiten, als ich sie in der Vergangenheit als freier und angestellter Journalist genossen habe (lacht). Ich war tatsächlich immer dort, wo ich den Eindruck hatte, dass mir die grösstmögliche Freiheit gewährt wird. Das war zuletzt der Fall bei Peter Wanner im Aargau. Ich rechne den AZ Medien immer noch hoch an, dass sie mich ausgehalten haben, obwohl ich manchmal auch das eigene Haus kritisiert habe. Darüber habe ich nie ein böses Wort gehört. Das ist nicht selbstverständlich. Aber wenn der Dampfer in die falsche Richtung fährt, kannst du an Deck noch so viele Freiheiten geniessen, die Reise geht trotzdem in die falsche Richtung.
MEDIENWOCHE:
Inzwischen sind eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren der «Republik» bekannt. Wenn man die Namen so liest, könnte man den Eindruck gewinnen, dass ihr auf dem Weg zu einer zweiten WOZ seid.
Christof Moser:
Das kann man so wahrnehmen. Aber ich glaube nicht, dass es stimmt, denn wir positionieren uns – anders als die WOZ – nicht als linkes Medium. Die erste Runde von Leuten, die wir angestellt haben, ist jetzt bekannt. Wir könnten nun alle einzeln durchgehen und fragen, ob sie auch zur WOZ passen würden. Am Grössten ist bei uns übrigens der Anteil ehemaliger NZZ-Journalistinnen und -Journalisten. Die zweite Welle der Anstellungen wird noch kommen und den ersten Eindruck sicher relativieren. Wir halten durchaus Ausschau nach konservativeren Stimmen. Die Diversität der Redaktion geniesst bei uns grosse Priorität und dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Der Team-Aufbau gehört zu den anstrengenderen, aber auch spannendsten Arbeiten für die «Republik». Es fühlt sich ein bisschen an wie Schwarzpulver aufschütten und dann das Feuerzeug dranhalten.
MEDIENWOCHE:
Was der «Republik» bisher noch fehlt, ist ein überraschender Top-Transfer, mit dem ihr einen Teil eurer Fans bewusst vor den Kopf stösst. Jemand wie zum Beispiel Alex Baur von der Weltwoche.
Christof Moser:
(Schmunzelt) Ich kann nicht über einzelne Namen reden. In der ersten Anstellungsrunde ging es darum, eine Basis zu schaffen mit Leuten, die sich in ihren Fähigkeiten und Sichtweisen gut ergänzen. Alles weitere – darunter auch die eine oder andere Überraschung – wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.
Bilder: zVg/project-r.construction für republik.ch
Ueli Sager 05. Oktober 2017, 23:41
vielversprechend….!