Die MEDIENWOCHE ist ein digitales Magazin für Medien, Journalismus, Kommunikation & Marketing. Die Redaktion beobachtet und begleitet publizistisch die Entwicklung der Branche in der Schweiz, verfolgt aber auch internationale Trends. Neben den redaktionellen Eigenleistungen bietet die MEDIENWOCHE mit dem «Medienmonitor» (zweimal wöchentlich) und der wochentäglichen Rubrik «Auf dem Radar» Lektüreempfehlungen aus nationalen und internationalen Medien.
Wie detailliert muss und darf die Berichterstattung über den Prozess eines Jahrhundertverbrechens sein? Wieviel muss die Öffentlichkeit wissen? Und wieviel darf man den Hinterbliebenen und dem Andenken der Opfer zumuten?
Der «Blick» berichtete gestern, wie auch zahlreiche andere Medien, über polizeiliche Verhaftungen in Winterthur im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach den Krawallen am G-20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg. Im Unterschied zu allen anderen Medien brachte das Ringier-Blatt einen prominenten Vater von einem der Verhafteten ins Spiel. Ein No-Go, findet Thomas Knellwolf vom Tages-Anzeiger: «Dieses Outing ist eine für die Schweiz ungewohnte Grenzüberschreitung. Es ist sogar Chaotenjournalismus – vorsätzlicher.» Die «Blick»-Redaktion wiederum reagiert auf die Kritik mit dem Hinweis, dass der Tages-Anzeiger eine Stellungnahme unterschlagen habe.
In Hitzacker sollen Autonome an Pfingsten marodierend vor das Haus eines Polizisten gezogen sein. Das zumindest macht die Berichterstattung mancher Medien Glauben.
Autojournalismus war schon immer ein grenzwertiges Genre, das sich irgendwo in der Grauzone zwischen PR, Produktewerbung und Journalismus bewegt. Aktuell stehen in den Auto-Ressorts der Medien Boliden hoch im Kurs, die ein Leistungsprofil aufweisen, mit dem sie besser auf Rennstrecken aufgehoben wären als im Strassenverkehr. Ein Paradox, findet Hanspeter Guggenbühl: «Je grösser die Lärm-, Klima-, Platz- und Stauprobleme werden, die der Autoverkehr verursacht, desto überschwänglicher loben Medienschaffende exotische und besonders unproduktive Sprösslinge der Gattung Automobil.»
Am Freitag bot die «Neue Zürcher Zeitung» der Gaza-Aktivistin Ursula Hauser (72) eine Plattform. Nach Protesten musste die Zeitung den Text ändern – weil er «nicht den Standards» entsprach.
Eine Gegendarstellung der gröberen Sorte hat gestern 20min.ch veröffentlicht. An einem Artikel über den Hauptsponsor des Eishockey-Vereins SCL Tigers mit dem Titel «Tigers Sponsor machte illegale Waffendeals» stimmt praktisch nichts. In fünf zentralen Punkten widerlegen die Betroffenen die Berichterstattung. Wie sonst bei der Publikation von Gegendarstellungen üblich, schreibt die «20 Minuten»-Redaktion nicht, dass sie an ihrer Darstellung festhalte – womit klar sein dürfte, dass sie tatsächlich grob daneben gegriffen hatte.
Pierin Vincenz ist eine nationale Grösse. Früher als umtriebiger Banker und Raiffeisen-Chef. Heute als Untersuchungshäftling. Kaum ein Medium, das über den tiefen Fall von Vincenz nicht berichtet hat. Und das Urteil scheint gefällt, bevor die Justiz gerichtet hat.
«Wäre die Berichterstattung in Europa eine andere, würden mehr Frauen in den Newsrooms grosser Medienunternehmen den Ton angeben?», fragt «Der Standard». Eine Antwort, wie das aussehen könnte, liefert seit jüngst die Plattform «Newsmavens». Die polnische Journalistin Zuzanna Ziomecka hat das Portal im letzten Oktober gegründet. Journalistinnen aus ganz Europa kuratierien hier die Nachrichten und präsentieren so eine dezidiert weibliche Sicht auf die News.