DOSSIER mit 485 Beiträgen

Medienethik

Journalist erfindet Anschlag – erntet massive Kritik

Selbst als Aprilscherz hätte die erfundene Nachricht nicht getaugt, zu nah an einer möglichen Realität lag das erfundene Ereignis, zu gross war das Risiko, dass breite Kreise die Übertreibung nicht erkennen. So meldete das Rheinneckarblog gestern früh einen verheerenden Anschlag in der Stadt Mannheim mit über 100 Toten. Mit drastischen Formulierungen und blutrünstiger Illustration vermeldete der Journalist Hardy Prothmann die Schreckenstat – die er frei erfunden hatte. Er habe die Fake-News veröffentlicht «um eine Debatte zu erzwingen», zitiert ihn Malte Surmeier auf SWR Aktuell. Prothmann schrieb, es handle sich um «eine fiktionale Story im Gonzo-Stil». Nur: Gonzo bedeutet überhaupt nicht, Geschichten frei zu erfinden, sondern bezeichnet die hypersubjektive Schilderung realer Vorgänge, bei denen der Journalist als teilnehmender Beobachter zugegen war. Prothmanns eigenartiges Verständnis von Journalismus stiess weit herum auf irritierte bis empörte Reaktionen. Er selbst sieht sich missverstanden und nennt die Kritiker «Kleingeister».

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Medien und Rechtspopulismus: Wie soll man berichten?

Rechtspopulisten sind gegen Journalisten, brauchen sie aber auch, um Öffentlichkeit zu bekommen. Das bringt Medien in ein Dilemma: Lassen sie sich von Populisten für deren Agenda benutzen? Wie können sie es vermeiden? Eine Sendung über die Probleme, die das Berichten über Rechtspopulismus mit sich bringt.

Von Werten vernebelt?

Häufig wird so getan, als sei kritischer, sorgfältiger Journalismus nur dann möglich, wenn Journalisten sich nicht von ihren Werten leiten lassen. Das stimmt nicht

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Professor: Was Döpfner macht, gleiche rechtsnationaler Propaganda

Mathias Döpfner, Chef von Axel Springer und Vorsitzender des deutschen Verlegerverbands BDZV, kritisierte in einer Rede jüngst auf dem Verlegerkongress in Berlin die Berichterstattung über die Straftaten von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Ausländern. Die Medien sollten solchen Vorkommnissen grösseres Gewicht beimessen. Als aktuelles Beispiel nennt Döpfner den Mordfall von Chemnitz. «Am Tag nach dem möglichen Mord in Chemnitz berichteten null von zwölf überregionalen Medien, die ich mir angeschaut habe, auf der Titelseite», beklagt sich der Verleger. Medienwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Meier hält dieser Sichtweise entschieden entgegen: «Dass null von zwölf überregionalen Tageszeitungen über einen Totschlag in Chemnitz berichten, entspricht absolut den journalistischen Qualitätsstandards. Die Zeitungen müssten sonst im Schnitt an jedem Tag im Jahr über einen Mord oder Totschlag auf der Titelseite berichten.» Auch sonst geht Meier mit Döpfner hart ins Gericht: «Dass die Zeitungen zu wenig und zu wenig prominent über die Straftaten von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Ausländern berichten würden, ist ein wesentlicher Teil der Propaganda rechtsnationaler Gruppierungen.»

Buch: Sarrazin nimmt es mit den Fakten nicht so genau

In seinem aktuellen Buch wirft der islamophobe Bestsellerautor Thilo Sarrazin der FAZ vor, auf Geheiss eines SPD-Oberbürgermeisters Übergriffe von Migranten und Flüchtlingen auf einem Stadtfest verharmlost zu haben. Die Zeitung lässt den rufschädigenden Vorwurf nicht auf sich sitzen und rekapituliert die Ereignisse und ihre Berichterstattung im Detail. Von der Dramatik, die Sarrazin beschreibt, bleibt wenig übrig. Das hätte er auch selbst herausfinden können. Doch Sarrazin meldete sich weder bei der FAZ, dem Oberbürgermeister noch bei der Polizei, um die im Buch erhobenen Vorwürfe zu prüfen und belegen.