SRG: Kein schneller Entscheid für einen Studioumzug
In einer Woche wird der SRG-Verwaltungsrat über die Zukunft des Radiostudios Bern beraten. Ein Entscheid für einen Umzug nach Zürich sei unwahrscheinlich, heisst es aus dem Gremium und auch von offizieller Seite.
Es kann nicht schnell genug gehen. Diesen Eindruck vermittelten die Spitzen von SRG und SRF, als sie Anfang April eine Verlegung des Radiostudios Bern zum Fernsehen nach Zürich-Leutschenbach ins Auge fassten. Sie gingen damals von einem Entscheid im Juni aus. Als Grund für das forsche Tempo nannten sie den hohen Spar- und Investitionsdruck. 100 Millionen Franken muss, respektive will, die SRG gegenüber dem Status Quo einsparen, um die Sparvorgaben des Bundesrats zu erfüllen und Spielraum für neue Programmprojekte zu schaffen. Ein entsprechendes Budget müsse im Herbst stehen, hiess es Anfang Mai von der Unternehmensspitze. Ein Verzicht auf das traditionsreiche Studio Bern wurde daher als nahezu alternativloser Sachzwang dargestellt, zusammengefasst in der griffigen Formel von Radio-Chefredaktorin Lis Borner: Lieber bei den Mauern sparen als bei den Menschen.
Anfang nächster Woche trifft sich der SRG-Verwaltungsrat. Auf der Traktandenliste steht dann auch die Immobilienstrategie und damit die Zukunft vom Radiostudio Bern. Wie sich in den letzten Wochen abzuzeichnen begann, wird es aber keinen schnellen Entscheid zugunsten eines Umzugs nach Zürich geben.
Dem Verwaltungsrat präsentieren sich drei Szenarien, teilt SRG-Kommunikationschef Edi Estermann auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit:
1. Entscheid auf Nicht-weiterverfolgen
2. Entscheid auf Umsetzung
3. Entscheid auf vertiefte Prüfung und Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt
Varianten 1 und 3 seien «wohl die wahrscheinlichsten», schreibt der SRG-Kommunikationschef weiter. Damit darf das Radiostudio Bern weiter hoffen. Das heisst aber auch: Die Unsicherheit bleibt, denn ein möglicher Umzug ist nicht vom Tisch. Eine Situation, welche die SRF-Spitze mit einem schnellen Entscheid eigentlich vermeiden wollte. Die Erfahrung zeige, dass die Angestellten besser mit einem harten, schnellen und unangenehmen Entscheid umgehen könnten. Nach einem solchen Entscheid beruhige sich die Situation sofort, begründete die SRF-Spitze das angeschlagene Tempo intern.
Dass ein Umzug des Radiostudios Bern inzwischen wesentlich unwahrscheinlicher erscheint als bei Bekanntgabe der Pläne Anfang April, lässt sich im Wesentlichen an drei Entwicklungen festmachen:
- Wie nicht anders zu erwarten, reagierten sowohl das Radiopersonal in Bern, als auch breite gesellschaftliche Kreise, nahezu das gesamte bernische Parteienspektrum, sowie Behörden von Stadt und Kanton mit grossem Unverständnis und Empörung auf den zwar nur angedachten, aber doch als nahezu unausweichlich verkauften Schritt. Die SRF-Spitze rechnete mit diesem Widerstand und war sich bewusst, dass der radikale Plan daran scheitern könnte. Es wäre nicht das erste mal, dass die SRG einen geplanten Abbau ihrer Präsenz in der Bundesstadt abblasen müsste.
- Mit einem Umzug des Radiostudios Bern lassen sich gerade mal drei Millionen Franken pro Jahr einsparen. Das ist zwar viel Geld, aber der tiefe einstellige Betrag trägt einen vergleichsweise bescheidenen Anteil zum Gesamtpaket von 100 Millionen Franken bei, das die SRG bis im Herbst schnüren muss. Insofern kann die Studiofrage unabhängig vom Zeitdruck der grossen Sparübung diskutiert werden.
- Da der finanzielle Aspekt etwas an Dringlichkeit verloren hat, rückt bei der Frage nach dem idealen Standort der SRF-Radioinformation die publizistische Perspektive in den Fokus. Geht die Entwicklung, wie von der SRF-Spitze favorisiert, in Richtung eines Multimedia-Newsrooms mit zwar noch einer je separater Leitung für Radio und TV, aber sonst vollkonvergent und zentralisiert oder entwickelt sich das Radio doch eigenständiger als bisher angenommen unter den Vorzeichen eines sich abzeichnenden Audio-Booms? Für einen solchen Richtungsentscheid lässt man sich besser noch etwas Zeit.
Unter diesen Vorzeichen ist davon auszugehen, dass der SRG-Verwaltungsrat kommende Woche dem Szenario für eine vertiefte Prüfung stattgibt und die politisch und publizistisch aufgeladene Standortfrage zu einem späteren Zeitpunkt abschliessend klären wird. Das bestätigen auch Stimmen aus dem Gremium, die eine vertiefte Prüfung der Standortstrategie favorisieren. Die nächste Verwaltungsratssitzung findet im September statt.
Jürg-Peter Lienhard 19. Juni 2018, 15:57
Da geht etwas ab wie bei der Post… Aadieu service publique! Wasserkopf Zürich…