Admeira: vom Werbevermarkter zum Politikum und zurück
Nachdem die SRG ihre Anteile verkauft hat, scheint beim Werbevermarkter Admeira Normalität einzukehren. Eine Annäherung von Admeira und Goldbach/Tamedia wird als Folge des dramatischen Strukturwandels in der Werbe- und Medienwirtschaft wieder zum Thema.
Wenn sich Ende September die schweizerische TV-Branche an der Screen-up ihr jährliches Stelldichein gibt, dann tut sie das in diesem Jahr unter speziellen Vorzeichen. Denn die beiden Veranstalter der heimischen Fernsehleistungsschau, die Vermarkter Admeira und Goldbach (unter dem neuen Besitzer Tamedia), stehen sich so entspannt gegenüber wie schon lange nicht mehr. Seitdem Admeira nur noch von Ringier und Swisscom gehalten wird, nachdem die SRG mit dem Verkauf ihrer Anteile ausgestiegen ist, hat sich die Lage deutlich entspannt – und man erinnert sich an frühere Aussagen, wonach Tamedia und Admeira gute Partner sein könnten. Dass nun alles in Minne zu münden scheint, war während der vergangenen drei Jahre nicht abzusehen.
Die Aufregung im Schweizer Medienmarkt war gross. Vor drei Jahren kündigten SRG, Ringier und Swisscom an, ihre Werbevermarktung zusammenzulegen. Das Konstrukt wurde später auf Admeira getauft; eine englisch-rätoromanische Wortkombination bestehend aus Advertising und Meira, was soviel wie Ziel bedeutet. Schon wenige Tage nach Bekanntgabe des Joint-Ventures kommt es im August 2015 zum ersten Eklat. Wegen unüberbrückbarer Differenzen verlässt Ringier den Verband Schweizer Medien. Der Verlegerverband hält eine Werbeallianz mit einem staatsnahen Betrieb und den Gebührensendern für bedenklich.
Nach Zustimmung der Eidgenössischen Wettbewerbskommission Weko und des zuständigen Departements Uvek darf Admeira im April 2016 seinen Betrieb aufnehmen. Mit einer wesentlichen Einschränkung: Fernsehwerbespots dürfen nicht nach regionalen Zielgruppen vermarktet werden. Will heissen: Ein SRF-Werbeblock darf in Zürich nicht andere, lokale Werbespots beinhalten, als in Bern. Aber genau solche Vermarktungsmöglichkeiten waren eines der zentralen Argumente für einen Zusammenschluss à la Admeira.
Mit personalisierter Werbung und automatisierten Werbebuchungen wollte Admeira eigentlich punkten. Wollte. Denn die Realisierung wurde bis heute nicht vollständig umgesetzt.
Seit Anbeginn steht Admeira in der Kritik wegen der Nutzung von Daten, welche die staatsnahe Swisscom auf ihrer TV-Plattform generiert. So weiss Swisscom TV beispielsweise, wer wann und wie lange welchen Sender nutzt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Einschaltquoten, die von Mediapulse hochgerechnet werden, lassen sich diese Swisscom-Daten präzise bis auf jeden einzelnen Nutzer herunterbrechen und mit seinen Einkaufsgewohnheiten verknüpfen. Nutzt er zudem ein Swisscom-Handy oder einen Swisscom-Internetanschluss, erfährt Admeira noch mehr über Konsumenten. Mit solchen Daten lassen sich Werbespots für jeden einzelnen Fernsehzuschauer individuell zuschneiden. Adressable TV als (feuchter) Traum der Werbewirtschaft. Aber warum sollten die Daten der staatsnahen Swisscom lediglich den Betreibern der Werbeallianz Admeira zur Verfügung stehen? Mit personalisierter Werbung und automatisierten Werbebuchungen wollte Admeira eigentlich punkten. Wollte. Denn die Realisierung wurde bis heute nicht vollständig umgesetzt.
Im Juni 2017 wurde Admeira erneut zum Politikum. Der Nationalrat forderte die Einschränkung der SRG-Tätigkeiten, die nicht durch die Konzession abgedeckt sind. Der Vorstoss zielte direkt auf das problematische Mitwirken des Gebührensenders bei Admeira ab. Konzessionsferne Aktivitäten soll der Bundesrat nur noch dann bewilligen, wenn sie «volkswirtschaftlich zwingend notwendig» sind und keine privaten Anbieter in diesem Geschäftsfeld tätig sind. Dem Nationalrat gehe es auch um das Verhindern von Wettbewerbsverzerrungen im Online-Bereich.
Nach dem Ausstieg der SRG bei Admeira und der Fusion von Tamedia mit der Goldbach Group könnte die Annäherung von Tamedia an Admeira wieder zum Thema werden.
Im Juni 2018 zog die SRG die Reissleine und verkaufte sämtliche Anteile von Admeira an die beiden weiteren Gesellschafter Ringier und Swisscom. Die Vermarktung des Werbeinventars der SRG verblieb jedoch bei Admeira. Nur ein paar Wochen später winkte die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) die Fusion von Tamedia mit dem Werbevermarkter Goldbach Group durch.
Nach dem Ausstieg der SRG bei Admeira und der Fusion von Tamedia mit der Goldbach Group könnte die Annäherung von Tamedia an Admeira wieder zum Thema werden. Das hatte Tamedia-CEO Tonini bereits bei der Bilanzpressekonferenz im März 2018 durchblicken lassen: „Hier wollen wir zusammen mit anderen Partnern einen Teil der Gelder, die an Google oder Facebook gehen, zu uns holen oder sie da behalten“. Ein solcher Partner könnte Admeira sein, machte Tonini damals deutlich. Ob sich die Emotionen nun ein halbes Jahr später ausreichend abgekühlt haben, um eine solche Zusammenarbeit von Admeira mit Tamedia sachlich erörtern zu können, werden die kommenden Wochen zeigen. Bei Admeira zeigt man sich grundsätzlich aufgeschlossen: „Mit dem Verkauf der Anteile der SRG ist Admeira offen für die Aufnahme neuer Inventargeber und Aktionäre“, antwortet eine Sprecherin von Admeira auf Nachfrage von der Medienwoche.
Aus gutem Grund. Denn das operative Geschäft lief für Admeira alles andere als rund. CEO Martin Schneider, der zuvor den Vermarkter der SRG, Publisuisse, jahrelang führte, verliess das Unternehmen ebenso, wie der von Axel Springer kommende Verkaufschef Arne Bergmann. Dieser wechselte inzwischen zu NZZ Media Solutions. Ungewöhnlich für ein neu gegründetes Unternehmen waren Entlassungen und häufige Umstrukturierungen bei Admeira. Inzwischen verfügt Admeira über vier Einheiten: Broadcast (Radio/TV), Print & Digital, Cross Media Solutions und New Business. CEO Bertrand Jungo hat Admeira konsequent auf Werbeauftraggeber und Agenturen ausgerichtet. Admeira vermarktet 80 Medienmarken und punktet vor allem mit crossmedialen Werbeangeboten. Jungo kam von Manor zu Admeira und bringt deshalb einen noch spezifischeren Blickwinkel von Werbeauftraggebern mit.
Werbeauftraggeber und Mediaagenturen erwarten crossmediale Angebote, adressable TV-Lösungen und programmatischen Mediaeinkauf, was über die blosse Addition von Werbeträgern hinausgeht. Auch medienübergreifende Reichweiten stehen auf der Agenda von Werbeauftraggebern und Mediaagenturen ganz oben. Nachdem Admeira bisher eher mit sich selbst beschäftigt war, konnte der Werbevermarkter im Werbemarkt noch nicht überzeugen.
Dem Vernehmen nach gehen die Margen der Mediaagenturen spürbar zurück, weil immer mehr Werbeauftraggeber direkt mit Werbevermarktern wie Admeira zusammenarbeiten.
Die fundamentalen Marktveränderungen machen auch vor Mediaagenturen nicht halt. Denn Admeira als auch Tamedia und Goldbach Media tragen zu einer Verschiebung der Wertschöpfungskette bei. Werbeauftraggeber werden ohne den bisherigen Umweg über Mediaagenturen akquiriert. Und Werbeauftraggeber übernehmen viele Marketingaktivitäten im eigenen Unternehmen. Dafür wird Personal von Mediaagenturen eingekauft. Das dreiseitige Marktsystem aus Medien, Mediaagenturen und Werbeauftraggebern wird zunehmend überflüssig. Das Geschäftsmodell Mediaagentur gerät unter Druck. Auch mit dieser Begründung wurde die Schweizer Mediaagentur Mediafactor im Mai 2018 geschlossen. Dem Vernehmen nach gehen auch die Margen anderer Mediaagenturen spürbar zurück, weil immer mehr Werbeauftraggeber direkt mit Werbevermarktern wie Admeira zusammenarbeiten. Was auch darauf zurückzuführen ist, dass Werbevermarkter und Medienunternehmen mit dieser Strukturveränderung sicher sein können, dass tarifliche und aussertarifliche Einkaufsvorteile tatsächlich vollständig bei Werbeauftraggebern ankommen, anstatt intransparent die Gewinne von internationalen Agenturkonzernen zu mehren und ungewollt Werbegelder aus der Schweiz abfliessen zu lassen.
Admeira, wie auch die neue Zusammenarbeit von Tamedia und Goldbach Media, können einen Beitrag dazu leisten, dass Werbeauftraggeber Schweizer Medienangebote einfacher buchen und den Erfolg ihrer Werbebuchungen besser kontrollieren können. Dennoch bleiben Google und Facebook für die meisten Werbeauftraggeber unverzichtbar. Selbst eine Kooperation oder gar ein Zusammenschluss von Admeira mit Tamedia und Goldbach Media bei der Werbevermarktung könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Mediennutzungsverhalten in der Schweiz nicht allein auf heimische Medienanbieter beschränkt. Facebook hatte im 2. Quartal 2018 in der Schweiz 3.78 Millionen aktive Nutzer. Google hatte im Vorjahr bei den Suchmaschinen in der Schweiz einen Marktanteil von 93.38 Prozent. Demnach zwei Werbeträger, die in Mediaplänen nicht allein deshalb reduziert werden, weil es Admeira, Tamedia oder Goldbach Media gibt. Eine Vermarktungsallianz für Schweizer Medienanbieter könnte aber dazu beitragen, dass Werbegelder effizienter eingesetzt werden.
Lahor Jakrlin 28. August 2018, 16:29
Admeira hat einen genetischen Defekt
Admeira ist so etwas wie ein Traumgebilde einer Gemeinschaft, die gar nicht funktionieren kann: zwei Staatsbetriebe (SRG und Swisscom) und ein Verlag mit einigen medialen Juxangeboten (Blick, SI etc.).
Nun ist nicht bekannt, wann letztmals ein auf Dauer konstruiertes Joint venture aus Staat (Bürokratie) und Privaten (Innovation) funktioniert hat. Man zieht zwar alle gemeinsamen Stärken zusammen, weiss dann aber nicht, wie damit umgehen. SRG hat sich verabschiedet, jetzt sinds noch Swisscom und Ringier, und fragen sich, wie sie ihre Datenbanken verbinden und aktiv setzen können, ohne Gesetze und Pflichten des Datenschutzes zu verletzen, wohl wissend, dass die Konkurrenz genau hinschaut.
Admeira ist in meinen Augen deshalb eine genetische Missbildung und wird im Media-Geschäft nie abheben. Dazu müsste allenfalls noch die Swisscom aussteigen.
Der rührige Herr Hansueli Loosli, Swisscom-VRP, denkt sicher schon über einen Admeira-Exit nach … nach den bitteren und äusserst kostspieligen Erfahrungen mit Siroop wird er nicht ein zweites Waterloo erleiden wollen.
Und mögen Tamedia/Goldbach, NZZ oder AT „numerisch“ einer Admeira unterlegen sein, in einem sind sie Admeira um Lichtjahre voraus: Sie kennen das Media-Business.
Michael Ziesmann 28. August 2018, 17:32
Die SRG ist nun nicht mehr Gesellschafter bei Admeira und der neue CEO bringt von Manor die Sichtweise der Werbeauftraggeber mit. Das könnte etwas bewirken. An den Daten der Swisscom sind viele interessiert. Das könnte dazu führen, dass Admeira Partner gewinnt, die den Swisscom-Datenpool auch nutzen wollen.
Lahor 28. August 2018, 17:46
Dass SRG ausstieg, schrieb ich auch, und für die Nutzung der Swisscom-Daten brauchts keine Admeira. Das Unternehmen ist nicht marktfähig.
Ueli Custer 28. August 2018, 18:35
Das Lahor Jakrlin mit dem Zweihänder argumentiert, wissen wir ja seit der No-Billag-Abstimmung. Wenn er jetzt aber behauptet, die SRG und die Swisscom seinen Staatsbetriebe und deshalb in der Bürokratie gefangen, dass ist das ein Grad an Polemik vor dem sogar Herr Trump erblassen würde. Die SRG ist in keiner Weise ein Staatsbetrieb und die Swisscom gehört zwar knapp mehrheitlich dem Staat, agiert aber in einem hoch kompetitiven Markt. Was das mit Bürokratie zu tun haben soll, erschliesst sich jemandem, der mit beiden Betrieben zu tun hat in keiner Weise.
Lahor Jakrlin 30. August 2018, 11:42
@Ueli
Natürlich sind SRG und Swisscom Staatsbetriebe, ausgerüstet mit einem Monopol (Swisscom hat – wie die SBB – ein Quasimonopol) sowie einem GAV, welcher die Beamtenprivilegien allerbestens pflegt (höchste Lühne, höchste Sozialleistungen, und viele Absenzen … ;-).
Die SRG ist ein zwangsfinanzierter Beamtenladen, bei der Swisscom entsteht ab und zu etwas Wirtschaftsbewusstsein, allerdings fehlt es da, auch aufgrund des vorbelasteten VR (Loosli ist u.a. auch bei economiesuisse, dann die Sache mit Siroop …) an wirklicher Unabhängigkeit und Unternehmertum.
Ueli, Du hast einfach Mühe mit liberalen (in meinem Fall anti-linken und anti-rechtsaussen) Positionen, und ich akzeptiere das. Aber wenn etwas gegen Deine Gustus geht, dann ist das nicht ein Zweihänder, sondern einfach ein Argument.
Also, lebe bitte damit, dass echte Liberale Swiscom, Post, SRG, SBB, Ruag als Beamtenbiotope betrachten, und das nicht ohne Grund.
Liebe Gruess
jak
Ueli Custer 30. August 2018, 12:59
Ich habe Mühe mit Polemik und Verallgemeinerungen. Damit machen wir unseren Staat langfristig kaputt. Und deshalb wehre ich mich immer mal wieder gegen diese Unsitte.