von Michael Ziesmann

Login-Allianz der Verleger: ein Datenpool gegen die Google-Dominanz

Die Schweizer Verlage haben einen Plan, wie sie den globalen Mediengiganten die Stirn bieten wollen, um sich ein grösseres Stück vom Werbekuchen abzuschneiden. Sie wollen die Nutzer dazu bringen, freiwillig persönliche Daten abzuliefern. Damit wollen sie der Werbewirtschaft attraktivere Angebote machen. Klingt gut, hat aber – mindestens – einen Haken.

Die malerische Kulisse des Luzerner Seebeckens hatte bisher nur selten seinen beruhigenden Charakter auf das Swiss Media Forum im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum übertragen. Wenn die Vordenker und Lautsprecher der Schweizer Medienhäuser gleichzeitig auf einem Podium diskutierten, erinnerte dies in den Vorjahren oft an eine griechische Tragödie. Gar nicht antik ging es zum Schluss des diesjährigen Swiss Media Forums zu.

Immer wieder hatten Schweizer Medienhäuser über Mittel und Wege diskutiert, um auf dem Werbemarkt gegen Google, Facebook, Amazon & Co besser zu bestehen und Werbegelder in der Schweiz zu behalten. Mediaagenturen hatten gegenüber der MEDIENWOCHE Wege beschrieben, um dieses Ziel zu erreichen: «Nur wenn sich die beiden grossen Vermarkter auch für gemeinsame Lösungen im Bereich übergreifende Logins und Datenaustausch finden, können sie den grossen internationalen Medienunternehmen etwas entgegensetzen. Wenn sich im Moment ein Schweizer bei einer Plattform mit seinem Google- und Facebook-Login anmeldet, dient dies vor allem denen, um noch mehr Daten zu sammeln und sie dann auch gewinnbringend wieder zu verkaufen», sagte etwa Beat Krebs, CEO der Agentur Publicis Media, die unter anderem die Werbegelder von Nestlé und L’Oréal betreut.

Die persönlichen Angaben, sowie das aufgezeichnete Nutzungsverhalten fliessen in einen Datenpool ein, von dem die Verlage doppelt profitieren wollen.

Als hätten sie den Weckruf gehört, präsentierten AZ Medien, NZZ, Ringier, Somedia, Tamedia und SRG eine Schweizer Login-Allianz. Schon ab dem kommenden Jahr sollen sich die Nutzer der Online-Angebote dieser Medienunternehmen mit nur einem einzigen Login registrieren und damit sämtliche Angebote nutzen können. Dies soll wohl zunächst kostenfrei sein. Jedoch gibt jeder Nutzer seine Daten wie Name, Postleitzahl und Geschlecht an. Die persönlichen Angaben, sowie das aufgezeichnete Nutzungsverhalten fliessen in einen Datenpool ein, von dem die Verlage doppelt profitieren wollen. Einerseits wollen sie damit personalisierte Werbung auf ihren eigenen Plattformen ausspielen. Andererseits kommen die gesammelten Nutzerdaten der gesamten Werbewirtschaft zugute, die ihre Produkte so individueller bewerben kann.

Dieser Datenpool soll strengen Datenschutzrichtlinien unterliegen. Wie die aussehen wird, ist noch unklar. Wenn aber künftig alle Nutzerdaten von AZ Medien, NZZ, Ringier, Somedia, Tamedia und SRG in einem einzigen Topf zu finden sind, aus dem die Medienunternehmen und die Werbewirtschaft fischen, dürfte dies nicht ganz unproblematisch werden. Der erbitterte Streit über die Nutzung der Swisscom-Daten beim Werbevermarkter Admeira macht die erhebliche Relevanz dieser Frage deutlich.

Der gemeinsame Datenpool würde zur Achillesferse der Login-Allianz. Denn die Nutzerdaten sollen nicht im jeweiligen Medienunternehmen verbleiben, sondern würden in einen gemeinsamen grossen Datenpool fliessen.

Den hochtrabenden Login-Plänen einen Strich durch die Rechnung machen könnte zudem die Gesetzgebung, wenn sich die Schweiz an den strengen EU-Regeln orientieren sollte. Der gemeinsame Datenpool würde zur Achillesferse der Login-Allianz. Denn die Nutzerdaten sollen nicht im jeweiligen Medienunternehmen verbleiben, sondern würden in einen gemeinsamen grossen Datenpool fliessen. Damit sollen sich Qualität und Quantität der Daten massiv verbessern, die der Werbewirtschaft zur Verfügung gestellt werden, führte Marc Walder, CEO Ringier, bei der Vorstellung des Vorhabens am Swiss Media Forum in Luzern aus.

Aus diesem Datenpool soll ersichtlich sein, wer wann was auf welchem Endgerät liest oder sieht. Weil sich jeder Nutzer mit Namen, Geburtsdatum und Postleitzahl registrieren muss, geschieht dies keineswegs anonym. Vielmehr entstehen personalisierte Daten über das individuelle Nutzungsverhalten jedes einzelnen Nutzers. Daten, für die die Werbewirtschaft durchaus bereit ist, gutes Geld zu bezahlen. Ob dieses trojanische Pferd der Werbewirtschaft bei den Konsumenten von Medieninhalten auf Gegenliebe stösst, erscheint fraglich. Ganz besonders, wenn die Anmeldung bei dieser Login-Allianz verpflichtenden Charakter haben sollte, ohne den die Nutzung von Onlineangeboten von AZ Medien, NZZ, Ringier, Somedia, Tamedia und SRG nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sein sollte.

Was für die Werbewirtschaft aber noch viel wichtiger ist, wurde zeitgleich zum Swiss Media Forum bei den Österreichischen Medientagen in Wien vorgestellt. Unter dem Arbeitstitel «Marketplace Austria» errichten zunächst 13 österreichische Marktteilnehmer eine Plattform für die Werbewirtschaft, die Werbebuchungen besonders für internationale Werbeauftraggeber vereinfachen sollen. Das Ziel: ein Klick, eine Buchung, alle Medien, eine Rechnung aus einer Hand. Die Erlöse für österreichische Inhalte sollen österreichischen Medien über den genossenschaftlich organisierten Marketplace direkt zugutekommen. Als Basis dafür wollen auch österreichische Medienunternehmen eine Login-Allianz bilden.

Wenn die Login-Allianz den Werbekuchen vergrössern soll, den es in der Schweiz zu verteilen gibt, dann kann dies nur ein erster Schritt sein.

Das zeigt, wohin die Reise bei den Schweizer Medien gehen könnte. Wenn die Login-Allianz den Werbekuchen vergrössern soll, den es in der Schweiz zu verteilen gibt, dann kann dies nur ein erster Schritt sein. Ein «Marketplace Switzerland» wird der nächste logische Schritt sein. Nach dem Ende des Swiss Media Forums haben die Spitzen von AZ Medien, NZZ, Ringier, Somedia, Tamedia und SRG vereinbart, eine Projektgruppe zu gründen. Ob zu den Gesprächsthemen auch ein «Marketplace Switzerland» gehört, etwa unter dem Dach des Werbevermarkters Admeira, der bereits über den Datenpool von Swisscom und Ringier verfügt und Werbeplätze der SRG vermarktet – wird die konkrete Umsetzung ab dem Jahr 2019 zeigen.