von Gastbeitrag

Journalistinnen und Journalisten wollen ihr Urheberrecht. Nicht ein Leistungsschutzrecht.

Seit Jahren fordern der Journalistenverband «Impressum» und die Mediengewerkschaft Syndicom eine Anpassung des Urheberrechts ans digitale Zeitalter. Aktuell hat Ständerätin Géraldine Savary (Waadt, SP) dazu einen Vorstoss eingereicht. Gleichzeitig unterstützt Savary auch das Anliegen der Verleger, ein sogenanntes Leistungsschutzrecht einzuführen. Worin sich die Forderungen von Medienschaffenden und Verlegern unterscheiden, erklären Urs Thalmann («Impressum») und Stephanie Vonarburg (Syndicom) in einem Gastbeitrag.

Ohne Urheberrecht gäbe es keine kreativen Berufe. Denn das Urheberrecht macht es erst möglich, dass mit Kreativität auch Geld zu verdienen. Wie das funktioniert? Urheberin oder Urheber ist, wer ein kreatives Werk herstellt. Einen Text zum Beispiel, oder ein Pressefoto.

Das Urheberrecht sorgt dafür, dass Urheberinnen und Urheber ihre Werke verkaufen können. So wird geistiges Eigentum zur Handelsware – wie es auch physisches Eigentum ist. Und darum verbietet das Urheberrecht die Nutzung und Kopie von Werken, solange deren Urheberin, deren Urheber nicht zugestimmt hat. Als Gegenleistung für diese Zustimmung können Urheberinnen und Urheber Geld verlangen.

Analoge Kopien werden entschädigt – digitale noch nicht.

Für analoge Kopien wird den Urheberinnen und Urhebern eine Entschädigung zugeführt. Nicht der Fall ist das aber, wenn ihre Werke auf digitalen Plattformen kopiert werden. Im heutigen digitalen Umfeld ist es jedoch unmöglich geworden, die Verbreitung von Werken von Journalistinnen und Journalisten zu verbieten oder das Ausmass genau zu kontrollieren: Ihre Werke oder Auszüge daraus erscheinen bei Suchanfragen auf Google und ähnlichen Plattformen, oder sie werden auf sozialen Medien geteilt. Millionenfach, noch und noch.

Diese Plattformen verdienen Milliardenbeträge allein in der Schweiz, indem sie Nutzungsverhalten auswerten und Werbeflächen verkaufen. Bei Google sind das nach einer Suche die ersten paar Einträge, die mit dem unauffälligen Wörtchen «Anzeige» gekennzeichnet sind. Die relevanten Suchergebnisse, für welche die Nutzer Google nutzen, kommen aber erst nachher. Und diese sind sehr oft Auszüge aus Presseartikeln, sogenannte Snippets. Die Plattformen verdienen ihr Geld also, indem sie journalistische Beiträge nutzen, um beim Publikum Aufmerksamkeit zu generieren: Sie stellen die Auszüge aus journalistischen Beiträgen neben Werbeflächen, die sie für viel Geld verkaufen.

Wer Geld verdient mit Information soll auch die Produktion mitfinanzieren.

Indem die Internet-Plattformen Geld verdienen mit etwas, das sie selbst weder machen noch finanzieren, sind sie wirtschaftlich so etwas wie Parasiten. Sie schwächen ihren Wirt und zerstören ihn auf Dauer. Geschlossene Zeitungstitel wie «Le Matin» und unterdessen tausende von abgebauten journalistischen Arbeitsplätzen führen dies deutlich vor Augen. Der Grund für diese Schliessungen besteht vor allem darin, dass Internetplattformen mit Werbeflächen Geld verdienen und damit den Zeitungen Werbekunden entziehen, ohne selbst journalistische Angebote zu schaffen. Das ist nur möglich, weil das Urheberrecht bislang noch nicht an die digitale Realität angepasst wurde.

Darum fordern Journalistinnen und Journalisten, dass auch für digitale Kopien eine Entschädigung geschuldet werde – und zwar von Plattformen, die selbst nichts zur Produktion der Information beitragen, damit aber Geld verdienen. Diese Forderung lehnt sich an das bewährte Modell der Entschädigung für Fotokopien an. Die Vergütung soll also durch eine Verwertungsgesellschaft von den Plattformen – gestützt auf einen zu verhandelnden Tarif – eingenommen und an die Urheberinnen und Urheber verteilt werden. Das würde das das einheimische journalistische Schaffen rechtlich wie finanziell bei der Durchsetzung seiner Rechte stützen. Diese Forderung ist grundsätzlich unabhängig von jener der Verleger nach einem sogenannten Leistungsschutzrecht.

Verleger verlangen Leistungsschutz, nicht Urheberrecht.

Was die Verleger mit dem Leistungsschutzrecht wollen, unterscheidet sich in einem grundlegenden Punkt: Urheberin, Urheber ist nur, wer ein Werk selbst macht. Das sind zum Beispiel Journalistinnen und Journalisten – nicht aber Verlage. Diese stellen aber die Infrastruktur zur Verfügung, um das Werk zu verbreiten. Das ist eine Leistung. Und auch auf diese sind die Internetplattformen angewiesen. Denn ohne die Webseiten der Verlage hätten Suchmaschinen oder soziale Netzwerke gar keinen Zugriff auf Presseartikel. Verleger wollen ihre ergänzende Leistung schützen, und auch solche Schutzrechte sind im «Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte», kurz Urheberrechtsgesetz URG, geregelt.

«Impressum» und Syndicom haben sich unterstützend zum Anliegen geäussert, dass auch die Leistung der Verleger geschützt werde. So können die Verlage für die Nutzung ihrer Leistung von Plattformbetreibern eine Entschädigung verlangen. Das ist im Grundsatz legitim. Ob und in welchem Umfang diese Entschädigung letztlich dem System der Informationsmedien und damit auch der Produktion von journalistischer Information zugutekommt, hängt sehr von der konkreten Umsetzung ab. Und natürlich braucht es dazu die Bereitschaft der Verleger, diese Einnahmen in die journalistische Produktion zu investieren. Die Verankerung im Bundesgesetz ist nur der erste Schritt.

Leserbeiträge

Angelo Zehr 12. März 2019, 08:44

Sie schreiben, Internetplattformen seien Parasiten weil sie Titel, Bild und Lead eines Artikels von Inhalten präsentieren, die sie nicht selbst erstellt haben. Mir scheint diese Betrachtung reichlich einseitig. Klar leben die Plattformen auch davon, dass User diese «Snippets» überfliegen, aber ein «Snippet» ist auch nur so viel wert, wie der Artikel dahinter. «Snippets» sind ja stets «Teaser» auf eine Geschichte. Sie bringen auch Klicks. Medienhäuser optimieren ihre Websiten darauf, dass diese «Teaser» möglichst gut zur Geltung kommen auf Google und Facebook. Da ist es doch absurd, diesen parasitäres Verhalten vorzuwerfen.

Fabian Schluep 12. März 2019, 22:11

 
Die Verleger fordern den «Föifer und das Weggli». Einerseits wollen sie, dass ihre Artikel von Suchmaschinen gefunden werden, weil sie auf den Traffic angewiesen sind. Sie gestalten ihre «Snippets» so, dass möglichst viele User auf Social-Media-Plattformen drauf klicken. Gleichzeitig wollen sie nun dafür von den Plattformen Geld verlangen. Diese Forderung wäre nachvollziehbar, wenn die Verleger keinen Einfluss darauf hätten, welche Inhalte Suchmaschinen und Plattformen «übernehmen». Tatsächlich könnten die Verleger aber ihre Seiten von der Suche ausklammern lassen. Machen sie aber nicht. Im Gegenteil, sie stellen selbst Kurztexte und Bilder ihrer Artikel den Suchmaschinen und Sozialen Medien zur Verfügung, mit dem Ziel, möglichst viele Benutzer auf die eigene Website zu locken. Wäre es den Verlegern ernst, würden sie einen koordinierten Boykott von Facebook, Twitter, Google, etc. organisieren. Vielleicht könnten die «Parasiten» ohne ihren Wirt nicht überleben. Vielleicht würde sich aber auch herausstellen, dass die beiden in einer etwas vertrackten «Symbiose» leben und die Verleger von den Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen abhängig sind um selbst zu überleben.
 

Florian Bitterlin 13. März 2019, 03:01

Um die sogenannten Parasiten wie Google und andere Suchmaschinen los zu werden, gibt es für Zeitungen eine einfache Lösung. Die nennt sich ‚robots.txt‘. Richtig angewendet verschwinden dann auch die Artikel aus den Suchergebnissen.  Das die Zeitungen auf die gratis Leistungen der Suchmaschinen nicht verzichten wollen, ist klar. Schliesslich generieren diese wohl einen nicht unerheblich Anteil ihrer täglichen Clicks.
Das Leistungsschutzrecht für Verleger und die sogenannte „Link-Steuer“ sind demokratie-feindliche Artikel, die die WBK des Ständerats in den Entwurf des neuen Urheberrechts eingebracht hat. Bringen wird es den Verlagen und Zeitungen nichts, wie man es an den Beispielen Deutschland und Spanien so schön sieht. Den schaden werden wir jedoch als Gesellschaft zu spüren bekommen, wenn politische Debatten im elektronischen Raum zukünftig ohne sie auskommen müssen.