von Nick Lüthi

tpc zurück zu SRF: «Das Publikum sollte nichts merken von diesem Schritt»

Nach zwanzig Jahren ist Schluss: Schweizer Radio und Fernsehen SRF holt die technische Produktion zurück ins Unternehmen, die Tochtergesellschaft tpc wird aufgelöst. Die Reintegration ist Teil des aktuellen Sparpakets. Der Schritt hätte auch schon früher vollzogen werden können, erklärt Projektleiter Christoph Gebel im Gespräch. Auch darum stösst die Massnahme auf keinen nennenswerten Widerstand.

Von einem «TV-Feldzug ins Ausland» schrieb das Fachblatt «Tele» im Januar 2000, als Schweizer Fernsehen DRS den privaten Produktionsmarkt betrat. Mit der Auslagerung der TV-Produktion in die Tochtergesellschaft «tv productioncenter» tpc wollten SRG-Direktor Armin Walpen und Fernsehdirektor Peter Schellenberg ein Instrument schaffen, um fortan auch im internationalen Geschäft mitmischen und Geld verdienen zu können. Und das finanzielle Risiko sollte nicht der gebührenfinanzierte Sender tragen, darum die Auslagerung. In der Branche stiess der Schritt auf Kritik. Es könne nicht sein, dass sich die SRG auch noch auf dem wachsenden TV-Produktionsmarkt breit mache. Im Rückblick sprechen Mitbewerber heute davon, die SRG habe mit der Auslagerung des tpc «der Auftragsfilmbranche sozusagen das Genick gebrochen».

Der Treiber für die Auslagerung lag im heimischen Markt: Mit der Gründung von TV3 und dem Schweizer Programmfenster von RTL/Pro7 lockten 1999 grosse Produktionsaufträge, die das tpc schliesslich auch an Land ziehen konnte. Eine Weile ging das gut. Doch mit der Einstellung der Privatsender ein paar Jahre später klaffte ein Loch in den Auftragsbüchern des tpc.

Der Traum vom grossen Player auf dem internationalen Produktionsmarkt sollte sich als Wunschtraum erweisen. Hauptkunde blieb all die Jahre SRF, respektive die SRG bei internationalen Produktionen. Gerade im Bereich der grossen Wintersportwettbewerbe, wie Ski-Weltmeisterschaften oder Olympia, setzte das tpc Massstäbe mit innovativer Übertragungstechnologie. Davon zeugen zahlreiche Auszeichnungen. Neben der TV-Produktion bot das tpc aber auch Dienstleistungen ausserhalb des Medienbereichs an, etwa die Organisation von Tagungen und Veranstaltungen, inklusive Catering. Damit ist nun Schluss. Nach der Reintegration liegt der Fokus auf dem Kerngeschäft der audiovisuellen Medienproduktion für SRF.

MEDIENWOCHE:

Als eine von derzeit vielen Sparmassnahmen der SRG soll das «technology and production center» tpc in das Unternehmen von Schweizer Radio und Fernsehen SRF integriert werden. Welcher Betrag lässt sich damit einsparen?

Christoph Gebel:

Wir gehen heute davon aus, dass diese Massnahme eine Verbesserung von rund drei Millionen im Budget von SRF bringen wird. Die tpc-Integration ist ja Teil eines grösseren, nationalen Reorganisationsprojekts, bei dem der gesamte Bereich von Technik und Produktion durchleuchtet und neu aufgestellt wird. Insgesamt sollen damit zehn Millionen Franken gespart werden.

Im Rahmen der laufenden Reform- und Sparbemühungen organisiert die SRG auch ihre zentralen Dienste neu. Ein wichtiger Teil davon ist die Reintegration der Tochtergesellschaft tpc ins Mutterhaus von Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Sämtliche Massnahmen in diesem Paket, intern als Projekt Panorama bekannt, sollen das SRG-Budget um 10 Millionen Franken entlasten. Dazu gehört auch die Schaffung eines digitalen Kompetenzzentrums unter dem Dach von SwissTXT, einer weiteren SRG-Tochter. Ein Ziel des Projekts Panorama ist es, die Strukturen der Unternehmenseinheiten in allen Landesteilen zu harmonisieren. Gemäss SRG-Generaldirektor Gilles Marchand geht es beim Projekt Panorama darum, die «Flexibilität und Effizienz zu optimieren».

MEDIENWOCHE:

Wie lassen sich diese Einsparungen genau erzielen?

Christoph Gebel:

Bei tpc und SRF gibt es identische Strukturen. In vielen Bereichen können wir die zusammenführen, beispielsweise in den Supportbereichen. Auch beim Management gibt es natürlich ein Sparpotenzial, weil es ja künftig nur noch eine Leitungsstruktur braucht. Dann gibt es Geschäftsbereiche, die nicht dem Kernauftrag von SRF entsprechen: Etwa die Akquisition von Kunden im Drittmarkt müssen wir genauer beleuchten. Wie die einzelnen Massnahmen aussehen werden, kann ich aber noch nicht sagen. Die Umsetzung steht unter dem Vorbehalt der Ergebnisse des Konsultationsverfahrens.

MEDIENWOCHE:

Es kommt also auch zu einem Stellenabbau?

Christoph Gebel:

Wenn Doppelspurigkeiten abgebaut werden sollen, betrifft das natürlich auch das Personal. Wie viele Stellen betroffen sein werden, kann ich heute noch nicht sagen. Dazu wissen wir noch zu wenig über die künftigen Strukturen. Klar ist aber, dass die heutigen tpc-Angestellten als SRF-Mitarbeitende unter den genau gleichen Bedingungen wie bisher weiterarbeiten können sollen.

MEDIENWOCHE:

Wie hat das tpc-Personal darauf reagiert, dass sie bald SRF-Mitarbeitende werden sollen?

Christoph Gebel:

Die Diskussion, ob man die Radio- und TV-Produktion wieder ins SRF integriert, ist nicht neu. Daher konnte es niemanden wirklich überraschen, dass es nun bald so weit sein soll. Für die meisten Mitarbeitenden wird sich im Arbeitsalltag nicht viel ändern: Aus dem tpc-Kameramann wird ein SRF-Kameramann.

MEDIENWOCHE:

Können Sie die Dimensionen und den Ablauf dieser Operation umreissen?

Christoph Gebel:

Es geht darum, innert neun Monaten ein Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeitenden in ein bestehendes Unternehmen mit 2000 Mitarbeitenden zu integrieren. Dazu haben wir zuerst eine Machbarkeitsstudie erstellt und kamen zum Schluss: Ja, wir schaffen das. Nach dem Entscheid des SRG-Verwaltungsrats, den Weg so zu gehen, erarbeiten wir das Detailkonzept. Nun gibt es enorm viel zu tun. Aber es ist vor allem viel Fleissarbeit.

MEDIENWOCHE:

Soll das tpc quasi «en bloc» in SRF integriert werden?

Christoph Gebel:

Es ist unser Plan, das Unternehmen als Einheit zu überführen. So entsteht dann innerhalb von SRF eine neue Abteilung Operationen, wie wir sie mal als Arbeitstitel nennen. Am Anfang wird dieser tpc-Block genau gleich weitergeführt wie jetzt, einfach unter dem Dach und der Leitung von SRF.

MEDIENWOCHE:

Damit entsteht eigentlich ein neues Unternehmen. Wie verändert sich SRF?

Christoph Gebel:

Neu sind alle zusammen für das gesamte Produkt zuständig. Da hat man dann wirklich vom Schreiner bis zum Chefredaktor alle in der gleichen Firma. Für die tpc-Kollegen heisst es auch, dass sie den Service-public-Gedanken noch stärker verinnerlichen müssen als heute, wo sie auch noch für den freien Markt tätig sind.

MEDIENWOCHE:

Was wird das Publikum von der veränderten Struktur mitkriegen?

Christoph Gebel:

Wenn das Publikum nichts merkt, haben wir alles richtig gemacht. Bei Aussenproduktionen wird das tpc-Logo nicht mehr sichtbar sein, das kriegt man natürlich mit. Aber mehr eigentlich nicht.

MEDIENWOCHE:

Im letzten Jahr stand das tpc im Einsatz für Kunden wie Red Bull, UBS oder Zurich. Ist nun Schluss mit Aufträgen von Privaten?

Christoph Gebel:

Sagen wir es so: Wir wollen diesen Markt nicht mehr aktiv bewirtschaften. tpc wird ein Teil von SRF, dadurch muss künftig auch im Bereich Produktion alles mit dem Konzessionsauftrag kompatibel sein. Als eigenständige Firma hatte tpc richtigerweise mehr Freiheiten. Wir werden jeden Auftrag durchleuchten und prüfen, ob er konzessionsrechtlich vertretbar ist. Als Beispiel: Der grösste Auftrag aus dem Drittgeschäft ist jener des Eishockeyverbands. Das tpc produziert über 400 Hockeyspiele pro Jahr. Da von jedem Spiel auch Bilder im Programm von SRF laufen, entspricht das dem Service-public-Auftrag. Darum werden wir diesen Auftrag weiterführen.

MEDIENWOCHE:

Das tpc hat sich international einen Namen gemacht als Host-Broadcaster der grossen Wintersport-Anlässe. Wird SRF auch in Zukunft das Weltsignal für Olympia und Ski-Weltmeisterschaften produzieren?

Christoph Gebel:

Freiwillig darauf zu verzichten, halte ich persönlich nicht für eine gute Idee. Aber wir sind letztlich ein kleiner Player auf dem globalisierten Produktionsmarkt. Darum lautet die Frage weniger, ob wir noch wollen, sondern ob uns die grossen Veranstalter überhaupt noch Aufträge erteilen zu annehmbaren Konditionen. Persönlich würde ich es sehr unterstützen, wenn wir auch weiterhin in dem Bereich gewisse Sachen produzieren könnten. Einfach damit wir das Know-how, das wir über Jahrzehnte aufgebaut haben, weiter einsetzen können.

Das Gespräch fand am 29. Mai im Auftrag der SRG-Zeitschrift «Link» statt, wo das Interview zuerst veröffentlicht wurde.