Nachhaltigkeit geht alle (Ressorts) an
Nicht länger ein Spezialthema: Mit Nachhaltigkeit in Privatleben, Wirtschaft oder Politik beschäftigen sich Medien zunehmend in sämtlichen Ressorts. Das ist richtig und wichtig. Denn Medien tragen hier eine gesellschaftliche Verantwortung.
Nachhaltigkeit ist zunehmend ein Thema in den Massenmedien und sozialen Netzwerken – nicht zuletzt durch die «Fridays for Future»-Bewegung, in der (vor allem junge) Menschen Politiker*innen auffordern, aktiv gegen den Klimawandel einzutreten. Nachhaltigkeit ist aber auch deshalb ein Thema der Berichterstattung, weil sich Ereignisse wie Sommerhitze, Unwetter, Dürren oder andere Umweltkatastrophen häufen.
Auf europäischer Ebene wurde Nachhaltigkeit nicht zuletzt durch die aktuelle finnische EU-Ratspräsidentschaft ein zentrales Ziel politischen Handelns. Finnland will Europa unter dem Motto «Sustainable Europe, Sustainable Future» zum Vorkämpfer für Klimaschutz machen. Und auch die jüngst gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nennt den Klimaschutz als die wichtigste politische Aufgabe.
Auf globaler politischer Ebene hat Nachhaltigkeit mit der Verabschiedung der Agenda 2030 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2015 eine zentrale Bedeutung erhalten. Die in der Agenda integrierten Ziele für nachhaltige Entwicklung zeigen, dass Nachhaltigkeit ein Querschnittsziel in allen wichtigen Politikfeldern ist.
Die Nachhaltigkeitsforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Modelle entwickelt, um zu unterstreichen, dass Nachhaltigkeit nicht auf ökologische Fragen reduziert werden kann.
Vor rund 30 Jahren wurde im Brundtland-Bericht eine Entwicklung als nachhaltig charakterisiert, wenn die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen befriedigt werden, ohne dass die Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht befriedigt werden können (siehe World Commission on Environment and Development, 1987). Die Nachhaltigkeitsforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Modelle entwickelt, um zu unterstreichen, dass Nachhaltigkeit nicht auf ökologische Fragen reduziert werden kann, sondern auch soziale und ökonomische Aspekte beinhaltet. Dabei bleibt die Brundtland-Definition aktuell: Nachhaltigkeit ist immer auch eine Frage der Generationengerechtigkeit – dies betont auch die «Fridays for Future»-Bewegung. Eine nachhaltige Gesellschaft ist also eine solche, die menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Menschen auf der Welt ermöglicht und die natürlichen Ressourcen schont, damit zukünftige Generationen ein gutes Leben auf dieser Welt haben können.
Mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung hat die Staatengemeinschaft unterstrichen, was die Nachhaltigkeitsforschung also schon seit Langem betont: Nachhaltigkeit kann und darf nicht auf Umweltschutz reduziert werden. Sie ist ein Querschnittsthema aller gesellschaftlichen Bereiche. Daraus resultiert, dass Nachhaltigkeit auch nicht nur ein Thema der medialen Umweltberichterstattung sein kann. Der Journalismus steht damit vor der Herausforderung, Nachhaltigkeit in allen Ressorts als Querschnittsthema mitzudenken – von der Politik- bis zur Wirtschaftsberichterstattung, vom Feuilleton bis hin zu Reise-, Mobilität- und Lokalressorts.
Es ist Aufgabe der Medien, ihre Inhalte auch in Hinblick auf Nachhaltigkeit heterogen zu gestalten.
Dabei können und sollen die Medien Nachhaltigkeit als ein durchaus ambivalentes Thema behandeln. Denn auch wenn Nachhaltigkeit eines der dringendsten Ziele heutiger Gesellschaften sein sollte, so ist der Weg hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft nicht eindeutig. In der medialen Öffentlichkeit finden verschiedene Positionen, Visionen, Initiativen, Vorschläge und Ideen zum nachhaltigen Handeln Raum für Präsentation, Auseinandersetzung und Kritik.
Es ist Aufgabe der Medien, ihre Inhalte auch in Hinblick auf Nachhaltigkeit heterogen zu gestalten. Neben der Krisenberichterstattung, welche die Herausforderungen in Hinblick auf Nachhaltigkeit abbildet, können Berichte über positive Beispiele im Klimaschutz und der Gestaltung von Nachhaltigkeit Vorbilder präsentieren. Dies kann Individuen und Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft motivieren und zur Nachahmung anregen.
Journalist*innen müssen auch die Ziele für nachhaltige Entwicklung selbst kritisch in den Blick genommen nehmen.
Des Weiteren kommt Journalist*innen eine klassische Wachhund-Funktion zu: Sie helfen zu kontrollieren, ob und wie politische Akteure, aber auch Akteure der Wirtschaft und Zivilgesellschaft die nationalen und internationalen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung umsetzen bzw. welche Defizite es bei der Umsetzung der Ziele gibt. Dabei können die Ziele für nachhaltige Entwicklung selbst kritisch in den Blick genommen werden. Journalist*innen können ausserdem durch ihre Berichterstattung über Probleme informieren, die die Klimakrise, Wirtschafts- und Finanzkrisen sowie ungerechte Globalisierungsprozesse verursachen und somit dafür sorgen, dass diese Probleme im gesellschaftspolitischen Diskurs präsent bleiben. So erinnern Medien Individuen und die Akteure der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft immer wieder, dass wir jetzt vor der Herausforderung stehen, unsere Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten, damit unser Lebensraum weiterbesteht und (im Sinne des Brundtland-Berichts) auch zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse noch befriedigen können.
In ihrer Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit kommt Journalist*innen aus einer ethischen Perspektive nicht (wie auch bei anderen Themen) nur die Verantwortung zu, möglichst objektiv zu berichten, heterogene Positionen abzubilden und Sachverhalte zu erörtern. Beim Thema Nachhaltigkeit tragen Journalist*innen vielmehr auch die Verantwortung, durch ihre Berichterstattung selbst einen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu leisten.