von Nick Lüthi

Kommt die Swiss-ID als gemeinsames Medien-Login der Schweizer Verlage?

Die Online-Angebote der grossen Schweizer Medien sollen in Zukunft nur noch für angemeldete Nutzer zugänglich sein. In einer ersten Phase ist das Login freiwillig. Wird die Anmeldung in einem Jahr zur Pflicht, könnte die Swiss-ID als verlagsübergreifende Plattform zum Zug kommen. Vieles spricht für diese Lösung, aber es gibt auch gewichtige Gründe dagegen.

Wer Sportnachrichten auf blick.ch oder Auslandmeldungen auf nzz.ch lesen will, kann das auch in nächster Zeit so tun wie eh und je: Adresse in den Browser eintippen und los. Nur sehen die Verlage dieses gut eingeübte Verhalten nicht mehr so gern. Lieber wäre es ihnen, wenn sich Leserinnen und Leser einloggen. Das signalisieren sie den Nutzern neuerdings mit der Aufforderung, sich künftig mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort anzumelden. Eine solche Einblendung sieht, wer heute eine von 20 Medienseiten aus den Häusern Tamedia, Ringier, NZZ und CH Media besucht.

Mit der Login-Pflicht, die in einem Jahr kommt, sieht die Inhalte von Online-Medien nur noch, wer sich angemeldet hat.

Vor einem Jahr haben sich die grossen Schweizer Verlage auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Vorrangiges Ziel dieser Login-, respektive Digital-Allianz ist es, sich ein grösseres Stück vom Werbekuchen abschneiden zu können, den in der Schweiz die Tech-Giganten aus Übersee weitgehend unter sich aufteilen.

Der Erfolg von Unternehmen wie Google oder Facebook basiert massgeblich darauf, dass sie ihre Nutzer sehr gut kennen. Mittels verstärkter Personalisierung wollen die schweizerischen Verlage nun auch diesen Weg gehen. Dazu streben sie eine Login-Pflicht an: Die Inhalte von Online-Medien sieht nur noch, wer sich angemeldet hat. Bis es in einem Jahr so weit sein soll, setzen sie auf Freiwilligkeit und versuchen das Publikum von diesem Vorhaben zu überzeugen.

Ein weiterer Grund für die geplante Einführen eines Medien-Logins liegt in der rechtlichen und technologischen Entwicklung. Bisher konnten wiederkehrende Nutzer auf einer Website mithilfe sogenannter Cookies identifiziert werden. Das sind Dateien, die beim erstmaligen Besuch der Website im Gerät des Nutzers abgelegt werden. Kehrt jemand zurück, wird er damit wiedererkannt. Diese Praxis wird nun erschwert. Zum einen hat der Europäische Gerichtshof unlängst klargemacht, dass es eine aktive Einwilligung vom Nutzer braucht, bevor ein Websitebetreiber seine Cookie-Dateien platzieren kann. Zum anderen blockieren neue Browser-Versionen Cookie-Dateien oder löschen sie nach einigen Tagen automatisch. Wollen die Verlage ihr Publikum weiterhin wiedererkennen, bietet sich ein Login als einfacherer Weg an.

Ringier möchte mit dem Login «wieder näher an die Nutzerinnen und Nutzer gelangen».

Den Mehrwert eines Medien-Logins für den Nutzer beschreibt Tamedia auf den Websites seiner Zeitungen so: «Denn nur so können wir Ihnen das beste Erlebnis bieten. Nur so verstehen wir, was Sie interessiert.» Bei Ringier formuliert man es so: «Mit dem Login möchten wir wieder näher an die Nutzerinnen und Nutzer gelangen.» Ob die angesprochenen Nutzer dieses Versprechen als Mehrwert empfinden, steht indes auf einem anderen Blatt.

Entscheidend für den Erfolg wird sein, was die Nutzer als Gegenleistung dafür erhalten, damit sie sich fortan anmelden sollen für den Besuch der Medienseiten. Wer sich auf einer Tamedia-Seite anmeldet und einloggt kann etwa einen täglichen Newsletter abonnieren und pro Woche einen Artikel aus dem kostenpflichtigen Angebot lesen. Ausserdem gelangt man mit ein und demselben Login auf die Seiten von elf Tamedia-Zeitungen. Auch Ringier bietet ein titelübergreifendes Login an. Wer sich beim «Blick» angemeldet hat, kann sich danach ohne Zusatzaufwand auch bei «Beobachter» oder «Bilanz» einloggen.

«Ein gemeinsames Schweizer Medien-Login hätte für den Leser den grossen Vorteil, dass er sich nur einmal registrieren müsste.»
Marc Walder, CEO Ringier

Doch die Mediennutzung macht bekanntlich nicht an den Unternehmensgrenzen Halt. Wer Nachrichtenseiten von Tamedia, Ringier und NZZ besuchen will, muss sich heute dreimal anmelden. Praktischer aus Nutzersicht wäre daher eine verlagsübergreifende Lösung. Mit dem obligatorischen Login, das die Verlage in einem Jahr einführen wollen, könnte es so weit sein. «Ein gemeinsames Schweizer Medien-Login hätte für den Leser den grossen Vorteil, dass er sich nur einmal registrieren müsste, um sich damit bei allen Medienmarken einzuloggen», sagte Ringier-CEO Marc Walder, als ihn der «Sonntagsblick» jüngst nach den nächsten Schritten der Login-Allianz fragte.

Auch wenn Walder im Interview nicht danach gefragt wurde, dürfte klar sein, welche Lösung ihm dafür vorschwebt. Seit einem Jahr nimmt Ringier die Dienste der Swiss-ID in Anspruch. Der Verlag bietet den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit, sich über diesen Anbieter mit einer digitalen Identität auf blick.ch und weiteren Medien anzumelden. Ringier ist damit der erste und vorerst einzige Verlag, der auf die Swiss-ID setzt. Allerdings nicht exklusiv. Das Publikum kann sich weiterhin mit einem verlagseigenen Login anmelden oder via seine Facebook- oder Google-Zugangsdaten.

«Die Swiss-ID könnte in Zukunft als Login eingesetzt werden.»
Unternehmenskommunikation Tamedia

Zwar ist noch nicht entschieden, ob es dereinst ein gemeinsames Login für alle Online-Medien von Tamedia, Ringier, NZZ und CH-Media geben soll. Aber alle vier Unternehmen äussern sich heute positiv zur Swiss-ID. «Die Swiss-ID könnte in Zukunft als Login eingesetzt werden», heisst es bei Tamedia. Für die NZZ-Gruppe ist diese Lösung «denkbar». Ringier verweist auf die «guten Erfahrungen», die man bisher mit der Swiss-ID gemacht habe.

Einer Login-Lösung via Swiss-ID gegenüber ebenfalls nicht abgeneigt ist die SRG. Das Unternehmen ist auch Teil der sogenannten Login-Allianz, allerdings mit einem Sonderstatus, da bei dem Service-public-Veranstalter anders als bei den privaten Verlagshäusern nicht die kommerziellen Interessen im Vordergrund stehen.

Die SRG sucht eine Login-Lösung für die geplante Videoplattform, die sie in einem Jahr starten wird. Wer diese Schweizer Antwort auf Netflix nutzen will, wird sich dort anmelden müssen. Ein Login via Swiss-ID sei «durchaus denkbar und der Nutzen für die Benutzer wäre gegeben», teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Swiss Sign Group wiederum, das Firmenkonsortium hinter der Swiss-ID, liess die Frage unbeantwortet, ob sie die Verlage der Login-Allianz an Bord holen wollen.

«Wir verwenden Ihre Daten nicht für kommerzielle Zwecke.»
Swiss Sign Group

Entschieden ist also noch nichts. Klar ist aber, dass die Swiss-ID gute Chancen hat, dereinst als gemeinsames Medien-Login zum Einsatz zu kommen. Allerdings gibt es einen Zielkonflikt zwischen der Swiss Sign Group und den Verlagen der Login-Allianz. Ein Kernversprechen der Swiss Sign Group lautet: «Wir verwenden Ihre Daten nicht für kommerzielle Zwecke.» Das Kernziel der Verleger wiederum ist die Kommerzialisierung der Personendaten, die sie mit dem Login ermitteln.

Wenn die Swiss Sign Group ihren Ruf als vertrauenswürdiger Login-Anbieter wahren will, dürfte sie ihre Swiss-ID eigentlich nicht den Medien anbieten – erst recht nicht, wenn das Konsortium in Zukunft die elektronische Identitätskarte herausgeben will. Eine Anfrage, wie die kommerziellen Ziele der Login-Allianz und das Selbstverständnis der Swiss Sign Group zusammenpassen, liess der Sprecher des Konsortiums unbeantwortet.

Wenn sich die Swiss-ID mittelfristig als führender Identitätsstandard etablieren will, braucht sie möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer. Da käme es natürlich gelegen, wenn die Verlage ihr gesamtes Publikum auf diese Plattform brächten. Als positiver Nebeneffekt dürfte die Berichterstattung der so eingebundenen Medien nicht allzu negativ ausfallen. Die Ringier-Medien, die bereits seit einem Jahr die Swiss-ID als Login-Möglichkeit anbieten, berichteten seither weder besonders intensiv noch besonders kritisch über die Swiss Sign Group und ihre Swiss-ID.

Leserbeiträge

Ueli Custer 16. Oktober 2019, 09:01

Das macht ja nur mit einem gemeinsamen Login wirklich Sinn. Das grosse Problem der Nutzer ist doch die Vielzahl von Passwörtern. Da hüte mich grundsätzlich vor jedem zusätzlichen Login, das ich nicht zwingend benötige.

Olaf 16. Oktober 2019, 09:07

Derzeit ist mit FIDO2 [1] neuer internationaler Standard am entstehen, welcher diese Nationalen Lösungen ersetzen wird.

[1] https://de.m.wikipedia.org/wiki/FIDO2?wprov=sfla1

Paul Moser 16. Oktober 2019, 09:43

Medien werden zu Überwacher und Datenkraken, um die Meinungsbildung muss man sich sehr Sorgen machen. Nein, ich will nicht gelenkt werden, was ich lesen soll. Und nein, Datensammlung über das, was ich wann lese verletzt Persönlichkeitsrechte. Man muss die Zeitung wohl wieder am Kiosk kaufen, bar bezahlt.

Papier haben die Verlage am liebsten 16. Oktober 2019, 12:07

Papier haben die Verlage sowieso am liebsten. Denn online verdienen sie viel weniger Geld.

Marc Berge 16. Oktober 2019, 19:18

Sie sprechen mir aus dem Herzen. Genauso sehe ich es auch.

Dr. Oliver Mattmann 19. November 2019, 18:29

Meiner Meinung nach ist es schade, dass die Aufmachung für diese ID teilweise wie unerwünschte Werbung oder Spam rüberkommt. Wenn das Fenster zur Anmeldung auftaucht, klicken viele Menschen automatisch weg. Würde man die Gründe für die Entstehung dieses Logins deutlicher vermitteln (u.a. zeitgenössische Finanzierungsoption für die mediale Existenzsicherung), hätten die Leser bestimmt mehr Verständnis und würden sich eher einloggen.