von Benjamin von Wyl

Keine unabhängigen Medien beim «grössten Jounalismuspreis der Welt»

Am Mittwochabend wurden in Luzern erstmals die «Fetisov Journalism Awards» vergeben. Berichterstattung war nicht willkommen, dafür GLP-Nationalrat Martin Bäumle.

In Luzern fand gestern Historisches statt. «Die Fetisov Journalism Awards sind ohne Zweifel einer der herausragendsten Anlässe der letzten Jahre», sagte GLP-Nationalrat Martin Bäumle in seiner Rede bei der Preisverleihung am Mittwochabend. Das Zitat stammt nicht vom eigenen Aufnahmegerät, sondern aus einer Medienmitteilung. Bei der Verleihung der Fetisov Journalism Awards, die der russische Milliardär Gleb Fetisov gestiftet hat, waren keine unabhängigen Berichterstatter willkommen. Dem Vernehmen nach seien die geladenen Gäste durch die Tiefgarage ins Luzerner Hotel Schweizerhof geschleust worden. Schweizer Journalist*innen waren – soweit bekannt – keine darunter.

Auch ich war ursprünglich akkreditiert für die Preisverleihung. Dann folgte Ende letzter Woche der Rückzieher – angeblich aus Platzgründen: Die Medienanfragen seien zu viele geworden, weshalb man nun allen abgesagt habe. «Wir wollen keine Präferenzen machen», hiess es in der Mail, die zufälligerweise in derselben Woche kam, in der kritische Berichte in der «Luzerner Zeitung» und auf «Zentralplus» erschienen sind. Trotz mehrfachem Nachhaken schriftlich und per Telefon blieb es bei der Absage. Der «grösste Journalismuspreis der Welt» scheint Kritik zu fürchten. Versteht die Fetisov-Stiftung schlicht nicht, dass sich eine Feier des unabhängigen Journalismus unter Ausschluss der Öffentlichkeit selbst unterläuft?

Unter den Preisträgern sind bekannte Namen, etwa der argentinische Journalist Diego Cabot der für «Los Cuadernos» ausgezeichnet wird.

Unter den Preisträger*innen sind bekannte Namen, etwa der argentinische Journalist Diego Cabot, der für «Los Cuadernos» ausgezeichnet wird. Jene Korruptionsrecherche, die zahlreiche hohe argentinische Politiker*innen und Beamte vor Gericht und teilweise auch hinter Gitter brachte. Gemäss Medienmitteilung sind aber 150’000 von 520’000 Franken Preissumme gar nicht verliehen worden. Bloss 168 Beiträge aus 33 Ländern haben sich um eine Prämierung beworben.

Diese Zahl liegt deutlich unter den 924 Beiträgen aus 98 Ländern, die letztes Jahr beim ersten «True Story Award» eingegangen sind, dem anderen Schweizer Preis, der Reporter*innen in aller Welt anspricht.

Warum waren es bei den Fetisov-Awards weniger? Wollten sich nur wenige Journalist*innen im Namen eines Milliardärs ehren lassen? Wirkten Jurymitglieder wie eine ehemalige Pressesprecherin von Silvio Berlusconi und ein russophiler Pensionär aus Genf abschreckend? Oder lag es schlicht an überhasteter Organisation? Die Stiftung hinter den Fetisov Journalism Awards ist erst im Spätsommer 2019 gegründet worden.

«In der Schweiz dürfen Journalisten auch über Reiche und Mächtige kritisch berichten.»
Martin Bäumle, Nationalrat Grünliberale

Der russische Milliardär liess sich gestern Abend mit einigen Gewinner*innen des ersten «Fetisov Journalism Award» auf der Bühne ablichten. Danach spielte der zehnfache Grammy-Gewinner Arturo Sandoval für die Jury, die Gewinnerinnen, Verlierer und die anderen exklusiven Gäste wie Nationalrat Martin Bäumle.

«Mit Gleb Fetisov bin ich schon länger bekannt», sagt der Grünliberale am Telefon. Diese Bekanntschaft sei dann auch der Grund gewesen, weshalb er der Einladung zur Preisverleihung nachgekommen ist. Er sei froh, dass die «Fetisov Journalism Awards» in der Schweiz stattfinden. «Sie ist eines der freisten Länder für die Medien. In der Schweiz dürfen Journalisten auch über Reiche und Mächtige kritisch berichten.» Wie sehr anderswo Journalist*innen tagtäglich bedroht sind, habe er auch an der Preisverleihung erlebt.

Bäumle ist kein Journalist. Jurymitglied Ricardo Gutierrez hingegen schon: Der Generalsekretär der Europäischen Journalismus Föderation EFJ kam in seiner Ansprache gar nicht aus den Dankesbekundungen raus. Eine Ehre sei es hier zu sein, eine grosse Freude. Die Awards würden nicht nur einzelne Journalist*innen prämieren: Die wahre Leistung der Awards sei die Unterstützung von Journalismus «als Weg zu verlässlicher Information» und die Unterstützung «von Journalisten bei der Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat».

So sprach der internationale Journalismusfunktionär über den Anlass, bei dem unabhängige Berichterstattung ausgesperrt worden war.

Leserbeiträge

Jakob Buhre 24. Januar 2020, 13:27

Danke für Ihren Bericht. Ich habe nur eines nicht verstanden: Was genau bedeutet das Wort „russophil“? Und vielleicht können Sie den Namen der Person nennen, die Sie als „russophil“ bzeichnen?

Benjamin von Wyl 24. Januar 2020, 14:21

Lieber Herr Buhre,

Sie haben recht, aus dem zweiten Artikel geht nicht hervor, um wen es sich dabei handelt. Im ersten Text haben wir uns ausführlich mit Guy Mettan und seinen Positionen auseinandergesetzt: https://medienwoche.ch/2019/10/17/ein-russischer-milliardaer-stiftet-sich-den-groessten-journalismuspreis-der-welt/

Herzlich

Benjamin von Wyl