«Für 150 Franken Honorar gibt es immerhin 300 ‹Prix-Garantie›-Biere»
Das linke Gesellschaftsmagazin «Das Lamm» verzichtet auf Werbung und eine Paywall. Den möglichst schrankenlosen Zugang zu ihren Artikeln sehen sie als Basis für einen solidarischen Journalismus. Für unsere Video-Kolumne haben wir Natalia Widla und Lukas Tobler in der «Lamm»-Redaktion besucht – sie bilden die Co-Chefredaktion.
«Das Lamm» hat nichts mit Schafen zu tun: Das selbstverwaltete Zürcher Onlinemagazin deckt vor allem Themen wie Asylpolitik, Gesellschaftspolitik, lokale Abstimmungsdebatten, Feminismus und Umwelt ab. Der Name «Lamm» bedeutet «Liga der aussergewöhnlichen Montagsmailer». Jeden Montag verschickt die Redaktion – «Das Lamm» besteht nun seit ungefähr zehn Jahren – eine E-Mail an einen Grosskonzern mit unbequemen Fragen zu dessen verschwenderischen Verhalten. Diese Anfragen werden veröffentlicht, selbiges gilt für eine Antwort, wenn denn eine kommt.
Die Montagsmails gibt es noch heute. Von Coop wollte die Redaktion etwa im September 2019 wissen, warum im Detailhandel so viel Plastikabfall entsteht, der vermieden werden könnte. Coop hat immerhin reagiert – allerdings mit einer klassisch schwammigen Antwort der PR-Abteilung. Die Redaktion fügt die Antworten der Konzerne jeweils direkt in die Montagsmail-Artikel ein.
«Das Lamm» ist politisch als auch publizistisch ein kleines, wildes Geschwister der «Republik» und der «WOZ». Seine Recherchen werden immer wieder von grösseren Medien aufgegriffen: Etwa die Recherche zum neuen Bundesasylzentrum auf dem Duttweiler-Areal vom «Tages-Anzeiger» oder jene über die Verbindung des Läderach-CEO zum fundamentalistischen «Marsch fürs Läbe» von Abtreibungsgegner*innen. Auch diese Recherche hat der «Tagi» aufgegriffen – allerdings ohne auf «Das Lamm» zu verweisen.
Auch Menschen mit wenig journalistischer Erfahrung können sich beim «Lamm» als Autor*innen bewerben.
Finanziell unterstützt wurde «Das Lamm» in der Vergangenheit von verschiedenen Stiftungen. Aktuell kommt das Geld nur von den Leser*innen selber. Das Onlinemagazin will nicht im Elfenbeinturm versauern, sondern zugänglichen Journalismus machen. Das bedeutet zum einen die Akquise von jungen Talenten: Auch Menschen mit wenig journalistischer Erfahrung können sich beim «Lamm» als Autor*innen bewerben. Zum andern verzichtet das Lamm nicht nur auf Werbung – die Redaktion hat sich auch gegen eine Paywall entschieden. Die Inhalte sollen für alle zugänglich sein, für den Sans-Papier und für die Bankerin. Honorar für die Autor*innen zahlen sie inzwischen 100 Franken pro Beitrag. Vorübergehend zahlten sie mal 150. Das sei zwar auch noch wenig gewesen, reichte aber «immerhin für 300 ‹Prix-Garantie›-Biere».
Natalia Widla und Lukas Tobler sprechen in der neusten Folge meiner Videokolumne darüber, wie solidarischer Journalismus für sie aussieht, warum es ihn braucht und bei welchen Medienunternehmen sich die beiden inmitten der Medienkrise überhaupt noch anstellen lassen würden.
Disclaimer: Seit 2019 schreibe ich als Kolumnistin für «Das Lamm».