Noch ist Bajour eine Wundertüte
In Basel versucht Bajour die Lücke zu füllen, welche die Tageswoche hinterlassen hat. Noch scheint der Weg weit, aber der Wille ist gross. Wir haben die Redaktion in der Basler Markthalle besucht.
Seit einem halben Jahr gibt es Bajour – gestartet ist das Onlinemedium allerdings ohne Website. Denn Bajour will mehr bieten als «nur» Journalismus. Auch Veranstaltungen oder Stadtführungen finden unter der neuen Medienmarke statt.
Und all das lässt sich miteinander verbinden. Der erste Bajour-Artikel handelte von der ersten Veranstaltung, die das Onlinemedium durchführte: eine Diskussion über Basels Bildungssystem. Es sind bis heute vor allem solche Veranstaltungen, mit denen Bajour noch immer mehrheitlich von sich reden macht: Zuletzt gab es öffentliche Diskussionen zum Thema Rausch oder über Frauen in der Politik.
Ab September 2022 muss sich Bajour selber finanzieren können.
Gegründet wurde Bajour von «Watson»-Erfinder Hansi Voigt und dem Publizisten und ehemaligen bz-Chefredaktor Matthias Zehnder, beide sind auch Vorstandsmitglieder im Verein Medienzukunft Basel, der Bajour herausgibt. Noch kommt Bajour etwas mager daher, zumindest aus publizistischer Sicht. Das liegt einerseits daran, dass die Redaktion noch sehr klein ist: Andrea Fopp, Daniel Faulhaber, Samuel Hufschmid und Franziska Zambach bilden das Kernteam, Praktikantin ist Mirjam Kohler. Die ehemalige SRF- und bz-Journalistin Naomi Gregoris ist zwar im Impressum aufgeführt, weilt allerdings noch in der Babypause. Ab März soll Gregoris dann ebenfalls zur Redaktion stossen.
Bajour erhielt von der Basler Stiftung für Medienvielfalt eine Anschubfinanzierung von einer Million Franken jährlich, drei Jahre lang. Das Geld kommt damit von der gleichen Stiftung, die zuvor während sieben Jahren die Tageswoche finanzierte. Ab September 2022 muss sich das Onlinemedium also selber finanzieren können.
Der Plan bis dahin, wie Andrea Fopp beim Redaktionsbesuch verrät: Eine 20-köpfige Redaktion aufbauen und, natürlich, selber Geld reinholen. «Das funktioniert nur über Gönnerinnen und Gönner, da wir ein werbefreies Medium sind», erklärt Fopp.
Aktuell versucht Bajour mit einem Newsletter Publikum zu gewinnen und so auch allenfalls Geldgeber*innen zu finden. Das «Basel Briefing» verschickt die Redaktion jeden Morgen unter der Woche. Dafür stehen entweder Andrea Fopp oder Samuel Hufschmid um fünf Uhr morgens auf und scannen die tagesaktuellen News, picken die spannendsten Meldungen aus den anderen Basler Medien heraus, ordnen sie ein und verschicken den Newsletter an rund 1500 Abonnent*innen.
Was auffällt: Zwar sprechen Fopp und Faulhaber davon, dass die Regionalmedien ihren Job nicht mehr ausreichend gut machen (können) – dennoch bedient sich Bajour für den Morgenbriefing-Newsletter an den Artikeln aus den kritisierten Medien.
Bajour will in die Lücke springen, die Medien wie die beiden eingestellten Projekte Tageswoche und barfi.ch hinterlassen haben, erklärt Fopp. Und die bz Basel und die Basler Zeitung werden von Aarau beziehungsweise Zürich aus geführt, vor Ort haben sie nur noch eine Lokalredaktion.
Geplant ist aber auf jeden Fall, die Redaktion zu vergrössern, sobald mehr Geld da ist.
Bei Bajour will man «Journalismus von unten, Journalismus für die Leute» machen, erklären Andrea Fopp und Daniel Faulhaber. Der Weg führt für die beiden weg vom sogenannten «Gorilla-Journalismus», in dem es vor allem um die Egos der Journalist*innen geht. Das sei mit ein Grund, warum es bei Bajour keinen Chef, keine Chefin gibt. Einmal in der Woche sitzt die Redaktion zusammen – «wie bei allen anderen Medien auch», sagt Faulhaber. Ansonsten waltet die Redaktion weitgehend autonom.
Ein Blick auf die Website zeigt: So ganz klar, wo sich Bajour verortet, scheint noch niemandem zu sein. Es gibt vom klassischen Kulturporträt über investigative Politrecherchen bis hin zur feministischer Kolumne ein etwas gar wildes Potpourri an Geschichten aus Basel. Geplant ist aber auf jeden Fall, die Redaktion zu vergrössern, sobald mehr Geld da ist, so Fopp. Und für Faulhaber ist wichtig, eine diverse, junge Redaktion aufzubauen: «Es sollen hier möglichst Leute arbeiten, die eben nicht Faulhaber zum Nachnamen heissen und weiss sind.»
Michel Benedetti 25. Februar 2020, 18:40
Sieht für mich eher nach einer 70ies WG aus, die sich mehr um die eigenen Befindlichkeiten Sorgen macht. „Klingt das für dich wie eine Entscheidung“ – Nein. Aber gut reden wir drüber. http://www.textimtakt.ch/
kattikus 26. Februar 2020, 16:16
Bisher sehr seicht was von bajour abgeliefert wird. Es wirkt eher wie ein Praktikum-Projekt. Es fehlt eindeutig an Struktur, Know how und journalistischem Können. Man hat den Eindruck die haben keinen Plan und machen mal locker vom Hocker irgendwas. Geld fliesst ja. Absolut kein Ersatz für die TaWo. Eine Redaktion muss professionell geführt werden können, ein Format braucht Struktur und einen Plan und die Redaktion muss einfach fit sein in Recherche und sprachlicher Umsetzung. Ausserdem sind immer wieder Fehler vorhanden in Texten und Posts. Bitte setzt da fachlich kompetente Leute ein, sonst sind die eingesetzten Millionen zum Fenster rausgeworfen.