The Good, The Bad & The Ugly III
Für mehr Frauen in den Medien,
tiefe Löhne für Journalist*innen
und ein Comedyportal nur mit Männern
THE GOOD – «Alliance F»
Nur jede vierte Person, die in Medienberichten vorkommt, ist eine Frau. Das will «Alliance F» ändern. Der überparteiliche Zusammenschluss Schweizer Frauenorganisationen hat darum «she knows» ins Leben gerufen. Das Projekt soll Frauen in den Medien und an öffentlichen Veranstaltungen sichtbarer machen. Dafür baut «Alliance F» eine Datenbank auf, wo Veranstalter*innen und Journalist*innen stöbern können, wenn sie für Interviews oder Podien noch eine Frau suchen.
Gerade während der Corona-Pandemie werden mehrheitlich Männer als Experten befragt. Eine unausgewogene Berichterstattung prägt unausgewogene Bilder in den Köpfen: Frauen wissen also über wissenschaftliche Themen weniger Bescheid als Männer. Dabei gäbe es zuhauf auch Expertinnen, die kompetent Auskunft geben können. Man muss sie bloss finden wollen – oder können. Bereits über 1400 Frauen haben sich für die Datenbank «she knows» registriert. Das erklärte Ziel: Kein Journalist soll mehr sagen können «wir haben einfach keine Frau gefunden».
THE BAD – Tieflohnbranche
Am Donnerstag veröffentlichte der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB zusammen mit den Mediengewerkschaften Syndicom und SSM, sowie dem Verband SFJ-AJS, eine Umfrage, die eine schwarze Wolke über meinem Kopf aufsteigen liess: Die Löhne von Medienschaffenden in der Schweiz stagnieren seit 14 Jahren, bei freien Journalist*innen sinken sie sogar. Zu diesen Freien gehöre ich selber, seit ziemlich genau zwei Jahren.
Der Medianlohn sei bei Freischaffenden, verglichen mit 2006, um 1000 Franken gesunken. Jede*r dritte Freischaffende verdient zwischen 3000 und 4999 Franken pro Monat – brutto. Und auch die Zukunftsaussichten sind bitter: 60 Prozent der Freien und ein Viertel der Angestellten haben Angst um die jetzige Auftragslage beziehungsweise Stelle.
Zu diesen 60 Prozent gehöre ich auch. Doch diese Angst ist neu. Zuerst dachte ich, der Lockdown habe mir einfach einmal gehörig den Boden unter den Füssen weggefegt. Ich kann meine Nerven dann schon wieder zusammensammeln, dachte ich noch im Frühling. Ich konnte es bis heute nicht.
Wenn ich lese, dass reihum umstrukturiert wird, dass Dutzende Leute auf die Strasse gestellt und noch immer weitere Einsparungen gemacht werden – während man beim Staat die hohle Hand macht – looking at you, TX Group – dann habe ich heute mehr Angst um meine Auftragslage als noch zu Beginn des Jahres. Wisst ihr, damals als wir wohl alle noch weniger Angst hatten, egal ob Journalist*in oder nicht. Damit gehöre ich zu den gar 80 Prozent Freischaffenden aus der Umfrage, die angaben, es werde «eher schwer» bis «sehr schwer» sein, künftig gleichwertige Aufträge zu bekommen.
Der Schluss, den Syndicom und SGB aus ihrer Umfrage ziehen: «Die Medienunternehmen müssen dringend in die Arbeitsbedingungen investieren, wenn diese Berufe attraktiv bleiben sollen». Meine Wolke und ich packen schonmal den Regenschirm ein.
THE UGLY – Ringier
Es scheppert im Hause Ringier: Diese Woche wurde angekündigt, dass der «Love Brand» «Izzy» im Oktober neu aufgelegt wird. «Izzy» war das erste Social-Media-Magazin der Schweiz und eine der erfolgreichsten Neulancierungen der letzten Jahre. Das bisherige 12-köpfige Team wird komplett aufgelöst und neu aufgestellt.
Fast zeitgleich gab Ringier bekannt, dass auch der Brand «Blick am Abend» neu aufgelegt wird: Zwar wurde die gedruckte Zeitung 2018 eingestampft, die Social-Media-Kanäle wurden aber weiterhin bespielt. Damit ist nun Schluss, das neue Produkt heisst «Hype». Neuer Name, neues Konzept: Mit Memes und Videos soll «Hype» täglich auf Twitter, Instagram, Facebook und TikTok «für die tägliche Portion Spass» sorgen – völlig losgelöst von Aktualität, wie persoenlich.com schreibt. Der fehlende Aktualitätsbezug dürfte «Hype» denn auch genügend von «Izzy» unterscheiden.
Für den Inhalt arbeitet die «Hype»-Redaktion mit Schweizer Comedians zusammen – allerdings nur mit Männern. Und das, obwohl sich Ringier mit der Initiative «Equal Voice» mehr Gleichberechtigung auf die Fahne schreibt. Ziel der Initiative ist unter anderem, Frauen in der Berichterstattung sichtbarer zu machen und ihnen «die gleiche Stimme zu geben». Schade, dass das bei der Neugestaltung eines Produkts anscheinend gänzlich unterging. Katia Murmann, Chefredaktorin Digital der «Blick»-Gruppe, rechtfertigt sich auf Twitter damit, «viele Gespräche geführt» zu haben. Man sei «weiter dran» und Inputs seien willkommen. Einen Input lieferte die Journalistin Marguerite Meyer: Murmann solle doch mal bei comedyfrauen.ch reinschauen.
Die Autorin hat von 2017 bis 2018 für izzy gearbeitet.
Die Medienwelt ist zu aufgewühlt, um mit Reflexionen und Recherchen abzuwarten, bis sie Stoff für einen längeren Text bieten. Die Medienwelt ist zu aufgewühlt, um ihr nur mit nüchternen Branchen-News zu begegnen. Darum gibt es diese Kolumne.
«The Good, the Bad and the Ugly» ist das neue Kurzformat der Medienwoche: Ab sofort werden Woche für Woche eine besonders positive, eine besonders negative und eine bizarre News aus der Schweizer Medien- und Werbewelt präsentiert und kurz eingeordnet. Die Autor*innen sind nicht um Ausgeglichenheit bemüht, sondern schreiben so subjektiv, wie sie ihre Themen wählen.
Im «The Good, the Bad and the Ugly»-Redaktions-Chat finden sich von Anfang an ein Vielfaches mehr schlechte und bizarre Nachrichten als Good News. Ein Zeichen, dass es gut ist, dass «The Good» eine Regel ist. Im Wechsel schreiben Medienwoche-Redaktor Nick Lüthi, die langjährigen freien Mitarbeitenden Miriam Suter (u.a. Videokolumne), Benjamin von Wyl (u.a. «So schreibe ich») und – neu bei der Medienwoche – die freie Kulturjournalistin Anne-Sophie Scholl.
Niemand von ihnen ist Fan von Italo-Western.