«Play Suisse»: Die Video-Boutique der SRG sucht das grosse Publikum
Am Samstag macht die SRG ihre neue Video-Plattform dem Publikum zugänglich. Zum Start ist das Angebot auf «Play Suisse» überschaubar. Grund dafür ist die aufwändige Untertitelung. Doch auch mit einer grösseren Auswahl wird es nicht einfach sein, die Nutzungsgewohnheiten zu ändern.
Vor nicht allzu langer Zeit, als Streaming noch ein Fremdwort war, konnte man sich Filme auf Kassette, und später auf DVD, in Videotheken ausleihen. Neben grossflächigen Geschäftslokalen mit dem Charme einer Supermarktfiliale gab es immer auch die kleinen Boutiquen. Dort war die Auswahl kleiner, dafür die Beratung besser.
Auch heute existieren neben den grossen, internationalen Streaming-Anbietern wie Netflix, Amazon Prime Video oder Disney+ kleinere Plattformen mit einem «handverlesenen» Angebot, wie sich beispielsweise der Nischenplayer Mubi anpreist.
Obwohl in der Vergangenheit immer wieder davon die Rede war, die SRG plane ein «Schweizer Netflix», sieht das Ergebnis nach Boutique aus. Die Video-Plattform «Play Suisse», die ab dem kommenden Samstag dem Publikum zur Nutzung offensteht, bildet das viersprachige Film- und Fernsehschaffen der Schweiz ab. Eine Auswahl aktueller Produktionen aus allen Genres und Gattungen lassen sich auf allen Bildschirmgrössen abspielen. Nur in technologischer Hinsicht ist ein Vergleich mit den Grossen der Branche angebracht.
Zum Start wollte die SRG nach eigenen Angaben 1000 Titel auf «Play Suisse» bereitstellen. Ursprünglich hätten es gar 2000 sein sollen. Ein paar Tage vor dem offiziellen Start sind 600 aufgeschaltet, wie die SRG auf Anfrage erklärt. Zum Vergleich: Netflix bietet in der Schweiz rund 4300 Filme und Serien zum Streaming an.
Jeder Film, jede Serie wird in den jeweils anderen Landessprachen untertitelt.
Ein wichtiger Grund, warum die SRG den Umfang des Startangebots zurückbuchstabierten musste, liegt im Anspruch, sämtliche Titel drei- oder sogar viersprachig zu präsentieren. Schliesslich soll die Plattform dazu beitragen, den Zusammenhalt der verschiedensprachigen Landesteile zu fördern, wie in der Konzession als Auftrag festgeschrieben steht. Jeder Film, jede Serie wird deshalb in den jeweils anderen Landessprachen untertitelt.
Der Aufwand, Untertitel in zwei Sprachen zu erfassen, beträgt rund das Zehnfache der Laufzeit, also zehn Stunden Arbeit für eine Stunde Film. Dafür beschäftigt die SRG derzeit 180 Freelancer. Darum warteten drei Tage vor dem Start auch noch fast 400 Videos darauf, verarbeitet zu werden. «Der Katalog wächst täglich, weshalb diese Zahlen in Kürze wieder anders aussehen werden», erklärt eine SRG-Sprecherin auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Man liefere «lieber weniger, dafür in guter Qualität», erklärt Benoît Rebetez, Projektleiter der Untertitelung in einem SRG-internen Newsletter.
Bestückt wird «Play Suisse» von einem zwölfköpfigen Content-Team mit Fachleuten aus allen vier Sprachregionen.
«Weniger ist mehr» bedeutet in dem Fall auch, dass jene, welche die Auswahl der Titel treffen, eine grosse Verantwortung tragen. Sie entscheiden, ob das Angebot den Geschmack des Publikums trifft. Und selbst wenn «Play Suisse» vom Inhalt her betrachtet den Charakter einer Video-Boutique trägt, muss die Plattform das Publikum einer Grossraumvideothek anzuziehen vermögen. Schliesslich wird die SRG nicht müde zu betonen, sie müsse die gesamte Bevölkerung erreichen.
Bestückt wird «Play Suisse» von einem zwölfköpfigen Content-Team mit Fachleuten aus allen vier Sprachregionen. Sie entscheiden, welche Produktionen auf der neuen nationalen Video-Plattform gezeigt werden. In einem ersten Schritt schlagen die Redaktionen der vier SRG-Tochtergesellschaften SRF, RTS, RSI und RTR aktuelle Produktionen vor, von denen sie annehmen, dass sie über das Potenzial verfügen, ein gesamtschweizerisches Publikum anzusprechen. Dabei gehe es darum, «auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Genres und vor allem auch zwischen den Sprachregionen zu achten», erläutert eine Mitarbeiterin des Content-Teams auf der SRG-internen Info-Plattform die zentralen Kriterien für die Auswahl.
Mit der Zeit werden sich die Empfehlungen den Vorlieben der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer anpassen.
Im Schaufenster auf der Startseite preist «Play Suisse» ein paar Tage vor dem Start das Porträt eines Walliser Extremskifahrers an, einen Klick daneben findet sich der sechsteilige Polit-Thriller «Helvetica», beide von RTS. Vom Deutschschweizer Fernsehen SRF steht eine Dokumentation aus dem vergangenen Jahr über die Klimastreik-Bewegung prominent auf der Plattform. Mit der Zeit werden sich die Empfehlungen den Vorlieben der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer anpassen, welche «Play Suisse» aufgrund des obligatorischen Logins kennt.
Die Anmeldepflicht könnte dem schnellen Erfolg beim Publikum im Wege stehen. Schliesslich gibt es alles, was sich auf «Play Suisse» findet, auch weiterhin auf den Video-Plattformen von SRF, RTS, RSI und RTR zu sehen. Die SRG betont selbstverständlich den Mehrwert, den das Login biete. Etwa die plattformübergreifende Nutzungsmöglichkeit oder den Zugriff auf die Plattform auch ausserhalb der Schweiz. Ob das verfängt, werden die Publikumszahlen schon bald zeigen. Am Preis kann es nicht liegen, denn die Plattform wird aus dem Ertrag der Haushaltsabgabe finanziert. Weitere Kosten fallen damit keine an.
Deklariertes Ziel der SRG ist es, Publikum von den Drittplattformen auf die eigene Infrastruktur zu ziehen.
Das finden aber nicht alle toll. Unter den Filmproduzenten gibt es kritische Stimmen, die darin ein gefährliches Signal sehen. Lukas Hobi, Filmproduzent von Zodiac Pictures, äusserte sich in einer SRG-internen Umfrage wie folgt: «Das Angebot von Play Suisse ist für die Nutzerinnen und Nutzer gratis. Das birgt die Gefahr, dass unsere Inhalte, die in der Herstellung sehr aufwändig und teuer sind, in der Wahrnehmung des Publikums an Wert verlieren.»
Die neue Plattform ändert nichts daran, dass die SRG weiterhin ein Vielfaches von dem, was auf «Play Suisse» zur Verfügung steht, auf Youtube anbietet. Allein der Kanal SRF DOK umfasst über 1000 Beiträge und zählt 145’000 Abonnenten. SRF Kultur präsentiert auf Youtube gar 1900 Videos von Sendungen der letzten zwölf Jahre und erreicht damit 93’000 Abonnenten. Deklariertes Ziel der SRG ist es, Publikum von den Drittplattformen auf die eigene Infrastruktur zu ziehen. Wie das geschehen soll mit einem dermassen umfassenden Angebot bei der kommerziellen Konkurrenz, bleibt vorerst noch schleierhaft. Mehrsprachigkeit und Kuration taugen kaum als Killerargumente. Damit besteht die Gefahr, dass «Play Suisse» nicht nur vom Angebot, sondern auch von den Nutzerzahlen her, eine kleine (und durchaus feine) Video-Boutique bleibt.
Urs Kälin 09. November 2020, 09:31
Wird sicher ein Flopp. Konnten gestern auf unserem Smart-TV Play Swiss nicht installieren. Netflix usw. ohne Probleme.