von Nick Lüthi

Zwei Mal «Streaming» – oder: Die Renaissance der Programmzeitschrift

In Deutschland und in der Schweiz sind dieser Tage zwei gleichnamige Magazine neu auf den Markt gekommen: «Streaming» und «Streaming» sollen Übersicht im Plattform- und Seriendschungel schaffen. Ob das mit bedrucktem Papier gelingt?

Man hielte es nicht für möglich, wenn die beiden Magazine nicht vor einem lägen. Aber es ist eine Tatsache. Der Zufall wollte es, dass praktisch gleichzeitig zwei neue gedruckte Magazine auf den Markt kamen mit dem identischen Titel: «Streaming». In der Schweiz lancierte Ringier Axel Springer vor zwei Wochen das Heft als Ableger seines TV-Magazins «Tele». In Deutschland steht die Funke-Mediengruppe hinter der Neugründung. Wie die wenig originelle Namensgebung leicht erahnen lässt, dreht sich der Inhalt der neuen Printpublikationen um Filme und Serien auf Streaming-Plattformen. Es handelt sich also um eine Renaissance der TV-Programmzeitschriften unter den Bedingungen der Bewegtbild-Verbreitung im Internet.

Was sie sich die Verlage dabei gedacht haben, liegt auf der Hand: Übersicht schaffen für ein immer unübersichtlicher werdendes Angebot. «Das Magazin bietet bestes Guiding im stetig wachsenden Markt der Streamingplattformen», sagt der Chefredaktor des schweizerischen «Streaming»-Magazins. Bei Funke sagt man das Gleiche, einfach etwas wortreicher. Die Zeitschrift übernehme «die Rolle des guten Freundes, der die neue Serie oder den unverzichtbaren Film empfiehlt» und mache «das individuelle Entertainmenterlebnis im On-Demand-Zeitalter noch besser». Das Schweizer «Streaming» erscheint monatlich und kostet pro Ausgabe 4.90 Franken, das deutsche «Streaming» kommt vier Mal im Jahr heraus zu einem Preis von 3.90 Euro. Entsprechend unterscheiden sich auch die Umfänge. «Streaming» ist schlanker als «Streaming».

In beiden Publikationen finden sich seitenweise Premieren-Listen und Spielpläne. Der Textteil besteht im Wesentlichen aus Empfehlungen und Tipps, angereichert durch Hintergrundtexte wie Porträts, Interviews oder Hinweise auf neue Plattformen. Was es nicht gibt, sind reflektierende und kritische Auseinandersetzungen mit den Plattformbetreibern oder der Entwicklung von Serien als Genre.

Das überfrachtete Layout widerspricht dem eigenen Anspruch, Übersicht zu verschaffen im Seriendschungel.

«Streaming» und «Streaming» bieten Service-Journalismus und machen kein Feuilleton. Entsprechend serviceorientiert sieht die Gestaltung aus. Vor allem das deutsche Heft wirkt massiv überfrachtet mit Text und Bild. Damit widerspricht das Layout dem Anspruch, Übersicht zu verschaffen im Seriendschungel. Das Schweizer Pendant kommt dagegen etwas anspruchsvoller daher und hat nicht jeden Quadratzentimeter mit Informationen zugepflastert.

Bleibt die Frage, ob dieses Angebot einem Bedürfnis entspricht. Die Verlage sind davon natürlich überzeugt, sonst hätten sie die Magazine nicht lanciert. Und wenn zwei das Gleiche tun, können sie so falsch nicht liegen, würde man vermuten.

Wer für die Organisation seines TV-Konsums schon bisher auf die Empfehlungen einer Programmzeitschrift vertraut hat, wird in den «Streaming»-Heftli eine vergleichbare Dienstleistung für die neuen Video-Plattformen vorfinden. Das dürfte vor allem ein älteres Publikum zu schätzen wissen. Jüngere Serienjunkies und Bingewatcher finden sich in der schönen neuen Bewegtbildwelt auch ohne bedrucktes Papier bestens zurecht. Dieses Segment will das Heft von Ringier Axel Springer mit der Online-Version streaming.ch und Aktivitäten auf Facebook und Instagram ansprechen. Doch das Innovativste am Schweizer «Streaming» bleibt das monatlich kündbare Abonnement. Das schafft immerhin einen Anreiz, der Publikation eine Chance zu geben.