The Good, The Bad & The Ugly XV
Kassensturz, Bajour, Schweizer Journalist
The Good – Kassensturz gewinnt gegen Versicherungslobby
«Politiker prellen Konsumenten: Kniefall vor der Versicherungslobby» lautete der Titel des «Kassensturz»-Beitrags vom 30. April 2019, gegen den der Schweizerische Versicherungsverband SVV vor die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI zog. Der Beitrag stelle die Fakten und die Rolle des Verbands falsch dar. Die UBI entschied mit fünf zu vier Stimmen im Sinne der Versicherungslobby. Die SRG wehrte sich gegen den Entscheid und ging vor Bundesgericht. Das gab dem «Kassensturz» nun recht.
Lobbyist*innen vertreten Interessen, Politiker*innen entscheiden, Journalist*innen berichten. Sollen nun Journalist*innen nicht kritisch darüber berichten, wenn Lobbyist*innen womöglich besonders erfolgreich sind? Der Kassensturz hatte die Versicherungslobby um keine Stellungnahme zur Revision des Versicherungsvertragsgesetzes gebeten – wohl aber kamen auch Politiker*innen vor, die den Lobby-Einfluss relativierten.
«Wenn zwei Parteien etwas miteinander abmachen, dann gilt das», leitete Ueli Schmezer den umstrittenen Beitrag ein. Nun gilt, was das Bundesgericht entschied: Der Beitrag erlaube dem Publikum eine eigene Meinungsbildung. Happige Vorwürfe erkannte das Gericht keine. Der schwerste Vorwurf, den man im Beitrag ausmachen kann: Die Lobby vertrat ihre Interessen zu gut. Nun ist also geklärt, dass Journalist*innen weiterhin darüber berichten dürfen, dass Lobbyist*innen Interessen vertreten.
The Bad – Wahlkampfverblödung in Basel
Im Endspurt der Basler Regierungsratswahlen werden die früheren Verbindungen der BastA!-Kandidatin Heidi Mück zur antisemitischen BDS-Bewegung zum Anschauungsbeispiel für Kopflosigkeit im Lokaljournalismus.
Erst hat «BaZ»-Redaktor Joël Hoffmann die linke Kandidatin in einer «Satire» zur «Pflichtverteidigerin von Adolf Eichmann» erklärt. Dass sie einen Aufruf zum Boykott israelischer Produkte unterstützte, hat er mit der Organisation des Holocausts parallel gesetzt. Hoffmann will sich auf Anfrage nicht äussern.
Einfach nicht aufhören, sich zu äussern, kann hingegen das Onlinemedium «Bajour». Zunächst irritierte, dass Co-Chefredaktorin Andrea Fopp im Interview mit der Politikerin zwar fragte, ob diese noch über BDS sprechen wolle, dann aber abwinkte und der Kandidatin zustimmte, dass darüber schon sehr viel geschrieben wurde. Tags darauf präsentierte «Bajour» einen «Geschenkkorb mit israelischen Delikatessen» als Preis für einen Wahlwettbewerb – angesichts der unterlassenen Konfrontation empfanden das viele als zynisch.
Schon da entschuldigte sich Fopp auf Anfrage dafür, «Menschen verletzt» und den Eindruck erweckt zu haben, man nehme den Palästina-Konflikt nicht ernst. Später hat Bajour den Preis ersetzt: Statt «israelische Delikatessen» gibt es «Basler Spezialitäten» zu gewinnen. «Bajour nimmt den Konflikt sehr ernst», aber masse sich «als Basler Lokalmedium» nicht an, «dort Position zu beziehen», heisst es im neusten Newsletter. In einer Kontroverse, die mit dem Boykottaufruf israelischer Produkte begann, verlost Bajour nun aus purer Schusseligkeit explizit KEINE.
The Ugly – «Zeit für was Neus» beim «Schweizer Journalist»
«Bereit für den nächsten Karriereschritt?» fragte der «Schweizer Journalist» in einem Newsletter – und wohin der Schritt führt, machte bereits der Betreff klar: «Zeit für was Neus? Was mit PR?» Spätestens als die Vokabel «Züricher» auftauchte, war klar, dass Chefredaktor David Sieber nicht alles sieht, was im Namen des «Schweizer Journalist» verschickt wird.
Ob des PR-Newsletters sei er selbst «verwundert» gewesen, sagt Sieber auf Anfrage und verweist an Verleger Johann Oberauer in Salzburg. «Das Angebot mag etwas missverständlich rüberkommen, wenn man es aus dem Zusammenhang reisst», schreibt Oberauer. Es richte sich «im Prinzip» an Studierende und «Young Professionals in der PR in Deutschland», aber auch an «junge Leute» in der Schweiz. Als wüsste der Verleger nicht, dass sich der «Schweizer Journalist» an Journalist*innen richtet.
Oberauer, dessen Verlag auch den «PR Report» herausgibt und als Geschäftsstelle der «Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V.» fungiert, entnimmt der Anfrage der MEDIENWOCHE einen Unterton, der Journalisten als gut und PR-Leute als schlecht einordnet. Das entspreche nicht der Wahrheit und sei überheblich.
In diesen Zusammenhang hat das Angebot Oberauer aber selbst gesetzt: Die Abonnent*innen des «Schweizer Journalist» konnten es bloss als Aufforderung zum Seitenwechsel lesen. Womöglich ist einfach bei Oberauer «Zeit für was Neus»: Unlängst hat er der MEDIENWOCHE eine Kooperation mit dem «Schweizer Journalist» angeboten, die de facto einer Fusion gleichkäme. Die MEDIENWOCHE hat dankend abgelehnt.