von Nick Lüthi

SDA schliesst Hintertür und verursacht Kollateralschaden

Seit Anfang Jahr beliefert Keystone-SDA die Schweizerische Mediendatenbank SMD nicht mehr mit ihren Nachrichten. Damit will die Agentur verhindern, dass Verlage, die nicht mehr länger SDA-Kunden sind, via SMD weiterhin auf die aktuellen Meldungen zugreifen können. Die Massnahme zieht unschöne Konsequenzen nach sich.

Wer in der Schweizerischen Mediendatenbank SMD nicht direkt seine Suchbegriffe in das Eingabefeld tippt, sondern kurz auf die Hausmitteilungen schielt, liest dort folgendes: «Ab 01.01.2021 wird Keystone-SDA die Anlieferung ihres Basisdienstes in die SMD bis auf Weiteres aussetzen. Wir informieren, wenn sich die Ausgangslage wieder ändert.»

Die Nachrichtenagentur hat ihren Vertrag mit der Mediendatenbank auf Ende 2020 gekündigt, wie ihr Sprecher Iso Rechsteiner gegenüber der MEDIENWOCHE bestätigt. Damit will Keystone-SDA verhindern, dass ehemalige Kunden durch die Hintertür weiterhin auf die aktuellen Agenturmeldungen zugreifen können. Bis Ende 2020 war der SDA-Basisdienst auch über die SMD abrufbar. Gemäss Eigenwerbung bietet der Basisdienst einen «konstanten Flow an verifizierten Meldungen (…) aus den Ressorts Inland, Ausland, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Vermischtes.» Für den SMD-Nutzer fallen dafür keine weiteren Kosten an. Genau das wurde nun zu einem Problem für die Nachrichtenagentur.

Auch Redaktionen, die keine SDA-Dienstleistungen mehr beziehen, könnten via SMD auf die aktuellen Agenturmeldungen zugreifen.

Auch wenn «20 Minuten», «CH Media» oder der «Walliser Bote» (und bisher unbestätigterweise auch die NZZ) ihre Verträge mit der Nachrichtenagentur gekündigt haben, könnten sie über die Mediendatenbank weiterhin auf die Agenturmeldungen zugreifen. Sie dürften die Meldungen zwar nicht übernehmen, weil sie nicht dafür zahlen, aber zitieren und paraphrasieren wären nicht verboten.

Als unschöne Konsequenz dieser Notbremse hat die Redaktion von Keystone-SDA keinen Zugriff mehr auf die SMD – der Vertrag wurde ja gekündigt. «Zum einen erhält nun die SMD unsere Meldungen nicht mehr, und zum anderen dürfen wir die Datenbank nicht mehr nutzen», heisst es in einer internen Mitteilung ans Personal von Keystone-SDA. Bei der Redaktion kommt es natürlich überhaupt nicht gut an, dass eines der wichtigsten Rechercheinstrumente ausfällt.

«Angedacht ist eine zeitlich verschobene Einlieferung in die Mediendatenbank.»
Iso Rechsteiner, Sprecher Keystone-SDA

Das wissen auch die Verantwortlichen. Die Idee sei es, steht weiter in der Hausmitteilung, «so schnell wie möglich – aus der GL heisst es im Januar – eine für alle Seiten vernünftige Lösung mit der SMD zu finden.» Das sieht auch Sprecher Rechsteiner so: «Das kann kein Dauerzustand sein.» Man sei daran, eine Lösung zu suchen: «Angedacht ist eine zeitlich verschobene Einlieferung in die Mediendatenbank.» Mit einem neuen Vertrag könnte die Redaktion dann auch wieder die SMD nutzen.

Roberto Nespeca, Geschäftsführer der SMD, teilt auf Anfrage mit, man sei vom Entscheid der SDA etwas überrumpelt worden. «Aber ich verstehe die Situation und kann die schwierige Ausgangslage bei Keystone-SDA nachvollziehen. Entsprechend möchten wir auch Hand zu Lösungen bieten und werden mal ausloten, was alles möglich ist.» Verhandlungstermine seien schon in diesem Monat angesetzt.

Das wirft grundsätzliche Fragen auf zu Form und Finanzierung einer nationalen Nachrichtenagentur.

Die Episode zeigt, welchen Rattenschwanz die Kündigungen von immer mehr Verlagen nach sich zieht. Solange alle grossen Verlage zahlten für die Agenturdienstleistungen, waren die Meldungen von Keystone-SDA ein branchenöffentliches Gut. Jetzt muss man sie vor den Nicht-mehr-Kunden wegsperren. Das wirft grundsätzliche Fragen auf zu Form und Finanzierung einer nationalen Nachrichtenagentur; Fragen, auf die das Unternehmen und die Politik derzeit Antworten suchen.

Update 20.1.2021: Bei der Lektüre des Artikels kann der Eindruck entstehen, dass die SDA-Redaktion auch technisch keinen Zugriff mehr auf die SMD hatte. Das stimmt nicht: «Der Zugang war von unserer Seite nie gesperrt», betont SMD-Geschäftsführer Roberto Nespeca.