von Nick Lüthi

Sehen und verstehen: SRF und NZZ mit neuen Erklärformaten zur E-ID-Abstimmung

Wer sich kurz und kompakt zu einer komplexen Abstimmungsvorlage wie dem E-ID-Gesetz informieren will, schaut ein Erklärvideo. Dieser Tage zeigten NZZ und SRF News neue Formate. Wir haben bei den Redaktionen hinter die Kulissen geschaut und eine Befürworterin und einen Gegner die neuen Videos kommentieren lassen.

Journalismus heisst vereinfachen. Auch komplexe Sachverhalte muss eine Redaktion in wenigen Minuten erklären können; zum Beispiel kontrovers diskutierte Abstimmungsvorlagen. Die Königsdisziplin solcher Vereinfachung sind Erklärvideos. Die epischen Exkurse aus Politik und Parlament auf ihre Essenz zu verdichten, erfordert einiges an handwerklichem Geschick. Solche Erklärvideos zu Abstimmungsvorlagen sind keine neue Disziplin. Medien und Behörden informieren schon seit Jahren auf diese Weise.

Im Hinblick auf den Urnengang vom 7. März, wo es unter anderem um das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste, kurz: E-ID-Gesetz geht, haben die Neue Zürcher Zeitung NZZ und Schweizer Radio und Fernsehen SRF je ein neues Videoformat entwickelt, das die Abstimmungsvorlage kurz und kompakt erklären soll.

Obwohl sich beide Redaktionen der gleichen Aufgabe stellten, könnten die Ergebnisse unterschiedlicher nicht sein. Grund dafür sind die unterschiedlichen Zielgruppen. Während die NZZ ein breites, politikaffines Publikum anspricht, zielt SRF auf die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen, die sich auf Social Media nur sporadisch über Politik informieren.

SRF hat sein Erklärvideo zur E-ID-Vorlage gezielt für Instagram produziert. Diese Plattform spiele für die Ansprache des jüngeren Zielpublikums die wichtigste Rolle, erklärt Andrea Krüger, Leiterin der SRF-Videoredaktion. Das erklärt denn auch, wieso die sieben Minuten Film nicht in Studioqualität daherkommen, sondern relativ roh und spontan produziert wirken. Besonders gut zeigt sich das etwa dann, wenn SRF-Bundeshausredaktor Keto Schumacher per Skype zugeschaltet wird für das Expertengespräch. «Wir wollen auf Augenhöhe mit dem Publikum kommunizieren», sagt Andrea Krüger im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Dazu gehöre auch die persönliche Ansprache des Publikums durch einen Host in Schweizer Dialekt. «SRF macht schon lange Erklärvideos, aber die waren bisher rein grafisch und ohne Host», so die SRF-Videochefin.

Was aber finden Befürworterinnen und Gegner der Vorlage, über die das Video sachlich informieren will? Gelingt das SRF oder weist das neue Erklärformat politische Schlagseite auf? Daniel Graf vom Referendumskomitee gegen das E-ID-Gesetz hat inhaltlich nichts auszusetzen am SRF-Video. Er wünscht sich einzig O-Töne der Pro- und Contra-Seite. Bei sieben Minuten Dauer hätte sich das locker einbauen lassen. Den gewählten Rahmen hält Graf aber grundsätzlich für gelungen: «Es ist sicher noch nicht ganz perfekt, aber gerade das macht es sehr authentisch. Der Just-do-it-Stil ist für SRF ungewohnt, aber vielversprechend.»

Auch Edith Graf-Litscher, die sich im Pro-Komitee für die E-ID-Vorlage engagiert, äussert sich positiv zum gewählten Ansatz von SRF. Ihr gefällt besonders gut, dass hier «Personen mit Sachkenntnissen in einer erfrischenden Art und Weise zusammen über das trockene Thema» diskutieren. Das spreche die jüngere Zielgruppe sicher an, glaubt die SP-Nationalrätin.

Ein Eindruck, den Andrea Krüger von SRF bestätigen kann. Sie sei ganz zufrieden mit dem Erreichten, auch deshalb, weil das Video auf Instagram eine sachliche Diskussion zur Vorlage ausgelöst habe. Gleichzeitig ist sich Krüger aber auch der Mängel bewusst. «Mit der Länge befinden wir uns sicher an der oberen Grenze. Auch die Skype-Schalte werden wir überdenken.» Überhaupt stecke sehr viel Aufwand und Denkarbeit in dem neuen Format. Das sehe man nun vielleicht nicht. Aber wie heisst es doch: Spontanität muss gut überlegt sein.

Dass es auch kürzer geht als sieben Minuten, zeigt die NZZ. Ihr Erklärvideo zur E-ID dauert knapp vier Minuten und man hat nicht den Eindruck, weniger zu erfahren als bei SRF. Im Gegenteil. Die NZZ verzichtet auf Storytelling-Schnickschnack und referiert kurz und kompakt die Fakten. Die besten Argumente von Befürwortern und Gegnern der Abstimmungsvorlage bringt sie, anders als SRF, als kurze Videosequenzen aus den jeweiligen Pressekonferenzen. Im Zentrum des Videos steht NZZ-Bundeshausredaktorin Larissa Rhyn, die als Präsentatorin durch das Video führt. Das Publikum schätze es, «wenn Videos moderiert sind», sagt Markus Stein, Videochef der NZZ. Auch wenn sie nur ein kleines Team seien – das Kerngeschäft der NZZ ist weiterhin das geschriebene Wort – gäben sie sich Mühe, «so gewissenhaft und sauber zu produzieren wie wir können», erklärt Stein auf Anfrage der MEDIENWOCHE.

Die Reaktionen auf das Abstimmungsvideo der NZZ zur E-ID-Abstimmung zeigen, dass die Redaktion den eigenen Qualitätsanspruch einlösen konnte. Sowohl Gegnerinnen als auch Befürworter der Vorlage teilen das Video auf Social Media. Lob gibt es auch von SRF-Kollegen, deren Kerngeschäft das bewegte Bild ist. «Kompakt und gut erzählt», lobt etwa der Westschweiz-Korrespondent von SRF. «Grosse Ausgewogenheit», «sackstark und neutral» lauten weitere würdigende Wortmeldungen auf Twitter. Man geht sogar so weit, das NZZ-Video als Ersatz für die behördliche Abstimmungsinformation zu empfehlen.

Daniel Graf vom Referendumskomitee gegen die E-ID findet das NZZ-Video schlicht «grossartig». Auf Anfrage präzisiert er, dass er damit neben dem ausgewogenen Inhalt, der beide Seiten angemessen darstelle, auch die Produktionsweise des Videos meine: professionell gemacht, sehr abwechslungsreich gestaltet.

Dass ihrem Namensvetter das Video so gut gefällt, könnte mit ein Grund sein, weshalb Edith Graf-Litscher, die für ein Ja zu E-ID-Vorlage einsteht, die Begeisterung nicht teilen kann: «Ich hatte das Bauchgefühl, da muss jemand neutral informieren, will mir aber ein Nein schmackhaft machen.»