von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly XXVII

Blick TV, SRG, TX Group

The Good – Blick TV kann undercover

Die Ankündigung machte neugierig, weckte aber auch Skepsis: Blick TV packt in einer «Undercover»-Serie das schärfste Mittel der journalistischen Recherche aus und will mithilfe der versteckten Kamera Missstände in der Reinigungsbranche aufzeigen, dreckige Deals offenlegen. Hat man das nicht schon zig mal gesehen und gelesen? Ob beim Kassensturz, im K-Tipp, Beobachter oder wo auch immer.

Die Befürchtung erweist sich als unberechtigt. So lange ein Missstand besteht, gibt es kein Zuviel an Berichterstattung. Und auch die Vorbehalte zum Einsatz der versteckten Kamera sind unbegründet: Blick TV setzt sie sehr zurückhaltend ein. Die gefilmten Personen wurden stark verfremdet, ihre Stimmen nachgesprochen. Reporterin Selina Berner schafft es in den nur vier Minuten langen Episoden, kurz und kompakt einen Aspekt der Misere im Putzwesen auf den Punkt zu bringen.

Ob es um Schwarzarbeit, sexuelle Belästigung oder die Situation von Sans-papiers geht – Reporterin Selina Berner findet überall einen passenden Zugang zum Thema, sowie kompetente Gesprächspartnerinnen. Wenn Boulevard heisst, nah dran zu sein, und ohne Umschweife den Finger auf den wundern Punkt zu halten, dann ist die «Undercover»-Serie von Blick TV Boulevard-Fernsehen nach Lehrbuch.

The Bad – 90 Jahre SRG: «Play Suisse» als Sinnbild

Wenn es eigentlich nichts zu feiern gibt, greift man nach jedem Strohhalm, der etwas festliche Stimmung verspricht. Das kann auch bloss ein 90. Geburtstag sein, wie ihn die SRG dieser Tage feiert. Tatsächlich herrscht aber alles andere als Festlaune bei der SRG, und insbesondere bei deren Personal angesichts von Abbau, Umbau und ungewisser Zukunft.

Immerhin verbreitet die Unternehmensspitze keine falsche Euphorie. Im internen Geburtstagstalk wirkten die Herren Cina und Marchand nicht eben wie die Repräsentanten einer rüstigen Jubilarin. Generaldirektor Gilles Marchand versuchte mit einem Werbespot für sein Lieblingsprojekt einen positiven Akzent zu setzen angesichts der getrübten Grosswetterlage. Er sei besonders stolz auf «Play Suisse». Die neue Videoplattform mit den besten Produktionen aus allen Landesteilen «schlägt Brücken zwischen den Regionen und fördert den nationalen Zusammenhalt», so Marchand. Ausserdem nutze die Plattform die «neueste Technologie im Dienste der Öffentlichkeit». Genauso gut könnte man «Play Suisse» als Sinnbild für die Krise der SRG verstehen: gut gemeint statt gut gemacht, träge und langsam, lückenhaftes Angebot, Einwegkommunikation statt Dialog.

The Ugly – TX Group bestätigt «Tamedia Papers»

Es war noch nie eine Stärke von Medienhäusern mit journalistischer Kritik umzugehen. Tamedia und ihr Mutterhaus TX Group bilden da keine Ausnahme. Während eines halben Jahres gingen «Heidi.News» und «Republik» allen Facetten von TX Group/Tamedia nach. Für die Recherche-Serie «Tamedia Papers» beleuchteten sie Geschichte und Gegenwart des grössten privaten Medienunternehmens kritisch.

Wie es sich gehört, boten die Journalisten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Doch die Manager, allen voran Präsident und CEO Pietro Supino, zogen es vor, die Fragen nicht zu beantworten. Erst nach erfolgter Publikation der zwölfteiligen Serie reagierte die TX Group/Tamedia-Chefetage mit einer pauschalen Erklärung, die nun in der gedruckten Ausgabe der «Tamedia Papers» nachzulesen ist. Das Schreiben, unterzeichnet vom Top-Management, ging zuerst an die Belegschaft des Konzerns.

Es bemängelt pauschal die fehlende Professionalität der Recherche von «Heidi.News» und Republik. Gleichzeitig werden die journalistischen Standards im eigenen Unternehmen in den höchsten Tönen gelobt. Es mag ein wohlüberlegter Schachzug sein, erst jetzt öffentlich und nicht zeitnah auf die Rechercheanfragen zu reagieren. Gleichzeitig bestätigt das Vorgehen aber das wenig vorteilhafte Bild, das die «Tamedia Papers» zeichnen.