von Nick Lüthi

Weniger Text im Netz: Nationalrat feuert Warnschuss gegen die SRG

Die SRG soll künftig weniger und nur noch kürzere Texte veröffentlichen im Netz. Entsprechende Vorschriften will der Nationalrat im Radio- und Fernsehgesetz verankern. Dass davon die private Konkurrenz profitiert, muss man ernsthaft bezweifeln. Der Entscheid ist vor allem ein Schuss vor den Bug der SRG.

Angesichts der Millionen von Franken für die Medienförderung, über die das Parlament derzeit befindet, erscheint die Frage, wie lang ein geschriebener Text auf den Websites der SRG sein darf, geradezu als lässlicher Nebenschauplatz.

Anders sehen das freilich die Verleger. Seit Jahren weibeln sie für eine Rückbindung der SRG auf ihr historisches Kerngeschäft mit Radio und TV; eine Online-Mediathek tue es, finden sie. Text sei im Netz die Domäne der Zeitungsverlage. Nun hat der Nationalrat die Weichen in diese Richtung gestellt.

Mit 122 gegen 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen stimmte eine deutliche Mehrheit der grossen Kammer einem neuen Artikel zu im Radio- und Fernsehgesetz. Die Vorlage geht noch in den Ständerat.

Unter dem Titel «Einschränkungen bei elektronischen Medienangeboten» soll der Textanteil im Online-Angebot der SRG beschränkt werden.

Nach dem Willen des Nationalrats wären Textbeiträge im Online-Angebot der SRG nur dann erlaubt, wenn «ein zeitlich und thematisch direkter Sendungsbezug besteht». Weiter seien «Textbeiträge in der Länge zu beschränken».

Beide Regeln kennt die SRG schon heute. Der geforderte Bezug zu einer Radio- oder Fernsehsendung steht in der Konzession.

Die Textlängen sind zum einen dann beschränkt, wenn ein Artikel keinen Bezug zu einer Sendung aufweist. Dann darf er nicht länger als 1000 Zeichen sein. Auch das steht in der Konzession.

Zum anderen wies SRG-Generaldirektor Gilles Marchand seine Redaktionen vor zwei Jahren an, auch Texte mit Sendebezug auf 3000 Zeichen zu beschränken. Im Ausnahmefall, wenn es sich um sogenannte «Highlights» handelt, dürfen sie auch länger sein. Ziel dieser Anweisung von ganz oben war es, die «Online-Informationen gegenüber denen von Zeitungen besser profilieren» zu können.

Das Ergebnis vermochte die Verleger nicht zu überzeugen. Die «Digitaloffensive der SRG» stehe «im Widerspruch zur Zielsetzung der digitalen Transformation der Abonnementszeitungen, die mit der Onlineförderung verfolgt wird», schrieb der Verlegerverband kürzlich in seinem Newsletter und pries den Vorschlag für die nun erfolgte gesetzliche Verschärfung der Textregeln.

Auf den ersten Blick sehen die neuen Bestimmungen nach einem Nullsummenspiel aus: Da wird einfach in Gesetzesform gegossen, was heute schon gilt.

Auf den zweiten Blick zeigen sich aber sehr konkrete Auswirkungen. Am meisten würde sich für die Berichterstattung in den Bereichen Kultur, Bildung und Religion ändern. Diese sind von den geltenden Textbeschränkungen ausgenommen.

Entsprechend finden sich in den Kulturressorts auch lange bis sehr lange Texte, die sich nicht immer direkt auf eine Radio- oder TV-Sendung beziehen. Das wäre künftig untersagt.

Von einer zusammengestrichenen Online-Kulturberichterstattung der SRG sollten also die privaten Medien profitieren, so die Idee hinter dem neuen Paragrafen.

Dass das Publikum allein aufgrund eines geringeren Textanteils zur privaten Konkurrenz strömt, ein Abo kauft und so zum kommerziellen Erfolg beiträgt, wirkt wenig plausibel. Doch darum geht es nicht.

Bei der Verschärfung der Textregeln handelt es sich um reine Symbolpolitik. Es hat sich eine praktische Gelegenheit geboten, ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen des Unbehagens gegenüber der SRG, das in letzter Zeit gewachsen ist. Sei es wegen des angekündigten Abbaus populärer Sendungen bei SRF in der Deutschschweiz, sei es wegen dem wenig souveränen Umgang mit sexuellen Übergriffen beim Westschweizer Radio und Fernsehen.

Die SRG tut gut daran, diesen Entscheid des Nationalrats nicht leichtfertig abzutun und einfach auf die – wahrscheinliche – Korrektur im Ständerat zu vertrauen.

Besonders zu denken geben sollte der SRG das Abstimmungsverhalten von Mitte (vormals CVP) und Grünliberalen. Beide Parteien stimmten dem Textbeschränkungsartikel nahezu geschlossen zu. Die 69 Stimmen, welche die SRG stützten, kamen abgesehen von zwei Ausnahmen aus der Mitte-Fraktion ausschliesslich von SP und Grünen.

Die SRG muss dringend Vertrauen zurückgewinnen, das sie seit der «No Billag»-Abstimmung verloren und verspielt hat. Nur so kann sie die ihr zugedachte gesellschaftliche Rolle als ausgleichender Akteur wieder spielen.

Leserbeiträge

Lahor Jakrlin 03. März 2021, 13:40

Wieso «muss die SRG dringend Vertrauen zurückgewinnen»?
Die Frage ist doch: Wo hat sie das Vertrauen verspielt, dass wirklich nur noch die Linke SRF verhätschelt?
Es bleibt dabei: Der durch Zwangssteuern finanzierte Staatsbetrieb SRF ist die Made im Medienfett und würgt den freien Medien die Luft ab, inklusive Abgrasen der Werbegelder.
Nach und nach setzt sich die Einsicht durch.