von Nick Lüthi

Ende einer ewigen Kontroverse? Politik will SRG-Finanzen strenger kontrollieren lassen

Seit Jahrzehnten steht die Forderung im Raum: Die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK solle die SRG durchleuchten dürfen. Bisher setzte sich immer der Bundesrat durch mit seiner Warnung vor einem unzulässigen Eingriff in die Unabhängigkeit der SRG. Das könnte sich ändern mit zwei aktuellen Vorstössen in National- und Ständerat.

Nach der hauchdünnen Zustimmung zur neuen Medienabgabe und vor der existenzbedrohenden «No Billag»-Abstimmung unternahm die SRG 2016 eine Charmeoffensive. Ein «Green Paper» (das zwar ganz rot aussah) pries eine «SRG für alle».

Weit hinten in der Broschüre findet sich eine Doppelseite über «interne und externe Aufsichtsorgane der SRG», die auch heute noch auf der Website der SRG in der Rubrik «Qualität für alle» zu finden ist. Unter «Finanzaufsicht» steht als zuständige Instanz das eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek.

Geht es nach einer ganzen Reihe Bundespolitikerinnen und -politiker, sollte dort schon bald die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK stehen.

So fordert Nationalrat Christian Lohr (Die Mitte) mit einer Motion eine Gesetzesänderung, «die es der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) ermöglicht, inskünftig auch die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) zu prüfen.» Lohr begründet seine Forderung mit der «finanziellen Bedeutung» und aufgrund des «grossen öffentlichen Interesses» der SRG. «Wie andere Organisationen auch, denen der Bund die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe übertragen hat» solle der Bundesrat auch die SRG der EFK-Aufsicht unterstellen.

Tatsächlich ist die SRG, neben der Unfallversicherung Suva und der Nationalbank, vom Aufsichtsbereich der Finanzkontrolle ausgeschlossen. Die EFK wird höchstens für Sonderprüfungen als Hilfsorgan beigezogen. Das war bisher erst einmal der Fall. 2005 erteilte das Uvek der EFK einen Prüfauftrag vor einer geplanten Gebührenerhöhung. Die SRG selbst sieht keinen Anlass am bestehenden Modell der Finanzaufsicht etwas zu ändern.

Einen Tag nach Nationalrat Christian Lohr reichte Carlo Sommaruga (GE/SP) im Ständerat eine parlamentarische Initiative ein mit der gleichen Stossrichtung. Sommaruga fordert, die SRG sei «einer öffentlichen, externen Kontrolle» zu unterstellen, damit «die finanziellen Mittel effizienter eingesetzt werden». Als einer der Gründe für seinen Vorstoss nennt der Genfer Politiker die Kostenentwicklung bei den Immobilien des Westschweizer Radio und Fernsehen RTS:

Eine Aufsicht durch die EFK könnte dazu beitragen, «die administrativen Abläufe zu verbessern und die Effizienz bei der Verwendung öffentlicher Gelder zu erhöhen».

Politisch sind die beiden Vorstösse breit abgestützt. 25 Nationalrätinnen und Nationalräte von SP über Grüne bis SVP haben die Motion Lohr mitunterzeichnet. Hinter dem Vorstoss von Ständerat Sommaruga stehen drei Ratskolleginnen aus den Kantonen Genf, Basel und Tessin von SP und Grünen.

Neben der Politik ist es auch die Eidgenössische Finanzkontrolle selber, die es nur logisch fände, wenn sie auch die SRG durchleuchten dürfe. Danach gefragt, warum das bisher nicht möglich sei, sagte EFK-Direktor Michel Huissoud einmal: «Die Gründe verstehe ich nicht.» Und ein anderes Mal: «Ich kann es nicht erklären.»

So unwissend ist Huissoud natürlich nicht. Auch er weiss, dass sich die Diskussion seit Jahrzehnten um die Frage dreht, ob eine Aufsicht durch die EFK die verfassungsmässig garantierte Programmunabhängigkeit der SRG gefährden würde. Mit dieser Begründung empfiehlt der Bundesrat die Motion Lohr abzulehnen und verweist dabei auf seine ebenfalls ablehnende Stellungnahme zu einem gleichlautenden Vorstoss vor sechs Jahren.

Wie diese Gefährdung der Unabhängigkeit konkret aussehen könnte, erschliesst sich nicht auf den ersten Blick.

Auf Anfrage erklärt das Bundesamt für Kommunikation Bakom Folgendes: Aufgrund des gesetzlichen Auftrags prüft die EFK auch, ob öffentliche Gelder wirksam verwendet werden. Dafür beziehe die EFK auch die politischen Zielsetzungen mit ein. «Damit könnte die EFK zum Beispiel redaktionelle Aktivitäten oder eingesetzte Technologien der SRG auf ihre Zweckmässigkeit hin überprüfen.» Das sei verfassungsrechtlich problematisch. Und darum schliesse das geltende Gesetz für die Finanzaufsicht solche Zweckmässigkeitskontrollen explizit aus.

Einen zweiten kritischen Punkt sieht der Bundesrat in der Rolle des Parlaments. Bei einer allfälligen Aufsicht durch die EFK wäre der Finanzhaushalt der SRG automatisch der parlamentarischen Oberaufsicht unterstellt. Das gäbe der Politik weitreichende Befugnisse, etwa indem das Parlament der EFK spezifische Prüfungsaufträge erteilt. «Dadurch bestünde die Gefahr», schreibt das Bakom, «dass das Parlament etwa infolge unliebsamer Berichterstattung oder unerwünschter publizistischer Entwicklungen und Strategien der SRG die Finanzkontrolle als Druckmittel benutzt oder via diesen Weg auf die SRG Einfluss zu nehmen versucht.»

Was der Bundesrat als Gefahr oder Risiko sieht, könnte man auch als Chance verstehen.

Eine Finanzaufsicht, die nicht nur schaut, ob Geld formal korrekt ausgegeben wird, sondern auch den rechtlichen, strategischen und politischen Kontext der Mittelverwendung berücksichtigt, hilft Vertrauen zu schaffen in eine Institution. Die EFK tritt quasi als Anwältin der Steuer- und Abgabenzahlerinnen auf und schaut, ob öffentliche Gelder verschwendet werden.

Bei einer untersuchten Institution kann es für Irritation sorgen, wenn die Aufsicht Grundsatzfragen aufwirft. Das zeigte sich etwa, als die EFK vor zwei Jahren die Mittelverwendung des Schweizerischen Nationalmuseums prüfte. Die erste Prüffrage lautete: Besteht ein nachweisliches Bedürfnis für die Sammlung des Nationalmuseums? Die EFK kann und darf solche Grundsatzfragen auch deshalb stellen, weil sie am Ende einer Prüfung lediglich Empfehlungen abgibt und keine Sanktionen ausspricht.

Der Widerstand des Bundesrats gegen eine Änderung der aktuellen Finanzaufsicht der SRG kann auch ganz profane Gründe haben:

Sollte die EFK-Kontrolle Ungereimtheiten zu Tage fördern, die bisher übersehen wurden, wirft das natürlich nicht das beste Licht auf die langjährigen Kontrolleure aus dem Uvek.

Verständlich, wenn man sich gegen eine mutmasslich strengere Nachfolge stellt.

EFK-Direktor Marc Huissoud, der eine Prüfung der SRG-Finanzen durch seine Behörde für sinnvoll und angebracht hält, will sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht im Detail dazu äussern. Auf Anfrage der MEDIENWOCHE weist er darauf hin, dass die politische Diskussion noch nicht stattgefunden habe und das Thema doch sehr umfangreich sei.

In einer allgemeinen Einschätzung macht Huissoud gegenüber der MEDIENWOCHE aber klar, warum er die verfassungsmässige Unabhängigkeit der SRG nicht gefährdet sieht, wenn dereinst seine EFK ans Werk gehen sollte: «Die Prüfungen beim Bundesgericht und der Bundesanwaltschaft zeigen, dass die Berichte der EFK die Unabhängigkeit respektieren und nie vom Parlament gegen diese unabhängigen Institutionen instrumentalisiert wurden.»

Auch die nächste Debatte im Parlament wird sich entlang der hinlänglich bekannten Positionen abspielen: Hier der Verweis auf die bewährte Finanzaufsicht durch das Departement und die Warnung vor dem Experiment mit der EFK. Dort der Ruf nach umfassenderer Aufsicht wegen der Unzufriedenheit mit dem nicht immer nachvollziehbaren Finanzgebaren eines Medienunternehmens mit Milliardensubventionen.

Anders als bei den seit bald vierzig Jahren geführten Diskussionen über die EFK als Aufsichtsorgan über die SRG-Finanzen zeigt sich aktuell eine Konstellation, die es wahrscheinlicher als auch schon erscheinen lässt, dass diesmal strengere Kontrollen beschlossen werden könnten. Das liegt vor allem an der aktuellen Befindlichkeit des Unternehmens:

Die SRG stemmt gerade grosse Reformen und muss gleichzeitig Millionen sparen. Umso effizienter sollten die vorhandenen Mittel eingesetzt werden.

Das scheint nicht immer optimal zu gelingen. Zwar versichert die SRG, alles gehe mit rechten Dingen zu und her. Sei das bei den Immobilienprojekten von RTS und SRF in Lausanne und Zürich oder bei der Inbetriebnahme neuer Fernsehstudios, die nicht auf Anhieb funktionieren wollen und darum zusätzliche Mittel verschlingen.

Um festzustellen, ob und was hier allenfalls falsch läuft, braucht es eine Aufsicht, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet ist und die überprüfen kann, ob die SRG die zur Verfügung gestellten Mittel sparsam, effizient und gesetzeskonform verwendet. Quer durch das Parteienspektrum scheint sich hierzu die Einsicht breit zu machen, dass sich dafür die Eidgenössische Finanzkontrolle besser eignet als das Uvek.

Leserbeiträge

Alex Schneider 24. März 2021, 10:37

SRG und Service public 
Warum recherchiert die SRG nicht, was der tatsächliche und der potenzielle SRG-Kunde konkret von der SRG erwarten? Dazu reichen Einschaltquoten für SRG-Sendungen nicht und schon gar nicht die Meinungen der SRG-affinen Programmkommissionen und Trägerschaften. Meines Erachtens erwartet die Mehrheit zum Beispiel eine leichte Gebührenreduktion und weniger Werbung zum Preis einer Reduktion von bildungsfernen Programmteilen (Gewaltdarstellungen, Formel-1- und Töffrennen) sowie Unterhaltung, welche auch Private und ausländische Sender anbieten (können).