von Benjamin von Wyl

The Good, The Bad & The Ugly XXX

«Club»-Lob, Lonza-Ente, Misgendering

The Good – Ein «Club» der Weltklasse

Barbara Lüthi hält sich nicht mit Floskeln auf: Militärputsch in Burma, zivile Gegenregierung im Untergrund. «Vermitteln soll eine Schweizerin», leitet die «Club»-Moderatorin zur Vorstellung ihres ersten Gastes über. Noch bevor die Kamera alle sechs Personen im Studio zeigt, erfährt man bereits so viel wie in einem ganzen «10 vor 10»-Beitrag.

Die SRF-Sendung «Der Club» war diese Woche eine Wucht. «Festigt die Pandemie autokratische Regime – und: Was geht das den Westen an?» war die Leitfrage. Hongkong, Belarus, Burma, Russland und Irak: Im Studio war unglaublich viel Erfahrungs- und Expert*innenwissen versammelt. 80 Minuten lang berichteten die Gäste leidenschaftlich von Demokratiebewegungen und schilderten Menschenrechtsverletzungen. Die Anwesenden hörten sich dabei gegenseitig sogar zu.

Dass in der ganzen Sendung keinen Moment lang Zynismus spürbar war, lag nicht nur an den Gästen, sondern auch an Barbara Lüthi, die ihre eigenen Kenntnisse als ehemalige SRF-Chinakorrespondentin einbrachte. Womöglich weil Lüthi erlebt hat, wie es ist, verhaftet, verhört und unter Druck gesetzt zu werden, hat sie kein einziges Wort an die angebliche Diktatur, die Schweizer Rechtspopulist*innen in diesem Frühjahr herbeifantasierten, verschwendet. Damit erhielt dieser Aspekt der Thematik exakt das angebrachte Mass an Aufmerksamkeit.

The Bad – Der Weg einer Ente

Am 11. März 2021 steht der «Skandal» in allen Tamedia-Zeitungen: «Bund wollte keine eigene Impfstoffproduktion». Eine Falschmeldung, wie man heute weiss.

Bereits um 6 Uhr 58 publiziert «Inside Paradeplatz» einen Zusammenschrieb, der frontal auf die Person der BAG-Vizedirektorin zielte. Um 9 Uhr ist das Thema bei «Nau»; noch vor dem Mittag «droht» die FDP im «Blick» bereits mit einer Parlamentarischen Untersuchungskommission. Gegen Abend rollen dann empörte Rücktrittsforderungen bei «20 Minuten» an. Auch «Keystone-SDA» und «Radio SRF» berichten in der Stossrichtung der Tamedia-Story. «Der erste Artikel hat enorme Aufmerksamkeit erregt und das Parlament zu einer blitzschnellen Gesetzesänderung angeregt», heisst es in der internen Tamedia-Blattkritik vom 17. März, die der MEDIENWOCHE vorliegt. Am selben Tag stimmt der Nationalrat für eine Gesetzesgrundlage zur staatlichen Impfproduktion.

Der Artikel, der das lostrat, stellte den Sachverhalt, dass der Bund nicht selbst Impfstoff produzieren wolle, in nur drei Abschnitten fest. Die einzigen Belege sind «verschiedene Quellen» und ein Zitat des BAG. Ob die eher allgemein formulierte Aussage des BAG die Schlagzeile begründete, hängt ganz und gar von der Frage ab, die die Journalistin dem Bundesamt stellte. «Ich bin nach journalistischen Sorgfaltskriterien vorgegangen», sagt Isabel Strassheim. Mehr will die Autorin des Artikels nicht dazu sagen.

Sechs Tage später schrieb Strassheim an einem Artikel mit, gemäss dem nur die Möglichkeit einer «staatlichen Finanzspritze» in die Impfstoffproduktion zur Debatte stand, anstelle eines Angebots für eine staatliche Produktion. Da haben die Zeitungsente und die unzähligen Nachzieher in anderen Medien aber bereits ihre Wirkung gezeigt: Sie heizten die Stimmung gegen die Behörden an – insbesondere gegen die BAG-Vizedirektorin. Bei Tamedia scheint man es mit Fassung zu tragen: Laut Blattkritik nannte ein namhafter Redaktor bereits das gedruckte Kurzkorrigendum «zu viel des Guten».

The Ugly – Misgendering auf allen Kanälen

Warum nur machen Medien eine Person zum Mann, die kein Mann ist? «Die US-Justiz erhebt Anklage gegen ein*e Luzerner Hacker*in.» So würde die Schlagzeile von Freitag lauten, ohne dass trans Menschen diskriminiert werden. Die angeklagte Hacker*in identifiziert sich als nonbinär, verwendet aber auch das weibliche Pronomen.

Die meisten Medien gehen rücksichtslos mit der Geschlechtsidentität der angeklagten Person um. In der Vorwoche schrieben die Tamedia-Zeitungen noch neutral von einer «Schweizer IT-Fachperson». Aber seither reiht sich No-Go an No-Go: Zahlreiche Medien nannten den «Deadname», den Namen, den die trans Person vor ihrer Transition getragen hat. Noch am Freitag schrieben «Blick.ch» und «20 Minuten online» erst von einem männlichen «Hacker». Später haben sie die Artikel korrigiert. Komplett daneben war das Porträt vom Dienstag auf «zentralplus»: Darin wird die Hacker*in als «junger Mann, der aber als Frau lebt» bezeichnet.

Dass das respektlos ist, erklärt der allererste Punkt im Medienguide des Transgender Network Switzerland TGNS. Diesen Guide sollten nicht nur jene Journalist*innen lesen, die die Berichterstattung über die Hacker*in verkackten. Immerhin hat auch «zentralplus» dazugelernt. Im neusten Artikel ist der Umgang mit der Geschlechtsidentität viel besser. Den Artikel vom Dienstag hat «zentralplus» aber bis jetzt nicht angepasst.