von Nick Lüthi

Medienförderung: Geld für Leistung statt Giesskanne für Konzerne

Die Massnahmen zugunsten der Medien, die das Parlament am Freitag beschliessen will, sind eine Übergangslösung. Für eine zweckmässige und zielgerichtete Förderpolitik braucht es endlich eine solide Grundlage.

Jetzt herrscht Gewissheit, dass nicht das Parlament allein entscheiden soll. Beim Massnahmenpaket zugunsten der Medien, das die Eidgenössischen Räte in diesen Tagen zu Ende beraten, haben aller Voraussicht nach die Stimmberechtigten das letzte Wort. Sie entscheiden über eine Aufstockung der Zustellvergünstigung für gedruckte Zeitungen, eine erstmalige Förderung von Online-Medien, sowie weiterer Massnahmen zugunsten der gesamten Branche.

Am letzten Samstag kündigte ein Komitee an, gegen das geplante Gesetz das Referendum ergreifen zu wollen. Eine vor allem in der Ostschweiz verankerte Truppe aus Medien- und Kommunikationsunternehmer:innen, sowie Politiker:innen von SVP und FDP sagt ganz grundsätzlich «Nein zu staatlich finanzierten Medien» und lehnt darum die vorgesehene Medienförderung ab.

Den Kern des Komitees bilden der Kommunikationsberater und frühere Weltwoche-Vizechefredaktor Philipp Gut und der Rapperswiler Verleger Bruno Hug (Linth24.ch, früher «Obersee Nachrichten»), die sich schon vor einem Jahr einig waren, dass sie etwas gegen das Gesetz tun wollen. Das berichtete CH Media am letzten Samstag. Aus der aktiven Bundespolitik findet sich einzig der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder im Referendumskomitee.

Wie schon bei «No Billag» finden sich zudem zahlreiche Vertreter:innen der Jungparteien von FDP und SVP mit an Bord.

Sie alle vertreten die Ansicht, die Medien würden von der Politik abhängig und könnten ihre Rolle als Vierte Gewalt nicht mehr wahrnehmen, wenn sie mit Bundesmitteln gefördert würden. Das bedeute nicht weniger als «das Ende der freien und unabhängigen Medien».

Abgesehen von der Fundamental- und Pauschalkritik an jeglicher Form öffentlicher Medienförderung äussert sich das Komitee auch zu den einzelnen Massnahmen der Gesetzesvorlage. Diese Kritik ist weit über den rechten Dunstkreis des Komitees hinaus anschlussfähig. Darum dürften sich die erforderlichen 50’000 Unterschriften für das Referendum leicht zusammentragen lassen.

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Dass auch Unternehmen wie Tamedia (TX Group) oder CH Media von zusätzlichen Fördermillionen profitierten sollen, ist nicht nur ein Schönheitsfehler. Das Gesetzespaket, wie es demnächst verabschiedet werden soll, atmete in Vielem den Geist der Grossverleger. Das Parlament stockte die Mittel auch unter dem Eindruck einer ebenso handfesten wie auch unanständigen Drohung der Grossverleger auf: Wenn ihr uns die Subventionen nicht gebt, stellen wir die Zeitungen ein.

Von den zusätzlichen 70 Millionen Franken, mit denen das Parlament den Postvertrieb gedruckter Zeitungen vergünstigen will, würden neu auch Titel mit grosser Auflage profitieren, denen solche Unterstützung bisher verwehrt war.

Ebenfalls unterstützt würde neu die Frühzustellung von Zeitungen. Auch von dieser Massnahme profitierten vor allem die Grossverlage.

Es spricht nicht gerade für die Weitsicht des Gesetzgebers, wenn er das meiste Fördergeld in ein Instrument steckt, das nachweislich nicht zum Erhalt der Medienvielfalt beiträgt. In der Wissenschaft gilt die indirekte Medienförderung mittels Subventionierung des Zeitungsvertriebs längst als untaugliches Mittel. «Sie erhöht weder die journalistische Qualität noch schafft sie Anreize für Innovationen», sagte dazu kürzlich Christopher Buschow, Medienwissenschaftler an der Bauhaus-Universität Weimar. «Vielmehr werden Verlage an den Tropf des Staates gehängt, ohne dass ein Anlass zur Veränderung besteht.» Im Wissen um die Zwecklosigkeit der indirekten Presseförderung wollte sie der Bundesrat in der Vergangenheit mehrmals abschaffen. Doch das Parlament hielt immer wieder daran fest.

Nicht viel besser sieht die Online-Förderung aus, für die das Parlament befristet 30 Millionen Franken pro Jahr bereitstellen will. Das Instrument orientiert sich an der indirekten Presseförderung. Wie bei den gedruckten Zeitungen dient auch bei den Netzmedien die Abonnierbarkeit (respektive die Spendenfinanzierung) als Voraussetzung für die Förderwürdigkeit; Gratismedien gehen leer aus.

Auch wenn die Online-Förderung nicht explizit dafür geschaffen wurde, dürfte sie immerhin dazu beitragen, Medien zu unterstützen, die dort entstehen, wo sich Grossverlage sparbedingt zurückziehen.

Neben den Fördertöpfen für Print und Online umfasst das Gesetzespaket auch Massnahmen, die der Branche als Ganzes zugutekommen und den Journalismus stärken sollen, etwa die finanzielle Unterstützung von Ausbildungsinstitutionen oder des Presserats.

Unter dem Strich bleibt das Gesetz Flickwerk, aber das haben Monsterpakete so an sich, die unter Zeitdruck entstehen. Mit viel gutem Willen kann man die finanzielle Entlastung zugunsten der gedruckten Zeitungen als einmalige Abwrackprämie oder Palliativgebühr sehen, respektive als Übergangslösung, bis Besseres möglich wird.

Damit sich ein solcher Murks nicht wiederholt, braucht es endlich eine solide Grundlage für eine zielführende Förderung. Dass Bundesrat und Parlament Print- und Online-Medien mit der Giesskanne subventionieren wollen, liegt in der Verfassung begründet. Zeitungen und Online-Medien können heute nicht nach dem Prinzip Geld gegen Leistung gefördert werden, wie dies bei Privatradio- und fernsehen möglich ist. Dieses bewährte und breit akzeptierte Modell fordert von den Medienunternehmen eine bestimmte publizistische Leistung zu erbringen, die sich nicht aus dem Markt finanzieren lässt. Dafür werden sie finanziell entschädigt.

Eine Verfassungsänderung für einen umfassenden Medienartikel galt lange Zeit als politisch chancenlos. Darum wollte sich niemand daran die Finger verbrennen.

Inzwischen hat der Wind gedreht. Dass das Parlament die Online-Förderung mehrheitlich mitträgt, kann man als Paradigmenwechsel sehen. Und auch die Verlage und der Verlegerverband haben ihren Widerstand gegen eine direkte Förderung aufgegeben.

Unter diesen Vorzeichen liesse sich das wahrscheinliche Referendum gegen das Massnahmenpaket als Testlauf betrachten, ob die Bevölkerung grundsätzlich hinter einem Ausbau der Medienförderung steht. Einfach wird es nicht sein, diese Vorlage durchzubringen. Mit der Presseförderung für hochrentable Medienkonzerne und dem Schreckbild der «Staatsmedien» lassen sich Skeptiker links und rechts gegen das Gesetz mobilisieren.

Aber vielleicht geht es auch ohne den Umweg über ein Referendum. Wenn die Eidgenössischen Räte das Gesetzespaket in der Schlussabstimmung versenken, was als nicht ganz unwahrscheinlich gilt, wäre der Weg frei, um den Medienartikel schneller auf die politische Agenda zu setzen.