Regionalsender: Bakom zieht die Schraube an
Zwölf Schweizer Privatsender müssen sich einem Aufsichtsverfahren stellen, weil sie zu wenig Regionalinformationen gesendet haben. Das Bundesamt für Kommunikation Bakom will damit die Konzessionsbestimmungen für Lokalradios und Regionalfernsehen durchsetzen. Der Verband Telesuisse kritisiert das Vorgehen scharf. Am Ende werden wohl die Gerichte entscheiden.
Das Bundesamt für Kommunikation wollte es nicht an die grosse Glocke hängen. Doch Telesuisse, der «Verband der Schweizer Regional Fernsehen», machte publik, was in der Mitteilung des Bakom nicht explizit steht. Wie das Amt auf Anfrage bestätigt, hat es Aufsichtsverfahren eröffnet gegen zwei Fernseh-, sowie zehn Radioveranstalter, weil sie «die quantitative Mindestvorgabe im Bereich der lokalen/regionalen Informationen nicht erfüllt haben.» Dabei handelt es sich um eine Premiere. Es sind die ersten Aufsichtsverfahren, die das Bakom im Zusammenhang mit der Erfüllung der Leistungsaufträge eröffnet.
In der Schweiz verfügen 30 Radio- und 12 Fernsehsender über eine Konzession des Bundesrats, die von ihnen eine «umfassende lokal-regionale Berichterstattung» verlangt. Als Gegenleistung erhalten sie einen garantierten Zugang zu den DAB+- und UKW-Netzen, sowie ein Grossteil der Sender auch finanzielle Unterstützung aus der Medienabgabe. Das Prinzip «Geld gegen Leistung» hat sich in den letzten Jahrzehnten als praktikables Fördermodell etabliert und bewährt. Allerdings zeigte sich über die Jahre, dass die verschiedenen Sender den eigentlich identischen Programmauftrag sehr unterschiedlich interpretierten. Für die laufende Konzessionsfrist von 2020 bis 2024 gilt darum ein neues Kriterium:
Alle konzessionierten Radios müssen pro Tag 30 Minuten oder länger relevante Regionalinformationen senden. Für die Fernsehsender sind es mindestens 150 Minuten pro Woche.
Eine aktuelle Messung im Rahmen der regelmässig durchgeführten Programmanalysen ergab erneut sehr grosse Unterschiede. So fanden sich Radiosender, die anstatt der geforderten 30 Minuten relevanter Regionalinformation pro Tag nur deren 12 Minuten ausstrahlten. Insgesamt zehn Radios bleiben unter der halben Stunde. Das Schlusslicht bilden die «Energy»-Sender von Ringier in Bern und in Basel, gefolgt von Radio Rottu im Oberwallis. Am oberen Ende der Skala gibt es aber auch Sender, wie etwa Rhône FM oder Radio Chablais, die mit mehr als einer Stunde gemessener Regionalinformation pro Tag die Anforderungen deutlich übertreffen.
Beim Fernsehen erfüllen zwei Sender die Anforderung nicht, wie die Messung durch die Medienforschungsfirma Publicom ergeben hat. Deutlich unter dem geforderten Wert von zweieinhalb Stunden wöchentlich blieb Tele Bärn, nur knapp darunter liegt Tele Ostschweiz. Wie die zehn Radiosender müssen sich auch die beiden TV-Stationen einem Aufsichtsverfahren stellen.
In einem ersten Schritt können die Unternehmen zu den Ergebnissen der Programmanalyse Stellung nehmen. Anschliessend wird das Bakom eine Verfügung erlassen und feststellen, ob der betreffende Veranstalter die Mindestvorgabe für die Regionalinformation erfüllt hat oder nicht. «Ziel ist es, dass die Konzessionsvorgabe künftig erfüllt wird», teilt eine Bakom-Sprecherin auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit. So soll erreicht werden, dass die konzessionierten Sender qualitativ vergleichbare Regionalinformationen senden und nicht das Berner Publikum mit Schonkost vorlieb nehmen muss, während man fürs gleiche Geld in der Westschweiz ein reichhaltiges Büffet erhält.
Finanzielle Sanktionen seien in diesen erstmaligen Verfahren nicht vorgesehen, schreibt das Bakom weiter.
Nach Abschluss der Aufsichtsverfahren stehe es den Veranstaltern offen, die Frage gerichtlich prüfen zu lassen, ob sie die in der Konzession formulierte Anforderung an die Regionalberichterstattung erfüllt haben.
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Gar nicht einverstanden damit zeigt sich Telesuisse. Der «Verband der Schweizer Regional Fernsehen» schreibt in einer Mitteilung, das Vorgehen des Bakom sei «politisch bedenklich, juristisch zweifelhaft und methodisch untauglich». Telesuisse kritisiert insbesondere die Methode, mit der das Bakom den Umfang der Regionalberichterstattung ermitteln lässt. Die Definition, was aus Behördensicht als regionales Ereignis gelte, nehme «geradezu absurde Züge an». Als Beispiel nennt Telesuisse das Auswärtsspiel einer lokalen Fussballmannschaft. Wenn ein Sender darüber berichte, gelte dies nicht als vollwertige Regionalinformation. Ebenso gälten Unglücke und Verbrechen nur in Ausnahmefällen als relevante Information. Gerade bei Regionalmedien müsse das «schlicht als weltfremd bezeichnet» werden, empört sich der Fernsehverband. Darum werde man jene Sender unterstützten, die sich juristisch gegen das Vorgehen des Bakom wehren wollen.
Seine Kritik stützt der Verband auf ein juristisches Gutachten von Urs Saxer und Patrizia Gratwohl der Zürcher Kanzlei Steinbrüchel Hüssy.
Die Bestimmungen, was als relevante Regionalinformation gelte und was nicht, führten dazu, dass die Redaktionen «bei der Wahl ihrer Themen nicht mehr völlig frei» seien. Darin sehen die Fachleute einen Eingriff in die Programmautonomie.
Dass die Privatsender der behördlichen Aufsicht skeptisch gegenüberstehen oder sie auch mal heftig kritisieren, ist nicht neu. Seit es das System mit Konzessionen und Leistungsaufträgen gibt, wird darüber gestritten, was sie beinhalten und wie sie kontrolliert werden sollen. Auch bei der letzten Anpassung war das nicht anders. Telesuisse zeigte schon damals Vorbehalte gegenüber der vom Bakom geplanten quantitativen Mindestvorgabe für die Regionalberichterstattung. Am Schluss sei aber «eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung» gefunden worden, hielt das Bakom fest. Wie wir jetzt wissen, war die Lösung doch nicht für alle zufriedenstellend. Einigkeit herrscht aber insofern, als dass Bakom und Telesuisse beide von einer gerichtlichen Überprüfung der strengeren Konzessionsbestimmungen ausgehen – wenn auch mit unterschiedlichen Erwartungen an den Ausgang.
Der Verband Schweizer Privatradios VSP will zuerst die Beurteilung des Bakom für ihre Sender analysieren und danach das Gespräch mit der Behörde suchen. Eine öffentliche Stellungnahme wie jene von Telesuisse sei nicht geplant, erklärt VSP-Präsident Jürg Bachmann auf Anfrage der MEDIENWOCHE.
Ueli Custer 26. Juni 2021, 10:36
Der Eingriff in die redaktionelle Freiheit ist ja bereits im Gesetz verankert. Ohne eine detaillierte Regelung auf Verordnungsstufe wird dieses Problem nie lösbar sein. Allerdings wäre eine solche Regelung zwangsläufig ebenfalls mit Eingriffen in die redaktionelle Freiheit verbunden. In der inzwischen von vielen technischen Zwängen (mangelnde Frequenzen) befreiten Medienlandschaft sollte man jetzt auch den Mut haben, diese gesetzlichen Zwangsjacken abzuschaffen. Bei den Verbreitungsgebieten ging das ja auch. Und zwar ohne sichtbare Auswirkungen.