von Nick Lüthi

Mehr Ausland, weniger Region: Berner Lokalsender auf Abwegen

Der regionale Service public ist in seiner heutigen Form ein Auslaufmodell. Besonders deutlich zeigen sich seine Defizite in Bern: Alle drei kommerziellen Sender mit einer Konzession tun sich schwer damit, die vereinbarte Informationsleistung zu erbringen.

Was die Medienforschung seit Jahren feststellt, zeigt auch ein Blick auf Facebook. Wer die Seite von «Tele Bärn» anschaut, erfährt neben den News aus der Region immer wieder allerhand aus aller Welt: Attacke vor McDonalds – nicht in Bern, sondern in Birmingham. Unwetter in Tschechien. Absturz von Heissluftballon in den USA. Nicht nur auf Facebook, auch im TV-Programm nehmen die Faits Divers aus dem Ausland inzwischen viel Platz ein. So stellte die regelmässig durchgeführte Programmanalyse 2018 «Tendenzen einer eher international ausgerichteten Berichterstattung» fest.

Das wäre kein Problem, wenn «Tele Bärn» sein Programm allein aus Werbung oder auf andere Weise mit privaten Mitteln finanzierte. Doch der Sender kassiert pro Jahr 3,4 Millionen Franken öffentliche Gelder aus der Haushaltsabgabe. Als Gegenleistung für die Subventionen verpflichtet sich der Sender, ein «tagesaktuelles regionales Fernsehprogramm» zu zeigen. So steht es in der Konzession und das war auch die Absicht des Gesetzgebers, als er entschieden hatte, mit den Empfangsgebühren nicht mehr allein die nationalen Programmen der SRG zu alimentieren. Auch regionale Sender sollen einen Service public leisten, der sich nicht allein aus dem Markt finanzieren lässt und für diesen Aufwand entschädigt werden.

Inzwischen bestehen berechtigte Zweifel, ob diese Erwartung noch vollumfänglich erfüllt werden. Im Fall von «Tele Bärn» zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass der Sender die in der Konzession geforderte Minimaldauer für die Regionalberichterstattung deutlich unterschritten hat. Anstatt der geforderten zweieinhalb Stunden regionaler Informationsleistung gab es nur rund eine Stunde.

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Letzte Woche eröffnete darum das Bundesamt für Kommunikation Bakom ein Aufsichtsverfahren, wie auch gegen «TV Ostschweiz». «Wir nehmen den Bescheid des Bakom zur Kenntnis», teilt CH-Media-Sprecher Stefan Heini auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit. In einem nächsten Schritt werde man zusammen mit dem Amt analysieren, «wo die Differenzen in der qualitativen Messung herrühren». Eine Erklärung für den verhältnismässig geringen Anteil der Regionalberichterstattung bei «Tele Bärn» liefern die Verantwortlichen aber nicht; nur ein vages Versprechen:

«Unser Ziel ist auch künftig, unseren Zuschauenden in allen Sendegebieten weiterhin adäquate Service-public-Regionalinformationsleistungen zu bieten.»

Auch gegen die beiden konzessionierten Privatradios in der Bundesstadt laufen amtliche Aufsichtsverfahren. Wie bei «Tele Bärn» stellte die Programmanalyse zuletzt fest, dass «Radio Bern 1» (auch CH Media) und «Energy Bern» (Ringier) deutlich weniger Regionalinformationen senden als vorgeschrieben. Überraschen kann das nicht wirklich. Neu ist aber, dass das Bakom nicht mehr länger auf Besserung durch Einsicht setzt, sondern die Schraube anzieht und die konzessionsrechtlichen Vorgaben auf dem Verfahrensweg durchsetzen will.

Seit 2012 stellt die Programmanalyse, auf die sich das Bakom auch für ihren aktuellen Entscheid stützt, Mal für Mal fest, dass die beiden Berner Radios auffällig wenig über die Region berichten.

So hielt etwa die Untersuchung aus dem Jahr 2018 fest, «dass gleich beide Stadtberner Veranstalter ihre Auslandberichterstattung markant hochgefahren haben.» Mit der Folge, dass Auslandthemen im Nachrichtenangebot von «Radio Bern 1» und «Energy Bern» einen mindestens gleich hohen Stellenwert haben wie Ereignisse im Konzessionsgebiet. Verpflichtet haben sie sich aber für ein «tagesaktuelles Radioprogramm, das vorwiegend über die relevanten lokalen und regionalen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge informiert.» Kommt dazu, dass die beiden Stadtberner Sender einen äusserst geringen Informationsanteil am Gesamtprogramm in der Prime Time aufweisen, verglichen mit den anderen konzessionierten Radios.

Auch wenn die vollständigen Zahlen der jüngsten Programmanalyse erst im Herbst vorliegen werden, dürften sie den langjährigen Trend bestätigen. Einen Hinweis in diese Richtung geben die bereits bekannten Zahlen zur Dauer der Regionalinformation. Sie liegen klar unter der geforderten halben Stunde pro Tag. «Radio Bern 1» liegt bei 20 Minuten und «Energy Bern» gar nur bei einer Viertelstunde. Wie bei «Tele Bärn» hat das Bakom aus diesem Grund auch hier ein Aufsichtsverfahren eröffnet.

Wie CH Media nicht erklärt, warum ihre Sender (zu) wenig aus der Region berichten, geht auch Energy-CEO Pascal Frei nicht auf diesen Punkt ein.

Stattdessen kritisiert er die Methode der Programmanalyse und insbesondere die geforderte Minimaldauer für relevante Regionalinformation. «Wir halten den Passus für diskussionswürdig, da er Quantität über Qualität stellt», teilt Frei auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Ausserdem bestünden unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die geforderte «Relevanz» der Informationsleistung zu messen und auszulegen sei. Die Konzession zurückzugeben, wie das in den letzten Jahren diverse Sender gemacht haben und seither keine publizistischen Leistungen mehr erbringen müssen, sei aber keine Option, heisst es bei Ringier und bei CH Media.

Insgesamt zeigt sich ein betrübliches Bild: Drei konzessionierte Privatsender in der Bundesstadt tun sich seit Jahren schwer damit, ihren Kernauftrag zu erfüllen. Das mag die bestehenden Zuschauerinnen und Zuhörer nicht weiter stören, alle drei Sender loben sich für ihre Erfolge beim Publikum. Aber letztlich geht es um gesetzliche Bestimmungen, die verletzt oder zumindest geritzt werden. Betrüblich ist die Situation aber vor allem mit Blick auf den regionalen Service public im schweizerischen Mediensystem. Hier klafft eine zu grosse Lücke zwischen jenen, die die Vorgaben erfüllen und den notorischen Underperformern, wie den Stadtberner Lokalmedien. Doch Abhilfe naht.

In drei Jahren laufen die geltenden Konzessionen aus. Zumindest im Radiobereich plant das Bundesamt für Kommunikation substanzielle Änderungen gegenüber dem Status Quo.

Dem Vernehmen nach soll es pro Konzessionsgebiet nur noch einen subventionierten Sender geben, der einen Leistungsauftrag für einen regionalen Service public erfüllen muss, so wie dies beim Regionalfernsehen bereits der Fall ist.

Das hiesse zum einen, dass nicht nur Sender aus wirtschaftlich schwächeren Regionen subventioniert würden («Bergradios»), sondern auch Sender im Mittelland oder im Grossraum Zürich. Zum anderen verschwände jene Sender-Kategorie, die heute zwar über eine Konzession verfügt, aber als Gegenleistung kein Geld, sondern einen garantierten Zugang zu den Sendernetzen erhält, wie das bei «Radio Bern 1» und «Energy Bern» der Fall ist. Diese Konzessionen mit Leistungsauftrag aber ohne Abgabenanteil stammen aus der Zeit knapper UKW-Frequenzen.

Wie die Programmanalyse zeigt, sind es mehrheitlich Sender aus dieser Kategorie, welche die geforderte Minimaldauer an regionaler Information nicht erbringen. Was umgekehrt heisst: Wer Geld kriegt, erfüllt die Anforderungen. Darauf kann ein künftiges System aufbauen. Umso mehr, wenn die Aufsichtsbehörde gewillt ist, konsequenter gegen Konzessionsverletzungen vorzugehen, wie sie das mit den aktuellen Verfahren vormacht.