von Karin Weinmann

«Wir müssen Wege finden, um unser Publikum besser zu verstehen»

Die grossen Schweizer Verlage und die SRG wollen weiterhin wissen, wofür sich ihr Publikum interessiert. Mithilfe von Cookies geht das bald nicht mehr. Darum setzen die Medien auf ein gemeinsames Login für ihre Websites. Ringier-Strategiechef Patrick Rademacher zum Stand der Dinge bei der Digital-Allianz.

MEDIENWOCHE:

Herr Rademacher, was bedeutet das Ende der Third Party Cookies für die Werbung in Online-Medien?

Patrick Rademacher:

Patrick Rademacher: In einem grossen Teil des Inventars können nach dem Wegfall der Third Party Cookies die Nutzerinnen und Nutzer nicht mehr individuell mit relevanter Werbung adressiert werden. Das ist die grösste Veränderung, die damit auf Medienunternehmen, journalistische Onlineangebote und deren Vermarkter zukommen wird. Konkret bedeutet das, dass zielgruppenspezifische Werbeinhalte wie Babynahrung oder spezifische Sportartikel wie Fussballschuhe allen Nutzern gezeigt werden. Das führt zu immensen Streuverlusten aus Sicht der Werbetreibenden und irrelevanter Werbung aus Sicht vieler Nutzerinnen und Nutzern.

MEDIENWOCHE:

Was heisst das für die Verlage?

Rademacher:

Für die Publisher heisst das, Wege zu finden, ihre Nutzerinnen und Nutzer besser zu verstehen, um ihnen zum Beispiel relevante Leseempfehlungen und passende Produkt- oder Serviceangebote zu unterbreiten.

Aus unserer Sicht sind First-Party-Daten auf Basis von Registrierungen der Schlüssel zum Erfolg.

Dies selbstverständlich in voller Transparenz gegenüber den Nutzern und unter Einhaltung der geltenden Datenschutzgesetzgebung.

Hintergrund zu Online-Werbung ohne Third Party Cookies

MEDIENWOCHE:

Was bringen Login-Lösungen?

Rademacher:

Mit Hilfe von Login-IDs kann der Wegfall von Cookies zumindest teilweise kompensiert werden. Das gilt auch für die Frage, wie oft ein Werbemittel einem Nutzer gezeigt wird. Über die Login-ID lässt sich verhindern, dass ein Nutzer mit einer bestimmten Werbung zugespamt wird. Ein wichtiges strategisches Ziel ist daher, den Anteil der individuell adressierbaren, also registrierten, Nutzerinnen und Nutzer zu erhöhen. Zudem entwickeln wir effiziente Werbeangebote, um auch Personen zu erreichen, die sich nicht registriert haben. Das kann zum Beispiel kontextbezogene Werbung sein, also Werbung, die zu einem bestimmten Inhalt passt.

MEDIENWOCHE:

Im März kündigte die Digital-Allianz an, dass nach Ringier auch die TX Group mit «20 Minuten» das gemeinsame Login verwendet. Welche die Bilanz ziehen Sie zwei Monate nach dem Start?

Rademacher:

Die Online-Medien von Ringier und Ringier Axel Springer Schweiz nutzen bereits seit drei Jahren das selbst entwickelte Login-System «Ringier-Connect». Seit März kommt diese Single-Sign-On-Lösung nun auch bei «20 Minuten» zum Einsatz, im Rahmen eines Pilotprojekts. Mit diesem Go Live sind wir sehr zufrieden. Auf der Nutzerseite findet das Login Anklang. Und technisch ist der Start wie geplant und völlig reibungslos verlaufen.

MEDIENWOCHE:

Wie geht es weiter?

Rademacher:

In Kürze wird Ringier Connect nun zu OneLog, und damit zur technologischen Infrastruktur der Schweizer Digital-Allianz. Diese werden wir in einem Joint Venture gemeinsam betreiben und weiterentwickeln. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Medienhäuser steigern können.

Gemeinsam bieten wir unseren Userinnen und Usern eine einfache Login-Lösung auf dem neusten Stand der Technik.

Dazu gehören etwa Features wie das Login mittels FaceID oder TouchID, also mit Gesichts- oder Fingerabdruckerkennung, oder die besonders sichere Zwei-Faktor-Authentifizierung. Und voraussichtlich im Laufe der nächsten Monate werden NZZ und CH-Media als Gründungsmitglieder der Schweizer Digital-Allianz als weitere Shareholder dazukommen und die SSO-Lösung auch für ihre Medienmarken nutzen.

MEDIENWOCHE:

Können die Medien der Digital-Allianz dank dem Login auch weiterhin personalisierte Werbung ausspielen?

Rademacher:

Die Schweizer Digital-Allianz hat zunächst einmal nichts mit personalisierter Werbung zu tun. Die Allianz wird im Joint Venture die technologische Infrastruktur des gemeinsamen Single Sign On betreiben und weiterentwickeln. Die Personalisierung von Inhalten und gegebenenfalls auch von Werbung findet nicht auf Ebene der Allianz statt, sondern unabhängig voneinander auf Ebene der einzelnen Unternehmen, beziehungsweise deren Vermarktern. Was aber stimmt: Durch eine höhere Anzahl an registrierten Nutzerinnen und Nutzern verbessert jedes Medienunternehmen für sich seine Basis an First Party Data. Und dies ist wiederum eine Grundlage, um sowohl journalistische Inhalte als auch Werbung zu personalisieren – und damit die Nutzer mit relevanten, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Inhalten bedienen zu können.

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MEDIENWOCHE:

Heisst das aus Nutzersicht, dass die Daten über die persönlichen Präferenzen bei einem einzelnen Medienunternehmen bleiben?

Rademacher:

Genau. Einzig die Registrierungsdaten gehen in das Joint Venture, damit das übergreifende Login ermöglicht werden kann. Ohne diese Daten wäre der Betrieb eines Single Sign On gar nicht möglich.

Es werden also nur die Login-Daten erhoben, welche wirklich benötigt werden. Die Verhaltens- und Nutzungsdaten hingegen bleibt beim einzelnen Medienunternehmen.

Welche Inhalte Sie auf «Blick.ch» aufrufen, erfahren die anderen Allianz-Partner nicht. Es gibt für diese Daten also keinen allianzübergreifenden Datentopf.

MEDIENWOCHE:

Wie überzeugen Sie die Nutzer vom Sinn einer Anmeldung?

Rademacher:

Mitte Oktober 2019 hat die Schweizer Digital-Allianz eine Login-Kampagne gestartet, deren Fokus auf Freiwilligkeit lag. In dieser ersten Phase ging es darum, den Nutzerinnen und Nutzern aufzuzeigen, dass ihnen der Login einerseits einen Mehrwert bietet, andererseits aber auch zu erklären, dass journalistische Angebote von Schweizer Medienunternehmen nur dann eine Zukunft haben, wenn sie solide finanziert sind – und damit auch wettbewerbsfähig aufgestellt gegenüber den grossen US-Plattformen. Das gemeinsame Ziel der Allianz-Partner bleibt, dass unsere Nutzerinnen und Nutzer eingeloggt sind. Zahlreiche digitale Angebote mit einer hervorragenden und von den Userinnen und Usern geschätzten Nutzerfreundlichkeit – wie etwa Netflix, Instagram oder Spotify – haben eine Registrierung als Zugangsvoraussetzung. Die Nutzerfreundlichkeit basiert überwiegend auf dem Login. Und es ist für die Userinnen und User völlig selbstverständlich, sich dort einzuloggen. Genau das möchten wir mit der Schweizer Digital-Allianz auch für Schweizer Medientitel erreichen: Bessere Produkte für die Nutzerinnen und Nutzer, wie auch für den Werbemarkt – selbstverständlich alles entlang der geltenden Datenschutzgesetzgebung.

MEDIENWOCHE:

Bislang ist das Login freiwillig. Rechnen sie mit einem Traffic-Einbruch, wenn es zum Zwang wird?

Rademacher:

Dazu gibt es bereits positive Erfahrungen der der portugiesischen Medienindustrie-Allianz «Nonio». Hier wurde ein verpflichtendes Login eingeführt – ohne signifikanten Traffic-Verlust und ohne Einbruch der Werbeeinnahmen.

MEDIENWOCHE:

Welchen Mehrwert bieten die Schweizer Medienunternehmen dem Schweizer Werbemarkt gegenüber den Giganten Facebook und Google?

Rademacher:

Durch eine höhere Anzahl an registrierten Nutzerinnen und Nutzern verbessert jedes Medienunternehmen für sich seine Basis an First Party Data. Und dies ist wiederum eine Grundlage, um sowohl journalistische Inhalte als auch Werbung zu personalisieren – und damit die Nutzerinnen und Nutzer mit relevanten, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Inhalte und Nutzungserlebnisse bedienen zu können. Das Inventar von Ringier Advertising umfasst ein breites Portfolio an digitalen Angeboten und Printpublikationen der Ringier AG und Ringier Axel Springer Schweiz AG sowie einigen Drittpublikationen. Wir bieten damit eine Vielzahl an qualitativ hochwertigen und vertrauenswürdigen Umfeldern, Stichwort «Brand Safety», eine sehr hohe nachhaltige Reichweite in allen Landesteilen der Schweiz sowie innovative und hochperformante Werbemöglichkeiten.