von Nick Lüthi

Lokalradios stärken, Medienvielfalt sichern

Künftig sollen auch kommerzielle Lokalradios in den grossen Ballungsräumen der Schweiz Geld aus der Medienabgabe erhalten. Die geplante Neuerung könnte das heute eher magere journalistische Angebot und damit auch die schwindende Medienvielfalt in den Regionen stärken – wenn die richtigen Radios das Geld erhalten.

Die Prognose ist nicht allzu gewagt. Selbst wenn die millionenschwere Medienförderung die Referendumsabstimmung überstehen sollte, dürfte sich an der allgemeinen Tendenz zu Abbau und Konzentration nichts ändern. Die Wirkung droht zu verpuffen, weil die Subventionen nicht gezielt den Journalismus stärken, sondern in den maroden Strukturen des Zeitungswesens zu versanden drohen. Unter diesen Vorzeichen gewinnt ein bisher wenig beachteter Schauplatz an Bedeutung.

Während eine direkte Medienförderung von Zeitungs- und Onlineredaktionen politisch nicht opportun erscheint, ist sie bei Lokalradio und Regionalfernsehen längst etabliert und weitgehend unbestritten: Ausgewählte Sender erhalten Geld, um einen Service-public-Auftrag zu erfüllen. Eine geplante geografische Ausweitung der Förderung bietet nun die Möglichkeit, den Lokaljournalismus zu stärken und dort für Vielfalt zu sorgen, wo die Zeitungsverlage ihr Angebot abbauen.

Der Bundesrat nimmt das Ende der UKW-Verbreitung und die auslaufenden Konzessionen der Lokalradios zum Anlass, um per 2025 ein paar Stellschrauben zu justieren. Dazu hat er jüngst eine Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung in die Vernehmlassung gegeben mit Vorschlägen für eine neue Parzellierung der Radiolandschaft.

Heute gibt es Gebührengeld als Gegenleistung für einen regionalen Service public nur für Sender in wirtschaftlich schwächeren Gegenden.

Als grösste Änderung will der Bundesrat künftig auch private Radiounternehmen in urbanen Ballungsräumen finanziell aus der Medienabgabe unterstützen. Heute gibt es Gebührengeld als Gegenleistung für einen regionalen Service public nur für Sender in wirtschaftlich schwächeren Gegenden des Landes, etwa im Berner Oberland, im Jura oder in Graubünden.

In den Städten müssen die konzessionierten Privatradios zwar auch einen Service-public-Auftrag erfüllen, erhalten aber kein Geld dafür, sondern den garantierten Zugang zu einer UKW-Frequenz. Das galt bisher als «geldwertes behördliches Privileg» (Bakom), weil die UKW-Frequenzen ein knappes und begehrtes Gut waren. Mit DAB+ Digitalradio gibt es genügend Sendekapazitäten für alle, die ihr Programm über die Luft verbreiten wollen. Unter den neuen technologischen Voraussetzungen ergibt daher die bisherige Kategorie der Sender mit einer Konzession und einer UKW-Garantie, aber ohne Gebührenanteil, keinen Sinn mehr. Neu soll es für alle Konzessionsinhaber Geld geben.

Es stellt sich die Frage: Was kriegt die Bevölkerung dafür und wer erhält das Geld zu welchen Bedingungen?

Demnach sollen künftig 20 Radios statt bisher 12 einen Anteil aus der Medienabgabe erhalten. Um wie viel Geld es sich pro Sender handelt, wird erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. Heute kassieren die lokalen Gebührenradios zwischen 1,2 und 3,4 Millionen Franken pro Jahr.

Wenn Geld verteilt werden soll, das alle Haushalte zu zahlen verpflichtet sind, stellt sich die Frage: Was kriegt die Bevölkerung dafür und wer erhält das Geld zu welchen Bedingungen? Die Antwort darauf gibt es erst in ein paar Jahren.

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Schon heute sehen wir aber: In sechs der acht Regionen, wo künftig Fördergelder fliessen sollen, senden heute CH-Media-Lokalradios. Das sind in Zürich «Radio 24», in Bern «Radio Bern 1», in Solothurn «Radio 32», im Aargau «Radio Argovia», in der Zentralschweiz «Radio Pilatus» und in der Ostschweiz FM 1. Ringier wiederum betreibt in Bern, Basel und Zürich je einen Ableger seines «Radio Energy».

Es liegt damit auf der Hand, dass die beiden Medienunternehmen ein Interesse haben könnten, sich um die neuen Konzessionen und den damit verbundenen Geldsegen zu bewerben.

Es sei zu früh, sich dazu zu äussern, heisst es bei CH Media und Ringier. Man befinde sich «noch im Evaluationsprozess», teilt CH-Media-Sprecher Stefan Heini mit. Bei den Energy-Sendern von Ringier verweist eine Sprecherin auf die anstehende Mitgliederversammlung des Verbands Schweizer Privatradios VSP vom 24. September 2021. Dort werde man sich «dazu austauschen und eine Position formulieren».

Radiosender, die heute schon Gebührengeld erhalten, bieten in der Regel das bessere publizistische Angebot im Sinne eines lokalen Service public.

Mit ihren aktuellen publizistischen Leistungen würden die Sender von CH Media und Ringier allerdings kaum in die Kränze einer künftigen Konzession kommen. Aktuell müssen sich fünf Sender der beiden Medienunternehmen (zwei von CH Media, alle drei Energy-Sender von Ringier) einem Aufsichtsverfahren stellen, weil sie zu wenig Regionalinformationen gesendet haben. Das Bundesamt für Kommunikation Bakom stützt sich dabei auf regelmässig durchgeführte Programmanalysen. Diese zeigten wiederholt, dass zahlreiche Lokalradios die geforderte Mindestdauer an lokalen Informationsleistungen nicht erbringen. Gleichzeitig zeigen die Studien auch, dass die Sender, die schon heute Gebührengeld erhalten, in der Regel das bessere Angebot liefern im Sinne eines lokalen Service public.

Welche Radios dereinst – hoffentlich – hochstehenderen Lokaljournalismus bieten, entscheidet ein Kriterienwettbewerb. Die neuen Konzessionen werden voraussichtlich 2023 ausgeschrieben, schreibt das Bundesamt für Kommunikation.

Mit Blick auf die gesamte Medienlandschaft kommt diesem Auswahlprozess eine grössere Bedeutung zu, als nur ein paar neue Konzessionen für Lokalradios zu verteilen. Es geht auch darum, eine publizistische Vielfalt zu erhalten und einen Wettbewerb zu ermöglichen mit den anderen Anbietern lokaler und regionaler Informationen.

Man kann die geplante Neuordnung der Radiolandschaft auch als Einladung zum Angriff auf die lahmen Platzhirsche verstehen.

Damit sich bei der Konzessionsvergabe jene Radios mit dem besten Service-public-Angebot durchsetzen, braucht es Bewerber, die willens und fähig sind, einen Informationsjournalismus zu bieten, der diesen Namen verdient. In dem Sinn kann man die geplante Neuordnung der Radiolandschaft auch als Einladung zum Angriff auf die lahmen Platzhirsche verstehen. Aber auch wer leer ausgeht, kann weitersenden – einfach ohne finanzielle Unterstützung. Das Geld, das wir alle zahlen, sollte für eine bessere Medienqualität sorgen, als wir sie heute kriegen.