von Nick Lüthi

25 Jahre SRF Musikwelle: ein Stück heile (Medien-)Welt

Bei Schweizer Radio und Fernsehen SRF bleibt mancherorts kein Stein auf dem anderen. Unbeirrt und unverändert sendet derweil die «SRF Musikwelle» ihren eigenwilligen Mix aus deutschsprachiger Unterhaltungsmusik, moderiert und redaktionell begleitet von einem kleinen und kompetenten Team.

Wenn auf den «Stadtrat-Max-Koller-Marsch», intoniert von der Polizeimusik der Stadt Zürich, bald ein Canzone von Giorgio Conte folgt und darauf die Wildecker Herzbuben eine Schnulze anstimmen, dann hören wir die «SRF Musikwelle».

Klar: Wer Schlager, Blasmusik oder auch Ländler und Jodel nicht mag, macht einen Bogen um dieses Programm, ja kennt es vermutlich nicht einmal. Umgekehrt gilt natürlich, dass genau diese Genres das Publikum definieren. Und das zählt gemäss der aktuellen Messung täglich immerhin über 300’000 Hörerinnen und Hörer. Damit rangiert die «SRF Musikwelle» hinter SRF 1 und 3 als drittstärkstes Vollprogramm von Schweizer Radio, weit vor dem News-, Kultur- und Jugend-Kanal. Bei der Gründung 1996 rechnete das damalige Radio DRS mit einem Potenzial von vier Prozent Marktanteil, heute sind es fast acht.

Die «Musikwelle» ist ein Gärtlein, das sich über die Jahre in Form und Gestalt wenig verändert hat.

«Diese Entwicklung macht uns natürlich stolz», sagt Programmleiter Bernhard Siegmann im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. «Umso mehr, weil wir das auch ohne UKW-Frequenz geschafft haben.» Siegmann leitet seit elf Jahren die Musikwelle, die der altgediente Radiomann und Hobbygärtner ein «wunderbares eigenes Gärtlein» nennt. Ein Gärtlein, das sich über die Jahre in Form und Gestalt wenig verändert hat. «Wir sind eine kleine Truppe, etwas über 20 Leute. Es gibt kaum Wechsel und wir haben eine super Stimmung.»

Als die «Musikwelle» am 1. Oktober 1996 erstmals auf Sendung ging, hiess sie noch «Musigwälle 531», benannt nach der Mittelwelle-Frequenz, auf der man das neue Programm empfangen konnte. Anfänglich handelte es sich lediglich um eine im Musikbereich modifizierte Variation des Programms von Radio DRS 1. Die «Musigwälle» solle vor allem diejenigen Hörerinnen und Hörer erreichen, denen die Musik auf DRS 1 zu modern klinge und die sich lieber an der traditionellen Unterhaltungs- und Volksmusik erfreuten. Informationssendungen wie die Nachrichten, «Echo der Zeit» oder «Rendez-vous am Mittag» musste die Musikwelle übernehmen. Auch untersagte der Bundesrat eine zusätzliche programmliche Tätigkeit oder eine Entwicklung in Richtung eines volkstümlichen Spartenradios.

«Wir sind kein Spartensender und wollen das auch gar nicht sein.»
Bernhard Siegmann, Programmleiter SRF Musikwelle

Den Grundstein zur heutigen Programmstruktur und damit auch zum anhaltenden Publikumserfolg legte Radio DRS allerdings erst 2007. Anlässlich der anstehenden Abschaltung des Landessenders Beromünster und dem Ende der Mittelwellenverbreitung setzte das Schweizer Radio zu einer grösseren Reform an: Die volkstümliche Musik sollte von DRS 1 auf die Musikwelle verschoben und diese über DAB-Digitalradio ausgestrahlt werden. Ausserdem baute Radios DRS die Musikwelle zu einem «Vollprogramm für Volksmusik und Volkskultur» aus und stockte entsprechend auch das Personal auf.

«Wir sind kein Spartensender und wollen das auch gar nicht sein», betont Programmleiter Bernhard Siegmann. «Die ‹Musikwelle› bietet einen breiten musikalischen Mix und der kommt gut an.» Die verbindende Klammer sei die Deutsche Sprache, wobei es auch mal ABBA oder französisches Chanson zu hören gibt.

Aber auch so geniessen Volksmusik und Volkskultur eine starke Stellung im redaktionellen Angebot der «Musikwelle». Neben zahlreichen Sendungen zum Thema, etwa der täglichen «Fiirabigmusig», produziert und überträgt der Sender regelmässig Live-Veranstaltungen aus dieser Sparte. Ein Engagement, das die Szene zu schätzen weiss. «Wir dürfen dankbar sein, dass die so viel machen», sagt Stefan Schwarz, Kommunikationschef des Verbands Schweizer Volksmusik. Längst vergessen ist die Zeit, als man den neuen Sender verschmähte und die volkstümliche Musik lieber weiterhin auf DRS 1 und via UKW gehört hätte. Heute pflege man enge Kontakte. «Wir haben einen guten Draht zur ‹Musikwelle› und sind mit den Leuten per Du», sagt Stefan Schwarz. Das rührt auch daher, dass Verband und Sender regelmässig zusammenarbeiten, etwa beim jährlichen Nachwuchswettbewerb oder dem Eidgenössischen Volksmusikfest, das alle vier Jahre stattfindet. Ausserdem geniesst die «Musikwelle» eine grosse Glaubwürdigkeit, weil ein Teil des Personals in der Szene verankert ist, etwa die Moderatoren Sämi Studer und Dani Häusler; der eine ist Jodler, der andere volkstümlicher Klarinettist.

«Sehr wichtig ist unser Publikum. Bei den Wunschkonzerten merken wir sofort, was gut ankommt.»
Bernhard Siegmann

Genauso gut verankert ist der Sender in der Schlagerwelt. So arbeitet Sänger Leonard als Moderator bei der «Musikwelle» und sorgt damit für Glaubwürdigkeit und Kompetenz zu diesem Genre. «Sehr wichtig ist unser Publikum», betont Programmleiter Siegmann. «Bei den Wunschkonzerten merken wir sofort, was gut ankommt.» So habe man schnell auf den Helene-Fischer-Boom regieren können, obwohl der Überhit «Atemlos durch die Nacht» stilistisch nicht wirklich dem musikalischen Profil des Senders entspreche.

Überhaupt lebt die Musikwelle stark vom Austausch mit dem Publikum. So bot der Sender anlässlich seines 25. Geburtstags den Hörerinnen und Hörern an, sich für eine Gastmoderation zu bewerben. «Weit über hundert Leute haben sich gemeldet, vier davon kommen jetzt zu uns ins Studio und bestreiten einen Nachmittag lang eine Sendung an unserer Seite», erklärt Bernhard Siegmann. Der älteste Gastmoderator ist 55-jährig und liegt damit deutlich unter dem Altersdurchschnitt der Musikwelle-Zuhörerinnen und -Zuhörer; der liegt bei 70 plus.

Andere Programmleiter würden sehr nervös ob dieses hohen Werts und sie hätten längst radikale Massnahmen ergriffen (oder ergreifen müssen), um jüngere Menschen zu erreichen. Nicht so Siegmann. Der Erfolg gibt ihm recht, schliesslich wächst das Publikum. Diese Konstanz wird geschätzt. «Never change a winning team», antwortet Stefan Schwarz vom Verband Schweizer Volksmusik auf die Frage, welche Neuerungen er sich von der Musikwelle für die Zukunft wünsche.

In Zukunft wird (und muss) die «Musikwelle» vermehrt Inhalte liefern für die verschiedenen digitalen Plattformen.

Auch die «SRF Musikwelle» muss sparen. «Unser Team war aber schon immer schlank», sagt Programmleiter Siegmann. Ausserdem arbeite man schon heute eng mit den Volksmusiksendungen des Schweizer Fernsehens zusammen. Die Kooperation mit anderen SRF-Abteilungen wird noch intensiver, wenn die «Musikwelle» zusammen mit allen Radioprogrammen im Sommer 2022 in ein neues Studio, die sogenannte Radio Hall, an den Standort Leutschenbach umziehen wird.

In Zukunft wird (und muss) die «Musikwelle» vermehrt Inhalte liefern für die verschiedenen digitalen Plattformen, etwa die Facebook-Seite SRF Volksmusik. Das geschieht bereits jetzt. Anfang September gastierte der Sender im Rahmen seiner «Dorfplatz»-Reihe eine Woche lang in im Berner Seeland. Dabei entstanden neben den Live-Produktionen fürs Radioprogramm auch zahlreiche Videobeiträge. Musik spielt in diesen kurzen Reportagen keine Rolle. Auch wer nichts mit Ländler und Jodel am Hut hat, mag sich für das in seinem Originalzustand erhaltene Atelier des Kunstmalers Albert Anker interessieren. Oder für das Gefängnis Witzwil als grösster Landwirtschaftsbetrieb der Schweiz.

Hier zeigt sich ein Potenzial der «Musikwelle», das über das musikaffine Kernpublikum hinausreicht. «Unsere Stärke bestand schon immer darin, dass wir keine Nische bedienen, sondern ein breites Spektrum abdecken wollen», sagt Programmleiter Bernhard Siegmann. Da gilt umso mehr für die digitale Gegenwart und Zukunft.