von Nick Lüthi

Richtigstellungen: Das VBS im Korrekturmodus

Finden die Eidgenössischen Departemente Fehler in Medienberichten, folgt in manchen Fällen eine öffentliche Richtigstellung. In letzter Zeit fiel besonders das VBS mit dieser Praxis auf und sorgt damit für Irritation bei Medien und Politik.

Sie heissen «Faktencheck», «Auf den Punkt gebracht», «Richtig- und Klarstellungen» oder einfach nur «Stellungnahmen zu Medienartikeln». In diesen Rubriken nehmen die Departemente des Bundes auf ihren Websites Stellung zu Medienberichten. Sie tun das, um «faktuell falsche Aussagen» richtigzustellen, wie Isabelle Rösch, stellvertretende Leiterin Kommunikation EFD, auf Anfrage der MEDIENWOCHE erklärt. Die Dimension und Tragweite der Fehlinformation müsse hoch sein, damit sie einen «Faktencheck» veröffentlichten. Das Finanzdepartement orientiere sich dabei an klaren Kriterien und Handlungsrichtlinien, die auch besagen, dass «nur juristisch einwandfreie und verifizierte Interventionen» verwendet werden. Die kritisierten Medienschaffenden würden vorab informiert.

Im laufenden Jahr veröffentlichte das EFD drei solche «Faktenchecks». Einmal ging es darum, dass Ueli Maurer, anders als von der «Weltwoche» behauptet, kein Geheimnis aus seinem Impfstatus gemacht hat. Das zweite Mal schrieb die WOZ, Maurer wolle die Verrechnungssteuer «ersatzlos abschaffen» – was so nicht zutrifft, weil die Steuer nur in Teilen abgeschafft werden soll. Im dritten «Faktencheck» im laufenden Jahr monierte das Finanzdepartement eine nicht in allen Teilen korrekte Aussage eines ehemaligen Politikers in einem Artikel der «Sonntagszeitung».

Die Mehrheit der Eidgenössischen Departemente veröffentlicht nur selten Richtigstellungen. Das VBS ist aktuell eine Ausnahme.

Andere Departemente sind zurückhaltender und würden in Fällen, wo das EFD bereits interveniert, nicht öffentlich Stellung nehmen. «Wir tun das nur sehr spärlich und in Extremsituationen», sagt Peter Lauener, Kommunikationschef EDI, gegenüber der MEDIENWOCHE. Ein einziges Mal habe er bisher eine Richtigstellung veröffentlicht. Damit reagierte das EDI im vergangenen Frühjahr auf die Behauptung des «Tages-Anzeigers», wonach der Bund keine eigene Impfstoffproduktion wollte, obwohl «die Schweiz die Versorgung mit Vakzinen in die eigenen Hände» hätte nehmen können. Das Innendepartement handelte erst, nachdem zahlreiche weitere Medien die Falschinformation übernommen und auf deren Grundlage die Geschichte weitergetrieben hatten.

Ähnlich zurückhaltend mit öffentlichen Richtigstellungen von Medienberichten agieren auch andere Departemente. Auf der Website des Uvek finden sich in der Rubrik «Stellungnahmen zu Medienartikeln» gerade mal zwei Einträge aus den letzten fünf Jahren, beide aus der Amtszeit von Bundesrätin Doris Leuthard. Ihre Nachfolgerin Simonetta Sommaruga «verzichtet in der Regel darauf, mit Stellungnahmen auf Medienberichte zu reagieren», erklärt Uvek-Kommunikationschefin Annetta Bundi.

Ganz anders sieht es beim Verteidigungsdepartement VBS aus. Unter «Richtig- und Klarstellungen» finden sich aus dem laufenden Jahr bereits elf Einträge, so viele wie bei keinem anderen Departement. Und auch für VBS-Verhältnisse sind es mehr als sonst. In den Vorjahren waren es jeweils zwischen drei und sechs Richtigstellungen. Das Departement führt die Rubrik seit 2006. Der Grund für den Anstieg liegt im laufenden Prozess für die Beschaffung eines neuen Militärflugzeugs. Sechs der elf Interventionen der VBS-Kommunikation betreffen Berichte zu diesem Geschäft. In den letzten Wochen veröffentlichte das VBS Stellungnahmen zu Berichten von «Radio SRF» und CH Media, die sich mit den Kosten des F-35-Kampfjets befassen.

«Ich verurteile diese Richtig- und Klarstellungen nicht per se. Zuweilen gehen sie aber zu weit.»
Doris Kleck, Co-Ressortleiterin Inland CH-Media-Zentralredaktion

Der Artikel in den CH-Media-Zeitungen zitierte den in Rüstungsfragen kompetenten US-Senator Tim Kaine mit der Aussage, dass der Schweiz günstigere Angebote vorgelegen hätten als jenes für den US-Flieger F-35. Ins gleiche Horn stösst SP-Nationalrätin Franziska Roth, die unter anderem mit der Frage zitiert wird, «ob der Bundesrat die Schweizer Bevölkerung angelogen und das Beschaffungsrecht verletzt hat, als er behauptete, beim F-35 habe es sich um das günstigste Angebot gehandelt». Im gleichen Artikel halten die beiden Autoren aber auch fest, dass gemäss Bundesrat das amerikanische Flugzeug in der Evaluation «am besten abgeschnitten» habe und das zuständige Bundesamt für Rüstung Armasuisse festhalte, dass der F-35 den «höchsten Gesamtnutzen» und die «tiefsten Gesamtkosten» aufweise. Trotzdem sah sich die Kommunikation VBS veranlasst, im Namen von Armasuisse eine Richtigstellung zu veröffentlichen und die Aussagen von Kaine und Roth als falsch zu taxieren. Roth wirft das VBS zudem vor, sie stelle «die Integrität des Bundesrates in Frage».

Bei der für den Artikel verantwortlichen Redaktion sieht man sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. «Wir sind der falsche Adressat für die Richtigstellung», hält Doris Kleck, Co-Ressortleiterin Inland CH-Media-Zentralredaktion, auf Anfrage der MEDIENWOCHE fest. Und ergänzt: «Ich verurteile diese Richtig- und Klarstellungen nicht per se. Zuweilen gehen sie aber zu weit.» Im vorliegenden Fall stellte das VBS Zitate von zwei Politikern richtig. «Wir haben die Position des VBS korrekt im Artikel wiedergeben», betont Doris Kleck.

Wie bei CH Media zeigt man sich auch bei Radio SRF etwas befremdet ob der aktuellen Praxis der VBS-Kommunikation. Auch beim Radio sind es Berichte zu den Kosten des F-35, die das Verteidigungsdepartement umgehend in den Korrekturmodus schalten lassen. So auch letzte Woche als Radio SRF eine Rechnung anstellte mit offiziellen Zahlen aus dem Beschaffungsprozess. Deren Ergebnis wirft die Frage auf, ob der US-Jet tatsächlich die billigste Variante sei. Das VBS spricht diesem Vorgehen wortreich die Legitimität ab und stellt schliesslich fest, der Artikel baue «auf vielen Behauptungen» auf. Dass SRF die offizielle Haltung des VBS angemessen darstellt, bleibt in der Richtigstellung unerwähnt.

«Ob die langen ‹Klarstellungslisten› von einzelnen Departementen der richtige Weg ist, sei dahingestellt.»
Lis Borner, Chefredaktorin Radio SRF

«Wir wussten schon vor der Publikation der Kampfjet-Recherche, dass das VBS die Fakten anders interpretiert als wir. Wir sind aber der Überzeugung, dass unsere Recherche und die Schlussfolgerungen korrekt sind», schreibt Lis Borner auf Anfrage. Die Chefredaktorin von Radio SRF hat grundsätzlich nichts gegen solche Richtigstellungen einzuwenden. «Wir sind immer wieder mit Personen, Gruppierungen, Institutionen konfrontiert, die mit unserer Berichterstattung nicht einverstanden sind. Es ist deren gutes Recht, dies auch öffentlich kundzutun», so Borner weiter. Und ergänzt: «Ob die langen ‹Klarstellungslisten› von einzelnen Departementen der richtige Weg ist, sei dahingestellt.»

Dass die Häufung der Richtung- und Klarstellungen auch damit zu tun haben könnte, dass es die VBS-Kommunikation vielleicht nicht immer schafft, die Fakten verständlich und nachvollziehbar zu vermitteln, streiten die Verantwortlichen ab. «Die Frequenz der Publikationen liegt darin begründet, wie häufig Medien eine falsche Behauptung oder einseitige Darstellung publizieren», erklärt Lorenz Frischknecht, stellvertretender Chef Kommunikation VBS. Wann und wie das zu erfolgen hat, steht in den «Richtlinien für Richtig- und Klarstellungen».

Als zentrale Voraussetzung hält das fünfseitige Dokument fest, dass nur Fakten richtig- oder klargestellt werden können, nicht aber Wertungen oder Meinungen. Doch auch das lässt einen grossen Spielraum, wie auch der Blick auf die wesentlich geringere Publikationsfrequenz von Richtigstellungen in anderen Departementen zeigt. Mit der laufenden Kampfjetbeschaffung steht ein politisch umstrittenes Top-Projekt des VBS im Rampenlicht der Medien. Unter diesen Vorzeichen erstaunt es nicht, wenn die VBS-Kommunikation die Berichterstattung mit Argusaugen verfolgt und schnell reagiert. Warum und für wen sie das tut, erklärt Lorenz Frischknecht so: «Die Richtig- und Klarstellungen richten sich zunächst direkt an die Medien, die eine falsche Behauptung oder eine einseitige Darstellung publiziert haben, damit sie ihre Berichterstattung korrigieren und bei einer weiteren Bearbeitung des Themas den Sachverhalt korrekt darstellen können.» Im Fall der beiden letzten Richtigstellungen haben die betroffenen Redaktionen reagiert. Radio SRF verlinkte die Stellungnahme unter dem Artikel, schreibt aber gleichzeitig, an der eigenen Darstellung festzuhalten. Die CH-Media-Zeitungen veröffentlichten einen kurzen Nachzieher mit dem Verweis auf die Richtigstellung.

Um die Kritik des VBS nachvollziehbar zu machen, musste die Redaktion allerdings die Aussagen von US-Senator Kaine und SP-Nationalrätin Roth wiederholen. Ob das im Sinne des VBS ist, darf bezweifelt werden. Schliesslich lautet eine Handlungsempfehlung in den VBS-Richtlinien zu den Richtigstellungen: «Die falschen Fakten nicht ausführlich wiederholen.» Auf der eigenen Website befolgt die VBS-Kommunikation diese Empfehlung äusserst strikt. So verlinken sie nicht auf die kritisieren Beiträge. Das beruhe auf Gegenseitigkeit, gibt VBS-Sprecher Frischknecht zu bedenken: «Auch die Medien verlinken nicht immer auf unsere Klarstellungen.» Aber auch sonst hält sich das VBS zurück. Nicht einmal die Titel der monierten Artikel werden in jedem Fall genannt und in den beiden oben erwähnten Beiträgen von Radio SRF und CH Media verzichtet das VBS zudem darauf, konkrete Passagen daraus zu zitieren. In anderen Fällen machen sie das, doch immer sehr zurückhaltend.

«Die Öffentlichkeitswirkung wird in der Bundesverwaltung enorm hoch gewichtet, der Druck, immer gut abzuschneiden, ist immens.»
Mark Balsiger, Spezialist für Krisenkommunikation

Ein Vorgehen, das Mark Balsiger irritiert. «Ohne direkten Zugriff auf den kritisierten Beitrag verpufft ein Teil der Richtigstellung. Wer kritisiert, muss den Stein des Anstosses mitliefern, das schafft Vertrauen», sagt der Spezialist für Krisenkommunikation im Gespräch mit der MEDIENWOCHE. Balsiger erklärt sich das Vorgehen des VBS damit, dass die Richtigstellungen nicht primär an die Medienöffentlichkeit gerichtet seien, sondern an interne Schlüsselstellen, um zu signalisieren: Wir tun etwas, damit euer Ärger sich wieder abbaut. Das erkläre auch, warum die Stellungnahmen nicht besonders publikumsfreundlich aufbereitet sind und zum Teil sehr technisch daherkommen.

Öffentliche Richtigstellungen taxiert er aber grundsätzlich als gutes Instrument, zumal auch die Fehlleistungen der Medien zugenommen hätten. Grundsätzlich deutet er sie als Zeichen eines Kulturwandels: «Die Öffentlichkeitswirkung wird in der Bundesverwaltung enorm hoch gewichtet, der Druck, immer gut abzuschneiden, ist immens.» Die Latte für eine Intervention sollte aber dennoch hoch gelegt werden, findet Balsiger. Also lieber weniger als mehr und nur im Ausnahmefall, so wie das andere Departemente handhaben. Oder, ergänzt Balsiger, zum Telefon greifen und sich mit dem Journalisten für ein Gespräch treffen. «Aber erst, wenn die Emotionen weg sind.»