The Good, The Bad & The Ugly LXII
Ständerat, Syndicom, Nebelspalter
The Good – Wichtiger Schritt zu mehr Transparenz
Am Mittwoch die grosse Erlösung: Der Ständerat hat die Vorlage zur Gebührenbefreiung im Öffentlichkeitsgesetz angenommen. Mehr als 600 Medienschaffende, darunter 50 Chefredaktor:innen, haben sich in einem offenen Brief ans Parlament dafür eingesetzt. Dass sich der Ständerat nun mit 25 gegen 18 Stimmen für einen gebührenlosen Zugang zu Dokumenten der Bundesverwaltung ausspricht, ist eine Überraschung: Schon zweimal hatte die Staatspolitische Kommission des Ständerates empfohlen, nicht einzutreten auf eine parlamentarische Initiative, welche die Gebührenbefreiung forderte. Der Ständerat folgte der Empfehlung zuerst – nun hat er sich doch noch anders entschieden.
Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch, sagt auf Anfrage der MEDIENWOCHE, für die Bundesverwaltung sei der Entscheid des Ständerats auch eine Chance: «Sie kann ihr Handeln gegenüber der Öffentlichkeit glaubhaft und gestützt auf Fakten darlegen. Aber nur ein gebührenfreier Zugang ermöglicht es Medien, ihre Watchdog-Rolle gegenüber der Verwaltung wahrzunehmen». Der Entscheid betrifft nur Dokumente aus der Bundesverwaltung. Aber auch aus den Kantonen gibt es Signale in Richtung Gebührenbefreiung. Im Kanton Zürich ist etwas eine parlamentarische Initiative «Weniger Hürden beim Öffentlichkeitsprinzip» hängig. Bereits einen kostenlosen Zugang gibt es im Kanton Freiburg, und in den Kantonen Genf und Uri herrscht eine «liberale Kostenregelung», ist in einer Zusammenstellung auf Öffentlichkeitsgesetz.ch nachzulesen.
The Bad – Wo bleibt die Solidarität?
Die Mediengewerkschaft Syndicom schlitterte letztes Wochenende offenbar knapp an einer Eskalation vorbei, wie die WOZ berichtet. Eine vorläufige Einigung konnte den Eklat verhindern. Der Sektor Medien, in dem Journalist:innen organisiert sind, soll nun doch nicht existenzbedrohlich geschwächt werden. Auch sieht Syndicom vorerst von einer strategischen Neuausrichtung der Abteilung ab. Auch will die Gewerkschaft ihre Medienschaffenden nicht dazu drängen, endlich einen Gesamtarbeitsvertrag mit den Verlegern abzuschliessen, um so mehr Geld in die Syndicom-Kasse zu schaffen. Aber damit der Sektor Medien eine sichere Zukunft hat, braucht es grosse Anstrengungen. Der Syndicom-Zentralvorstand überstimmte den Sektor zuerst, daraufhin stimmten die Medienschaffenden geschlossen und ohne Enthaltung gegen den Antrag und drohten, aus der Gewerkschaft auszutreten. Nun will man bis zur Delegiertenversammlung 2023 eine einvernehmliche Lösung finden für eine gemeinsame Zukunft aller Syndicom-Sektoren. Fest steht aber: Dass sich ein ganzer Sektor mit Austrittsdrohungen gegen seine Schwächung wehren muss, zeugt von mangelnder interner Solidarität. Bei Syndicom will man aber auch das Positive sehen. Vizepräsidentin Stephanie Vonarburg schreibt auf Anfrage der MEDIENWOCHE: «Der Entscheid des Kongresses, auf die Anliegen des Sektors Medien und seiner 30 Delegierten einzugehen, ist sehr erfreulich. Es unterstreicht die innergewerkschaftliche Solidarität aller Branchen von Syndicom. Dass die Mehrheit des Zentralvorstand damit überstimmt wurde, kann als basisdemokratisches Korrektiv verstanden werden.»
The Ugly – Der erfundene Bruder
Man könne auch in der Schweiz eine «unappetitliche Nähe zwischen Medien und Behörden» beobachten, heisst es in der neuen Folge des «Nebelspalter»-Podcasts «Bern einfach» von Markus Somm und Dominik Feusi. Ausgehend von einem Beispiel aus New York sprechen die beiden über konkrete Fälle aus der Schweiz: «Das gibt es bei uns auch, es gibt einen Journalisten, Fabian Renz, dessen Bruder in der Kommunikationsabteilung von Ignazio Cassis arbeitet», erzählt Feusi. Später ergänzt Somm, dass Tamedia-Redaktor Renz viel über das EDA und Europapolitik schreibe – «das sollte er auf keinen Fall, das darf man nicht».
Doch, Renz darf das. Den Bruder, der für Cassis arbeitet, gibt es nämlich nicht, wie der Bundeshauschef der Redaktion Tamedia auf Twitter klarstellte. Die Information über den vermeintlichen Bruder habe er von «Kollegen aus der Tamedia» vernommen, teilt Dominik Feusi auf Anfrage der MEDIENWOCHE mit. Der «Nebelspalter»-Bundeshauschef bat auf Twitter um Entschuldigung. Und inzwischen hat er zwar die Falschinformation im Begleittext zur Podcastfolge korrigiert («Tilman Renz, Kommunikation des EDA, ist nicht der Bruder von Fabian Renz, Tamedia. Wir entschuligen [sic!] uns für die Verwechslung»). Aber in der Podcast-Folge selbst ist die Falschaussage weiterhin zu hören. Wer wortreich die schwindende Glaubwürdigkeit des Journalismus beklagt, sollte zuerst seine eigenen Hausaufgaben ein bisschen gründlicher machen.