SRG will Teletext länger am Leben lassen
Eine gute und eine schlechte Nachricht für die Fans der Pixel-Nachrichten am TV-Bildschirm: Die SRG ersetzt den Teletext nicht wie intern angedacht im kommenden Jahr mit der erst schwach genutzten HbbTV-Technologie. Aber sie dünnt das Teletext-Angebot weiter aus.
Wie schwierig es ist, eine ältere Medientechnologie durch eine neue zu ersetzen, zeigt die emotional geführte Diskussion rund um die geplante Abschaltung von UKW-Radio.
Mit ähnlichen Reaktionen dürfte zu rechnen sein, wenn der Teletext das Zeitliche segnet. Zwar nimmt die Nutzung der altmodisch anmutenden Pixel-Nachrichten von Jahr zu Jahr ab, aber weiterhin rufen hunderttausende täglich Nachrichten, Wetterprognosen oder Sportresultate via Teletext ab. Gemäss dem aktuellen IGEM-Digimonitor informieren sich 2.4 Millionen Personen, oder 36 Prozent der Schweizer Bevölkerung, mindestens gelegentlich über Teletext. 830‘000 (12 Prozent) tun das sogar täglich. In diesen Zahlen ist auch die Nutzung via Website und App enthalten.
Trotz des weiterhin grossen Zuspruchs reduziert die SRG das Teletext-Angebot Schritt um Schritt. Per Ende Jahr verschwinden die Rubriken Verkehr und Börse. «Es handelt sich dabei um die beiden am wenigsten genutzten Rubriken des Teletexts», begründet SRG-Sprecher Edi Estermann den Schritt, der natürlich auch eine finanzielle Komponente enthält. «Wir haben diese Inhalte eingekauft und sie verursachten Lizenzkosten.» Die Fokussierung auf publizistische Inhalte trage dazu bei, dass der Teletext in seiner heutigen Form noch mehrere Jahre weiter zur Verfügung stehen wird. «Die Abschaltung weiterer Seiten ist derzeit kein Thema.» Seit 2015 sind bereits die Rubriken Lotto/Toto, Bahnverkehr, Anlagefonds, Vermögenszentrum, Reisen und Hotel, Kochideen, Zeitlupe, Treffpunkt, Horoskop und Astrologie verschwunden.
«Ein Datum für die Teletextabschaltung gibt es noch nicht»
Edi Estermann, Sprecher SRG
Eigentlich rechnete die SRG damit, den Teletext bereits in den nächsten ein bis zwei Jahren einstellen zu können. An der Händlertagung im Oktober 2020 hielt Marco Derighetti, Direktor Operationen der SRG, dazu fest: «In zwei bis drei Jahren ist es soweit.» In der Teilstrategie Distribution 2021 der SRG ist vom vierten Quartal 2022 als Zeitraum für die Ablösung von Teletext durch die designierte Nachfolgetechnologie Hybrid broadcast broatband TV (HbbTV) die Rede.
Von diesem ambitionierten Fahrplan rückte die SRG ab und verschob den Ab-, respektive Umschalttermin zwischenzeitlich auf den 1. Januar 2025. Gemäss aktuellen internen Informationen, die der MEDIENWOCHE vorliegen, rechnet die SRG offenbar nun mit Anfang 2027. «Ein Datum für die Teletextabschaltung gibt es noch nicht», erklärt SRG-Sprecher Edi Estermann auf Anfrage der MEDIENWOCHE. «Die nach wie vor sehr gute Nutzung von Teletext schliesst eine Abschaltung in den nächsten Jahren aus und ist deshalb nicht geplant.»
Unterstützen Sie unabhängigen und kritischen Medienjournalismus. Werden Sie jetzt Gönner/in.
Journalismus braucht Herzblut, Zeit – und Geld. Mit einem Gönner-Abo helfen Sie, unseren unabhängigen Medienjournalismus nachhaltig zu finanzieren. Ihr Beitrag fliesst ausschliesslich in die redaktionelle und journalistische Arbeit der MEDIENWOCHE.
Die intern herumgereichten Daten für eine Abschaltung in den kommenden Jahren seien «im Sinne von Planungshorizonten für die Implementierung der Nachfolgetechnologie zu sehen und nicht als eigentliche Abschalttermine.» Die Sprachregelung überrascht nicht. Der Reputationsschaden für die SRG wäre schlicht zu gross bei der Kommunikation eines konkreten Termins oder gar einer frühzeitigen Abschaltung bei anhaltend grosser Nutzung. Doch so viel steht fest: Irgendwann ist Schluss. Dahingehend äusserte sich auch SRG-Generaldirektor Gilles Marchand in einem Interview mit der «Coopzeitung» im November 2020.
Die Herausforderung besteht für die SRG nun darin, in den nächsten Jahren möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer, die heute noch regelmässig den Teletext anwählen, dazu zu bringen, auf der TV-Fernbedienung nicht mehr die «TXT»-Taste, sondern den «Red Button» zu drücken.
Nur 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren nutzen HbbTV «mindestens gelegentlich».
Mit dem roten Knopf lässt sich im laufenden TV-Programm ein Kontextmenü öffnen. Damit erhält man in erster Linie Zugang zur Online-Mediathek des jeweiligen Senders. Mit dem guten alten Teletext hat das wenig zu tun. Zwar lassen sich via HbbTV auch die Pixel-News abrufen (so lange es sie noch gibt), aber der Hauptnutzen liegt im Zugriff auf zusätzliche Videoangebote und -streams, sowie Dienste für Sinnesbehinderte wie Untertitel oder Sendungen in Gebärdensprache. Ob es auf HbbTV auch nach der Abschaltung des alten Teletext ein vergleichbares Nachrichtenangebot geben wird, lässt die SRG offen. Es gebe keine Planung für die Zeit nach dem Teletext.
Obwohl die SRG die «Red Button»-Technologie in ihren TV-Programmen bereits vor acht eingeführt hatte, ist die Nutzung seither nicht richtig in die Gänge gekommen. Eine Befragung im Rahmen des IGEM-Digimonitor 2021 ergab sehr bescheidene Werte. Von der schweizerischen Bevölkerung ab 15 Jahren nutzen gerade mal 10 Prozent die Funktion «mindestens gelegentlich». Und nur 1 Prozent der Befragten gab an, HbbTV täglich zu nutzen.
Auch fast vierzig Jahre nach seiner Einführung in der Schweiz hält er sein Versprechen: «Schnell das Wichtigste in Kürze».
Dass HbbTV weiterhin schwächelt, überrascht nicht. Manche Funktionen, die der rote Knopf bietet, lässt sich auch auf anderem Weg und einfacher bewerkstelligen. So kann man beispielsweise einen früher ausgestrahlten SRF-Beitrag auch via Youtube auf den Fernsehbildschirm bringen.
Ganz anders beim Teletext. Sein schlankes und schnörkelloses Nachrichtenangebot steht konkurrenzlos da. Auch fast vierzig Jahre nach seiner Einführung in der Schweiz hält er sein Versprechen: «Schnell das Wichtigste in Kürze». Wer wissen will, ob die Schweiz in der Nationenwertung beim Skifahren vor Österreich liegt, findet nirgends so schnell die Antwort. Vielleicht noch ein paar Jahre, aber möglicherweise auch viel länger, wie das Vorgehen der ARD zeigt.
—
So macht es die ARD
Auch in Deutschland erfreut sich der Teletext weiterhin grosser Beliebtheit. Allein der ARD Text erreicht bis zu 18 Millionen Menschen. Das entspricht einem Viertel des deutschen Fernsehpublikums. Wie die SRG in der Schweiz arbeitet auch die ARD an der technologischen Weiterentwicklung des Teletext.
«Ziel ist es, unsere Angebote zuschauerfreundlicher, bedienungsfreundlicher und zugänglich für alle zu machen», erklärt Frauke Langguth. Die Leiterin des ARD Text in Potsdam sieht die Zukunft des Teletext «in der Vernetzung und dem Austausch mit anderen ARD-Angeboten sowie der Bereitschaft sich technisch weiterzuentwickeln.»
Wie die SRG setzt auch die ARD auf den Standard HbbTV, also die Verbindung von Sendetechnik und Internet. «Hier sehen wir die Zukunft für den Teletext», schreibt Frauke Langguth auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Der redaktionelle Ansatz bleibe der gleiche. «Aber wir strahlen den Teletext über eine zeitgemässe technische Plattform aus, die uns mehr Möglichkeiten bietet», so Langguth weiter. So sei es möglich Farben und Darstellung anzupassen oder aus dem Teletext heraus auf andere ARD-Angebote wie die Mediathek zu verlinken.
Das Publikum muss seine gut eingeübten Nutzungsgewohnheiten aber nicht ändern. «Den neuen Teletext können Sie nach wie vor über die Teletexttaste oder aber auch über den so genannten Red Button, den roten Knopf auf der Fernbedienung aufrufen», betont ARD-Text-Leiterin Langguth. Insofern stellt sich bei der ARD auch die Frage nach einem Abschaltdatum nicht – weil der Teletext immer weiterläuft.