The Good, The Bad & The Ugly LXVII
Tamedia, SRF Club, Blick
The Good – Nicht Sache der Justiz
Artikel 259 des schweizerischen Strafgesetzbuchs trägt den Titel «Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit». Nach diesem Paragrafen haben Schweizer Gerichte beispielsweise islamistische Hassprediger verurteilt. Der Tamedia-Verlag hingegen sah Artikel 259 auch als taugliches Instrument in einer zuvor auf publizistischem Wege ausgetragenen Fehde mit der Berner Alternativ-Zeitschrift «Megafon».
Anlass zur Strafanzeige bot ein satirisch gemeinter Text/Bild-Beitrag, ein sogenanntes Meme, auf Twitter. Die «Megafon»-Redaktion wollte die von Tamedia-Autorin Michèle Binswanger häufig in ihren Texten verwendeten Hinrichtungsmetaphern «gezielt überspitzen und verzerren». Bestandteil des Memes war eine Bildmontage mit einer historischen Hinrichtungsszene und einem hineinmontierten Porträtbild der Journalistin. Der Tamedia-Chefredaktor geisselte in einem Kommentar die unverantwortliche Gewaltfantasie und kündigte eine Strafanzeige an, die der Verlag dann auch tatsächlich erstattet hatte. Dass die «Megafon»-Redaktion nach der ersten Empörungswelle den Beitrag gelöscht und sich bei Binswanger entschuldigt hatte, spielte da schon keine Rolle mehr.
Wie diese Woche nun bekannt wurde, stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern das Verfahren ein. Ein richtiger Entscheid: Satire, und sei sie verunglückt, gehört nicht vor Gericht, erst recht nicht, wenn sie als solche erkennbar ist. Doch Tamedia wollte den satirischen Charakter offenbar gar nicht sehen und blendete in der Strafanzeige die «dem Meme beigefügten Textstellen, welche den satirischen Grundton unterstreichen, vollumfänglich aus».
The Bad – Im Gorilla-Gehege
«So bringt der «Medienclub» nichts»: Diese Zeile stand vor sechs Jahren in der MEDIENWOCHE und sie passt auch heute wieder. Im März 2016 entgleiste ein «Medienclub» des Schweizer Fernsehens SRF. Es ging um die Berichterstattung zur Flüchtlingssituation in Europa. «Eine völlig verunglückte Sendung mit einem Moderator, der dem Thema nicht gewachsen ist», kommentierte damals Christof Moser auf Twitter. Der «Medienclub» liegt seit Fischlins Abgang 2020 auf Eis. Medienthemen kommen nun im regulären «Club» zur Sprache.
So widmete sich die Gesprächssendung am letzten Dienstag dem Medienpaket, das am 13. Februar 2022 zur Abstimmung kommt. Und wieder zeigten sich die bekannten Probleme, wenn Branchenleute, die sich gut kennen, aber nicht sonderlich gut mögen, über das eigene Metier debattieren sollten: Man schweift ab, verheddert sich in Insider-Diskussionen, fällt einander ins Wort und verharrt schliesslich in den Schützengräben. Moderatorin Barbara Lüthi (Bild) versuchte ihr Bestes, blieb aber weitgehend erfolglos. Sie hätte, wie es ihr Kollege Fischlin sechs Jahre zuvor getan hatte, gleich ein paar Mal in die Runde rufen können: «Diese Diskussion bringt dem Publikum nichts!»
Nur: Dafür ist die «Club»-Redaktion selbst verantwortlich. Wer Markus Somm und Philipp Gut einlädt, der kriegt auch Somm und Gut. Und wenn die beiden wortstarken und vehementen Gegner einer ausgebauten Medienförderung dann noch auf einen ebenso überzeugten und seiner Sache sicheren Kontrahenten wie Hansi Voigt treffen, dann geht es rund im Gorilla-Gehege. Dass man sich auch leiser, konstruktiver und gesitteter streiten kann, zeigte zum Glück die gleiche Runde. Die beiden Frauen, Susanne Lebrument und Anja Sciarra, versuchten die Ruhe zu bewahren und argumentierten überzeugt und überzeugend für und gegen die Medienvorlage und verliehen dem sonst verunglückten «Club» eine gewisse Restrelevanz.
Wie man eine TV-Diskussion zum umstrittenen Medienpaket ohne Gebrüll und Gorilla-Gehabe erfolgreich über die Bühne bringt, konnte man nur wenige Tage nach dem «Club» in der «Arena» von SRF sehen. Das ist verkehrte Welt: Galt doch bisher die «Arena» als das krawalligere Format und der «Club» als ruhige Runde.
The Ugly – Manipulierter Nazi-Vergleich
Das schleckt keine Geiss weg: Thomas Matter hat manipuliert. Seine Breitseite gegen das Schweizer Fernsehen und für die Halbierung der SRG-Gebühren konnte der SVP-Nationalrat nur deshalb abfeuern, weil er ein SRF-Video zusammengeschnitten und Entscheidendes weggelassen hat. Bei Matters Version sieht es nun so aus, als hätte Satiriker Patrick «Karpi» Karpicenzko in seinem Jahresrückblick für die SRF-Sendung «Gesichter & Geschichten» einen plumpen SVP-Nazi-Vergleich platziert.
Man sieht eine kurze Videosequenz mit einem historischen Nazi-Aufmarsch, dazu sagen Stimmen im Off: «Und was sehen wir hier?» – «Einen Aufmarsch …» – «… der SVP». Bei Matter ist hier fertig. Und für ihn der Skandal perfekt. In der Realität geht es jetzt erst los. Der Aufmarsch, sagt Karpis Gast, der Schrifsteller Thomas Meyer, zeige die Alternative Liste. So links sei die dann auch nicht mehr, wenn Millionen von Deutschen und Holländer als Klimaflüchtlinge zu uns kämen, mutmasst Meyer mit Blick in die Zukunft. Die Pointe ist flach, zielt aber nicht auf die SVP. Empört zeigen ob des Nazi-Vergleichs dürfte sich wenn schon die Alternative Liste.
Die plumpe Auslassung und Verdrehung in Matters Video deckte der «Tages-Anzeiger» auf. Matter auf den Leim gegangen ist dagegen der «Blick», der zuerst das Narrativ des Politikers aufnahm, ohne den Kontext zu prüfen. Erst nachdem Karpi interveniert hatte, ergänzte «Blick» seinen Artikel und reichte ein Transkript der vollständigen Sequenz nach. Eine Stellungnahme der Alternativen Liste haben sie bisher nicht eingeholt.