Woher kommt nun Geld für die Medienförderung?
Nach der Ablehnung des Medienpakets bleibt der wirtschaftliche Druck auf grosse und kleine Medien hoch. Mehrheitsfähige Fördermassnahmen zu finden, wird nicht einfacher.
Es war Drohkulisse und Prognose zugleich, was der Präsident des Verlegerverbands in den letzten Jahren mehrfach öffentlich betonte. Die Medienvielfalt zu erhalten, so Pietro Supino, liege letztlich in den Händen der Politik. Gelinge die Erhöhung der indirekten Presseförderung nicht, sagte Supino Ende 2019 im Gespräch mit der MEDIENWOCHE, «wird in absehbarer Zeit die Vielfalt an gedruckten Zeitungen rasant abnehmen». Ein knappes Jahr später appellierte der Zürcher Verlagschef in einem versalzenen Gratulationsschreiben zum 170. Geburtstag des Berner «Bund» an die Politik, die geplante Online-Förderung nicht zuungunsten der Grossverlage auszugestalten.
Nach dem letzten Sonntag und dem Willen einer Mehrheit der schweizerischen Stimmbevölkerung ist klar, dass beides so nicht kommt – weder der Ausbau der indirekten Presseförderung noch die Förderung von Online-Medien. Doch offenbar glaubte selbst Supino als Verfechter der nun abgelehnten Subventionen nicht richtig an deren Wirksamkeit. Ohne den Entscheid an der Urne abzuwarten, noch während der parlamentarischen Beratungen zum Mediengesetz, hatte sich Tamedia entschieden, die Redaktionen ihrer Berner Tageszeitungen «Bund» und «Berner Zeitung» zu fusionieren.
Wenn selbst das grösste Zeitungshaus trotz Aussicht auf die als existenziell beschworenen Fördergelder Redaktionen zusammenlegt, wie sollen nun erst kleine Zeitungen ohne Aussicht auf Fördergelder ihre Redaktionen angemessen finanzieren?
Gerade Verlagen, die heute schon knapp kalkulieren müssen, hätten die zusätzlichen Rabatte beim Zeitungsvertrieb oder der Zustupf für Online-Medien geholfen, eine heikle Phase zu überstehen – wenn auch ohne Überlebensgarantie. Dass es nicht so weit gekommen ist, liegt vor allem an der Vorlage selbst, die am Sonntag zur Abstimmung gelangte. Beim Medienpaket handelte es sich um einen Kompromiss. Das liegt in der Natur eines Gesetzes, das den unterschiedlichsten Ansprüchen genügen soll. Aber es war am Schluss ein schlechter Kompromiss.
Die Pro-Seite schaffte es nicht, den Fokus auf die Vielzahl kleiner und unabhängiger Zeitungsverlage in den Regionen der Schweiz zu richten.
Bundesrätin Sommaruga interpretierte das Scheitern ihrer Vorlage an Urne denn auch dahingehend, dass die Mehrheit der Stimmberechtigten wohl fanden, es ginge um zu viel Geld, von dem die Falschen profitierten. Damit spielte sie den Ball dem Parlament zu, das den ursprünglichen Betrag mehr als verdoppelt hatte. Der Entwurf des Bundesrats sah 73 Millionen Franken an jährlichen Fördermitteln vor. National- und Ständerat hatten die Summe auf 151 Millionen Franken aufgestockt. Allein 40 Millionen kamen zusätzlich dazu für die Subventionierung der Früh- und Sonntagszustellung von Zeitungen, von denen massgeblich die grösseren Verlage profitiert hätten. «Die Vorlage ist dadurch aus dem Gleichgewicht geraten», sagte Simonetta Sommaruga am Abstimmungssonntag.
Dieses Ungleichgewicht spielte dem Gegenkomitee in die Karten, die das Referendum gegen die Vorlage ergriffen hatten. Ihre Kampagne richtete sich denn auch massgeblich gegen die grossen Verlage, wie Tamedia, CH Media oder Ringier, die von der ausgebauten Medienförderung profitieren würden, obwohl sie die Unterstützung gar nicht bräuchten.
Die Pro-Seite schaffte es nicht, den Fokus auf die Vielzahl kleiner und unabhängiger Zeitungsverlage in den (Rand-)Regionen der Schweiz zu richten, für die eine finanzielle Entlastung über ihre Weiterexistenz mitentscheiden kann. Stattdessen wählte das Komitee, in dem sich Politikerinnen und Politiker aus allen Parteien ausser der SVP sowie zahlreichen Branchenorganisationen versammelt hatten, die Fantasiefigur Wilhelm Tell als Maskottchen und nannte sich «Die Meinungsfreiheit». Weiter kam dazu, dass sich die Branche und insbesondere Journalistinnen und Journalisten schwer damit taten, in eigener Sache politisch zu lobbyieren.
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Dass die Westschweizer Kantone mit Ausnahme des Wallis dem Medienpaket zugestimmt haben, dürfte weniger an den Aktivitäten des Ja-Komitees liegen als an der Sorge um die Medienvielfalt, sowie dem traditionell grösseren Vertrauen der Romands in staatliche Massnahmen. Demgegenüber votierten die ländlichen Deutschschweizer Kantone sehr deutlich gegen die Vorlage. Hier mag der Reflex gegen die Grossverlage aus den Städten stärker gespielt haben, wie auch eine geringere Problemwahrnehmung bezüglich der bedrohten Medienvielfalt.
Zur Unausgewogenheit des Medienpakets trugen nicht nur jene zusätzlichen Fördermassnahmen bei, die das Parlament grosszügig aufgeladen hatten. Auch der Verzicht auf die finanzielle Unterstützung von Gratismedien – ob Print oder Online – lieferte der Gegenseite ein weiteres willkommenes Argument gegen die Vorlage. Ob ein anders geschnürtes Medienpaket bessere Chancen gehabt hätte, bleibt Spekulation. Ebenso, ob das Gesetz ohne Referendum und Abstimmung hätte in Kraft treten können. Schliesslich handelten die tragenden Figuren im Referendumskomitee auch aus eigener Betroffenheit, weil ihre kostenlosen Online-Plattformen wie die «Die Ostschweiz», «Prime News» oder «Portal24» leer ausgingen. Hätten sie das Referendum ergriffen, wenn ihre Gratismedien auch gefördert worden wären?
Das Nein vom letzten Sonntag zum Medienpaket bedeutet indes nicht das Ende der Suche nach politisch mehrheitsfähigen Massnahmen zugunsten der Medien.
Nun bleibt vorerst alles beim Alten. Von der indirekten Presseförderung in der Höhe von jährlich 30 Millionen Franken profitieren weiterhin und zeitlich unbegrenzt nur abonnierte Zeitungen mit einer maximalen Auflage von 40’000 Exemplaren, ebenso bleibt die Vergünstigung der Versandkosten für Mitteilungsblätter von Vereinen, Stiftungen und Verbänden im Umfang von 20 Millionen Franken. Kein Geld gibt es für kostenpflichtige Online-Medien, ebenso werden die Anteile aus der Haushaltsabgabe für konzessionierte Lokalradios und Regionalfernsehen nicht erhöht. Keine zusätzlichen Mittel fliessen zu Nachrichtenagenturen, in die Journalismusausbildung und zum Presserat. Auch die Förderung von digitalen Infrastrukturplattformen kommt nicht.
Das Nein vom letzten Sonntag zum Medienpaket bedeutet indes nicht das Ende der Suche nach politisch mehrheitsfähigen Massnahmen zugunsten der Medien. Schnelle Lösungen stehen aber keine in Aussicht. Das weiss auch die für das Mediendossier zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Darum sagte sie: «Die Medien müssen die Investitionen, die zur Stärkung ihrer Redaktionen nötig sind, nun aus eigener Kraft aufbringen. Das dürfte insbesondere für Medienhäuser mit einem kleinen Einzugsgebiet eine grosse Herausforderung bleiben.»
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Wie geht es nun weiter?
Auf der medienpolitischen Agenda des Verbands Schweizer Medien steht das sogenannte Leistungsschutzrecht zuoberst. Davon erhoffen sich insbesondere die grösseren Verlage signifikante Einkünfte. Als Vorbild dient eine entsprechende Regelung in der EU, welche grosse Online-Plattformen wie Google und Facebook dazu verpflichtet, für das Anzeigen von Medieninhalten die Verlage finanziell zu entschädigen. Der Bundesrat hat im Grundsatz bereits zugestimmt, das schweizerische Urheberrecht ebenso zu ergänzen. Das bestätigte Simonetta Sommaruga am Abstimmungssonntag. Gleichzeitig gab sie aber auch zu bedenken, dass ein solches Vorhaben Zeit brauche, «und es bleibt auch noch zu vertiefen, wie auch die kleinen und mittleren Verlage davon profitieren können». Da Google und Facebook die Artikel von Tamedia oder Ringier häufiger anzeigen als Beiträge aus dem «Frutigländer» oder dem «Willisauer Boten», würden Grossverlage entsprechend stärker profitieren. Das ist nur eines der Probleme an einem Leistungsschutzrecht.
Die Politik findet das Leistungsschutzrecht aber grundsätzlich eine gute Idee. Neben der SP-Bundesrätin bezogen sich nach dem Scheitern des Medienpakets auch die Präsidenten von «Die Mitte» und FDP positiv auf dieses Instrument. Wie bereits beim nun gescheiterten Ausbau der Medienförderung legt Verlegerpräsident Pietro Supino auch hier das Schicksal der Medien in die Hand der Politik. «Ohne Leistungsschutzrecht wird es in der Schweiz langfristig keine unabhängigen privaten Medien mehr geben können», sagte Supino bei verschiedenen Anlässen.
Anders als etwa in Deutschland, wo Medienpolitik Sache der Bundesländer ist, liegt hierzulande die Verantwortung massgeblich beim Bund. Doch die kantonale Politik hat durchaus den Spielraum, gestaltend zu wirken. Am weitesten ist der Kanton Waadt. Im März 2021 hiess der Grosse Rat in Lausanne ein von der Regierung geschnürtes Paket gut im Umfang von 6.2 Millionen Franken. Damit finanziert der Westschweizer Kanton über fünf Jahre verschiedene indirekte Fördermassnahmen. Mit einer halben Million Franken sollen die Behörden Zeitungsinserate kaufen, um so die Verlage zu unterstützen. Weiter will der Kanton die Schulgebühren der Westschweizer Journalistenschule CFJM für Redaktionspraktikantinnen und -praktikanten übernehmen. Weitere noch nicht genauer definierte Massnahmen zielen darauf ab, Jugendlichen den Zugang zu kostenpflichtigen Medien finanziell zu erleichtern. Gemessen an den dreistelligen Millionenbeträgen, um die es auf Bundesebene geht, wirken die sechs Millionen aus dem Kanton Waadt geradezu bescheiden. Das wichtigere Signal aus den Kantonen ist aber die Bereitschaft, grundsätzlich medienpolitisch aktiv zu werden. Und tatsächlich kommt da etwas Bewegung in die Kantone.
Neben Waadt diskutieren auch die Parlamente von Genf, Aargau und Bern und Graubünden, Luzern in den letzten Jahren über Fördermöglichkeiten. In einem ersten Schritt gehr es darum, überhaupt erst die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. So arbeitet etwa der Grosse Rat des Kantons Bern derzeit daran, das Informationsgesetz von 1993 zu revidieren. Im Kanton Aargau wiederum gibt es gar kein Mediengesetz. 2011 hatte es der Grosse Rat abgelehnt, ein solches Gesetz zu schaffen und einen entsprechenden Verfassungsauftrag zu erfüllen.
War das überfrachtete Paket für die Abstimmung ein Nachteil, so könnte sich die Fülle an Vorschlägen für eine künftige Medienpolitik als Vorteil erweisen. Einzelne Massnahmen lassen sich nun herauspicken und als isolierte Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen. So lancierte der Verein «Fairmedia» keine 24 Stunden nach der Abfuhr für das Medienpaket bereits einen Appell an Bundesrat und Parlament, eine neue Vorlage anzupacken mit jenen Fördermassnahmen, die nicht einzelne Medienunternehmen begünstigen, sondern der Journalismus-Infrastruktur zugutekommen. Also die Unterstützung von Presserat, Aus- und Weiterbildung sowie Nachrichtenagenturen und IT-Infrastruktur. Bereits erhört haben den Aufruf die beiden Bündner Nationalräte Jon Pult (SP) und Martin Candinas (Mitte). Sie wollen die «unbestrittenen Punkte aus dem Mediengesetz» möglichst schnell vors Parlament bringen, schreibt «Die Südostschweiz»
Aus der Politik kommt auch das Signal, die indirekte Presseförderung für kleine Verlage zeitlich begrenzt aufzustocken. Dahingehend äusserten sich etwa Gerhard Pfister und Thierry Burkart, die Parteipräsidenten von «Die Mitte» und FDP. Diesem Vorgehen könnte sich sogar der Verein «Nein zu staatlich finanzierten Medien» anschliessen, der das Referendum gegen das Medienpaket mitgetragen hat. Umstritten bleibt indes die Förderung von Online-Medien. Während etwa das Komitee «Ja zur Medienvielfalt», das die nun gescheiterte Vorlage unterstützt hatte, eine «eine zeitgemässe Unterstützung für Online-Medien» fordert, bleibt eine solche direkte Medienförderung für die FDP ein «klares Tabu».
Gibt es vielleicht noch andere, neue Formen zur Unterstützung von Medien? Eine Idee, die schon länger herumgeistert und während der Beratungen zum Medienpaket und auch im Abstimmungskampf als Alternative zu bisherigen Förderansätzen wieder aufgewärmt wurde, sind die sogenannten Mediengutscheine. Jede erwachsene Person oder auch nur junge Erwachsene in der Schweiz würden staatlich finanziert einen Gutschein im Wert von 100 bis 300 Franken erhalten, mit dem sie ein Abo für einen Titel nach Wahl kaufen könnte.
So verlockend einfach dieses Modell auf den ersten Blick erscheinen mag, so untauglich erweist es sich bei einer genaueren Prüfung. 300 Franken für alle Erwachsenen in der Schweiz, wie es Peter Weigelt vom Referendumskomittee vorschlug, würde unrealistisch hohe Kosten von 1,5 Milliarden Franken verursachen – pro Jahr. Bei der bescheideneren Variante, von der nur junge Erwachsene profitieren würden, wie sie Katja Christ von den Grünliberalen im Nationalrat per Motion vorschlägt, ginge es immer noch um jährlich 65 Millionen Franken. Der grösste Haken an der Sache ist die Unverträglichkeit mit der Verfassung. Bei den Gutscheinen handelt sich um eine direkte Fördermassnahme, da das Geld den Redaktionen zu gute kommt.. Und eine direkte Förderung von Zeitungen lässt die Verfassung nicht zu. Womit ein solches Modell überhaupt erst nach einer Anpassung des entsprechenden Medienartikels in der Bundesverfassung möglich würde. Weiter wäre zu befürchten, dass auch von diesem Modell vor allem grosse und bekannte Titel profitieren würden und die Kleinen, die wirtschaftlich vor den grösste Herausforderungen stehe, wenig davon hätten.
In keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Medienpaket steht die sogenannte Halbierungsinitiative. Beim Medienpaket ging es um die Förderung privater Verlage, die Halbierungsinitiative zielt auf eine Schwächung der öffentlich finanzierten SRG. Doch es gibt eine zeitliche und politische Koinzidenz.
In den Tagen vor der Abstimmung zum Medienpaket verdichteten sich die Anzeichen, dass die Forderung nach einer substanziellen Senkung der Haushaltsabgabe (vormals Empfangsgebühren) nicht länger nur eine Drohkulisse bleibt, sondern tatsächlich als Initiative zur Abstimmung gebracht werden soll. Das politische Bindeglied bildet die SVP, die als einzige Partei geschlossen die Medienförderung ablehnte und die seit über 15 Jahren eine Gebührenhalbierung fordert. Am Abstimmungssonntag erklärte SVP-Nationalrat Gregor Rutz, eine SRG sei zwar wichtig, aber sie habe sich in Bereiche ausgebreitet, wo sie nicht hingehöre. Ohne es direkt anzusprechen, meinte er damit die vielfältigen Online-Aktivitäten. Auch der Verlegerverband findet, das Angebot der SRG im Netz gehöre zurückgestutzt.
Keine Unterstützung für eine Gebührenhalbierung wird es indes von Peter Weigelt geben, dem Kopf des Referendums gegen das Medienpaket. Weigelt sagte am Abstimmungsabend, es brauche eine starke SRG. Allerdings solle sie auf Werbung verzichten und sich komplett aus der Haushaltsabgabe finanzieren.
Victor Brunner 16. Februar 2022, 09:45
Ist doch klar dass die „Kleinen“ nicht im Fokus des VSM standen. Man schaue einmal die Zusammensetzung des Präsidiums an dann wird der Fokus klar!
Peter Weigelt 17. Februar 2022, 09:12
Schade, dass der gute Kommentar wieder mit „falschen Fakten“ sich selber in seiner Glaubwürdigkeit abstraft. Es wird wie im Abstimmungskampf den Referendumsführern auch hier wieder Eigennutz unterstellt, weil „ihre kostenlosen Online-Plattformen“ keine Subventionen erhalten hätten. Zumindest für „Die Ostschweiz“ ist dies nicht der Fall. Wir hätten für unsere nicht unwesentlichen „Publikumseinnahmen“ aus unserem „Ostschweiz-Club“ ganz klar Subventionen erhalten. Trotzdem waren wir klar gegen das Subventionspaket.