von Nick Lüthi

SRG-Initiative: Diesmal geht es nicht ohne einen Plan B

Mit einer heute lancierten Volksinitiative zur Senkung der Medienabgabe wollen SVP und Co. die SRG schwächen. Die Einschnitte ins Angebot von Radio und Fernsehen wären massiv, aber anders als bei der «No Billag»-Initiative steht nicht die Existenz der SRG auf dem Spiel. Das stellt die SRG und die ihr wohlgesonnenen Kreise vor eine knifflige Situation.

Vincent Veillon ahnte, worauf das Ganze hinauslaufen würde: «Im Grossen und Ganzen blieben noch die Nachrichten und einige Magazin-Sendungen.» So skizzierte der Westschweizer TV-Komiker unlängst in einem seiner Klamauk-Interviews die möglichen Konsequenzen der nun lancierten SRG-Initiative. Seinen Job beim Westschweizer Radio und Fernsehen wäre Veillon los. Denn für Unterhaltung bliebe in diesem Szenario kein Platz mehr.

Von den Mittelkürzungen ausgenommen blieben dagegen Lokalradios und regionale TV-Sender.

Ein Komitee aus Vertreterinnen und Vertretern von SVP, FDP und Jungfreisinn präsentierte heute ein Volksbegehren mit dem Ziel, der SRG die Mittel drastisch zusammenzustreichen. Aktuell zahlt jeder Haushalt pro Jahr 335 Franken pro Jahr für Radio und Fernsehen. Die Initiative fordert eine Reduktion auf 200. Unternehmen will das Komitee von der Abgabepflicht entbinden. Von den Mittelkürzungen ausgenommen blieben dagegen Lokalradios und regionale TV-Sender, die ebenfalls über die Medienabgabe mitfinanziert werden.

Nachdem SVP und Co. seit 15 Jahren damit gedroht haben, den Geldfluss für die SRG drosseln zu wollen, machen sie nun ernst. Nach der abgelehnten Gebührenabschaffungsinitiative «No Billag» liegt das Schicksal der SRG innert weniger Jahre bereits zum zweiten Mal in den Händen respektive auf dem Stimmzettel der Schweizer Bevölkerung.

Im Fall einer Annahme blieben der SRG weiterhin rund 600 Millionen Franken pro Jahr.

Bei «No Billag» ging es um alles oder nichts. Entsprechend einfach liess sich dagegen mobilisieren. Die Radikalität der Vorlage trug denn auch massgeblich zur deutlichen Ablehnung an der Urne bei. Selbst wer die SRG für zu gross oder ihre Programme für zu links oder zu langweilig hielt, neigte im Zweifelsfall dazu, die Initiative abzulehnen. Bei einer Annahme wäre gar nichts mehr übriggeblieben, also auch das nicht, was man doch noch irgendwie gut fand.

Mit der SRG-Initiative präsentiert sich die Ausgangslage anders. Im Fall einer Annahme blieben der SRG weiterhin rund 600 Millionen Franken pro Jahr, also etwa die Hälfte des heutigen Abgabenanteils von 1,2 Milliarden. Eventuell noch ein bisschen mehr, doch auch die Werbeeinnahmen würden einbrechen mit einer kleineren SRG.

Es ist daher ein naheliegender Gedanke für den Fall einer halbierten Abgabenfinanzierung an Nachrichten und Journalismus festzuhalten.

Eine derart drastische Dezimierung der Mittel liesse sich nicht mit linearen Kürzungen über das gesamte Unternehmen auffangen. Selbst mit 750 Millionen pro Jahr könnte die SRG «in ihrer heutigen Struktur nicht mehr finanziert werden. Das Unternehmen müsste vollständig reorganisiert werden». Das hielt das Bundesamt für Kommunikation 2017 in einem Bericht im Vorfeld der «No Billag»-Abstimmung fest.

Nun entsprechen 600 Millionen Franken, die noch übrigblieben, ziemlich genau dem, was die SRG in den letzten Jahren für die Sparte Information ausgegeben hat. Es ist daher ein naheliegender Gedanke, wie er auch dem TV-Komiker Veillon einfiel, für den Fall einer halbierten Abgabenfinanzierung an Nachrichten und Journalismus festzuhalten. Auch darum, weil dies den Kern des Service public ausmacht.

Ein Plan B, respektive das, was man öffentlich als solchen kommuniziert, darf nicht als wirklich gangbarer Weg erscheinen.

Gleichzeitig hiesse das aber auch, dass all das wegfiele, was die SRG heute in den Bereichen Kultur, Musik, Film, Gesellschaft, Jugend, Bildung, Unterhaltung und Sport produziert und finanziert. Wenn die bereits vor der Lancierung der Initiative gegründete Allianz «Pro Medienvielfalt» von «No Billag 2» spricht, liegt sie damit nicht falsch. Der Kahlschlag hinterliesse tiefe Spuren, nicht nur im Medienangebot. Schliesslich schafft die SRG auch gesellschaftliche Mehrwerte, die über das gesendete Programm hinausgehen. Ob dem einheimischen Film- und Musikschaffen oder dem nationalen Sport, um nur zwei Beispiele zu nennen, bietet die SRG eine nationale Plattform, wie dies ein Medienunternehmen nicht leisten kann, das sich allein über den Markt finanziert.

Zu «No Billag» hiess es vonseiten SRG und Politik: «Es gibt keinen Plan B». Das geht jetzt nicht mehr. Doch die Situation präsentiert sich einigermassen delikat. Offen zuzugeben, dass es auch mit der Hälfte des Geldes irgendwie geht, wäre Wasser auf die Mühlen der Initianten. Also darf ein Plan B, respektive das, was man öffentlich als solchen kommuniziert, nicht als wirklich gangbarer Weg erscheinen. In einer ersten Stellungnahme weist die SRG auf die schwerwiegenden Konsequenzen für das Unternehmen und den Medienplatz Schweiz hin. Diesen «Angriff gegen den medialen Service public» werde man «bekämpfen».

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Nun erscheint es zumindest als nicht unwahrscheinlich, dass die Halbierungsinitiative angenommen werden könnte. Zum einen entwickelte sich die medienpolitischen Grosswetterlage in den vergangenen Jahren nicht gerade zugunsten der SRG. Von der klaren Ablehnung der «No Billag»-Initiative konnte das Unternehmen nicht nachhaltig profitieren, nicht zuletzt wegen unpopulärer Sparmassnahmen. Zum anderen erscheint die SRG-Initiative weniger radikal als «No Billag», weil nicht die Existenz der SRG auf dem Spiel steht. Allein die Möglichkeit einer Annahme gebietet eine seriöse Vorbereitung für den Worst Case.

Mit einem starken Informationsangebot könnte die SRG ihre Existenzberechtigung weiter behaupten.

Eine durch finanzielle Einschnürung erzwungene Fokussierung auf das journalistische Kernangebot könnte immerhin Kernbereich des Service public in seiner bisherigen Stärke und Bedeutung erhalten. Das wäre zwar nicht im Sinn der Initianten, die ja gerade bei der Information danach trachten die SRG zu schwächen. Aber auch eine geschrumpfte SRG müsste im gesellschaftlichen Interesse handeln und das Optimum aus den verbleibenden Ressourcen herausholen. Eine Verzettelung wäre der Anfang vom Ende. Mit einem starken Informationsangebot könnte die SRG ihre Existenzberechtigung weiter behaupten.

Leserbeiträge

Patrick U. 01. März 2022, 18:19

Die SRG in dieser Form ist ein Auslaufmodell. Es braucht sie schlichtweg nicht mehr. Wie damals Kodak und Fuji. Aufs Minimum reduzieren. Info Kanal und ein paar Sportanlässe. Den Rest muss ich eh auf den pay tv kanälen kaufen

Marco Leisi 02. März 2022, 10:01

Tja, eben kein Sport, also keine Skirennen, kein Formel 1, keine Schwinget, nix. Auch kein Wilder, kein Tschugger, kein Bestatter, keine Hörspiele, keine Diskothek, keine Hitparade, keine Filmförderung, keine Kulturförderung, kein Play Suisse, nix. Das TPC würde erneut privatisiert, nachdem es nach der ersten Privatisierung wieder eingegliedert wurde. Ein riesiges Ökosystem, von dem hunderte private Firmen und tausende Büezer profitieren, würde kollabieren. Aber von dem wissen ja die Initianten nix, weil sie lieber irgendwas brünzeln, als sich zu informieren. Und es würde Milliarden an Steuergeldern kosten, das ganze zu restrukturieren. Mein Tipp gegen Rechts: Investiert eure Energie und die Kohle, die eure Kampagne kosten würde, lieber in den Umweltschutz (der würde auch eurer politischen Agenda gut tun).

Zudem, die Analogie zum Auslaufmodell geht nicht ganz auf, bitte einfach mal Fuji googeln.