von Bettina Büsser

The Good, The Bad & The Ugly LXXV

Watson, persoenlich.com, Arena

The Good – Keine Bilder, aber Infos

Welche Bilder vom Krieg dürfen Medien zeigen? Rütteln erschreckende Szenen die Welt auf? Oder befriedigen sie nur die Sensationslust? Solche Fragen werden aktuell angesichts des Kriegs in der Ukraine heftig diskutiert. Nicht zuletzt, seit die «New York Times» auf ihrer Titelseite ein Bild zeigte, auf dem die Leichen einer Frau und ihrer beiden Kinder zu sehen waren. Sie waren auf der Flucht nach Kiew von einer Granate getötet worden.

Manche Medienkonsument*innen ertragen solche Bilder nicht. Sie möchten dennoch wissen, was in der Ukraine passiert. «Watson» hat deshalb am 1. März eine neue frühmorgendliche Rubrik eingeführt: «Das ist in der Ukraine während der Nacht passiert – der Überblick (ohne Bilder)». Sie enthält genau das, was sie verspricht.

Es sei von «Watson»-User*innen gewünscht worden, «dass man sich über die Geschehnisse informieren kann, ohne sich den teils verstörenden Bildern aussetzen zu müssen», sagt «Watson»-Chefredaktor Maurice Thiriet (Bild) auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Und wie wird das Angebot genutzt? Verglichen mit den Werten der Live-Ticker, so Thiriet, sei die Story keine «Klickbomben-Sensation»: «Aber wir optimieren die Berichterstattung zur Ukraine auch nicht auf Traffic-Wirksamkeit.»

P.S. Wer die bilderfreien Ukraine-Infos lesen will, ohne vorher durch das «Watson»-Angebot mitsamt allen Kriegsbildern zu scrollen: Via https://www.watson.ch/u/story_list kommt man zur Liste der veröffentlichten Storys und findet darin täglich den Link auf die aktuelle Version.

The Bad – Alte Männer erklären den Krieg

Er lässt die «Welterklärer» hochleben: Matthias Ackeret, Verleger und Chefredaktor von «persönlich» und Blocher-Interviewer wird ganz nostalgisch. Denn, so schreibt er in einem Blogbeitrag, «dank Putins Wahn» feiere der Militärexperte Albert A. Stahel (78) ein Comeback. Und Erich Gysling, «die brillanteste und auch alterslose Allzweckwaffe der Welterklärer», sei sehr gefragt: «Keiner analysiert so perfekt wie der 85-Jährige. Höchstwahrscheinlich wagen sich nicht einmal die Kriegsparteien, sich gegen dessen Prognosen zu stellen.»

Stahels und Gyslings Expertise ist unbestritten. Aber sie gleich zu «Welterklärern» zu erheben, ist, sagen wir mal, ein bisschen überbordend. Nicht zuletzt, weil bei diesem Begriff ein Hauch von Mansplaining mitschwingt: Alte Männer erklären den Krieg und die Welt.

Was aber viel mehr irritiert, ist der Link, den Ackeret in seinem Text zu Corona-Expert*innen macht: «Man lerne: Jede Krise hat seine Kommentatoren. Vorbei die Zeiten, als die Coronagilde rund um Marcel Salathé den baldigen Weltuntergang beschwor.» Karl Lauterbach verspüre einen «medialen Phantomschmerz». Die Pandemie scheine abgehakt: «Gefragt sind Kriegsexperten und nicht mehr Virenphilosophen.»

Man lerne: Wer sich fundiert und professionell mit Krieg und Konflikten beschäftigt, ist ein «Experte». Wer sich fundiert und professionell mit Viren und Epidemien beschäftigt, ist ein «Philosoph». Immerhin hat Ackeret die Medizin- und Epidemie-Experten nicht als «Ideologen» bezeichnet.

Unterstützen Sie unabhängigen und kritischen Medienjournalismus. Werden Sie jetzt Gönner/in.

Journalismus braucht Herzblut, Zeit – und Geld. Mit einem Gönner-Abo helfen Sie, unseren unabhängigen Medienjournalismus nachhaltig zu finanzieren. Ihr Beitrag fliesst ausschliesslich in die redaktionelle und journalistische Arbeit der MEDIENWOCHE.

[rml_read_more]

The Ugly – Rassismus ist keine Meinung

Die «Arena»-Redaktion hat es wirklich versucht. Sie hatte sich gut vorbereitet, unter anderem bei Staatsanwälten und bei der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus Einschätzungen und Statements eingeholt. Und dennoch sagte SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi im Verlauf der «Arena»: «Ich würde genau dasselbe wieder sagen», und: «Ich teile diese Aussage, dass es rassistisch war, nicht.» Er hatte seine Plattform.

Aeschi hatte am 16. März in der Sonderdebatte des Nationalrats zum Krieg in der Ukraine gesagt: «Es darf nicht sein, dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen plötzlich 18-jährige Ukrainerinnen vergewaltigen! Das darf nicht zugelassen werden.» Im Rat reagierte niemand, danach aber gab es heftige Reaktionen.

Und gleichzeitig war für gestern Freitag eine «Arena» zum Ukraine-Krieg mit den Parteispitzen geplant. Die «Arena» hatte Aeschi schon vor seiner rassistischen Aussage eingeladen – und blieb dabei. «Seine Aussage wird ebenfalls Gegenstand der Ukraine-Debatte in der Arena sein», twitterte Redaktionsleiterin Franziska Egli. Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen, entschied sich, nicht an der «Arena» teilzunehmen: «Unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft darf Rassismus keine Plattform geben», schrieb sie auf Twitter.

Es gab klare und auch starke Aussagen gegen Rassismus in dieser «Arena», Moderator Sandro Brotz nahm Aeschi in die Zange. Dennoch: Jede Sendeminute, in der es um Aeschis Rassismus ging, fehlte der Diskussion um den Ukraine-Krieg und die Reaktion der Schweiz. Jede Minute, in der Aeschi sich verteidigen, beziehungsweise auf seiner Position beharren konnte, ging der Zeit ab, in der die beeindruckendste Person dieser «Arena» sprechen konnte: die aus Kiew in die Schweiz geflüchtete Hanna Yushchenko.