Das Zentrum ist überall: Mit Priska Dellberg im Oberwallis
Im Oberwallis gibt es nur noch eine Tageszeitung, ein Lokalradio und einen Fernsehsender. Doch die Bevölkerung nimmt deren Lokaljournalismus dafür umso stärker wahr: Von ihrem Abdeckungsgrad können Medien in anderen Regionen der Schweiz träumen.
Der Zug durch den Lötschberg-Basistunnel war voll mit Wandersenior:innen. Doch im Regionalzug zurück die Lötschberg-Südrampe hoch ist das Abteil neben uns leer. Auch unterwegs begegnen uns kaum Leute. Die goldbraunen Grasbüschel gehen dem Frühling voraus. Es ist idyllisch von Eggerberg Richtung Brigerbad. Doch so richtig eindrücklich ist die Aussicht, wenn man sich umdreht: Oh, diese Chemie! Oh, diese Industrie! Oh, dieses Visp! Das Industriegebiet inmitten der Bergwelt sieht aus wie von einem anderen Planeten.
Priska Dellberg sagt: «Auch ich als Einheimische finde es jedes Mal beeindruckend.» Dellberg startete vor 20 Jahren beim damals noch unabhängigen «Radio Rottu». Nach lehrreichen Jahren wechselte sie zu Radio SRF, war Produzentin, Redaktorin, Moderatorin und von 2015 bis 2021 Wallis-Korrespondentin. Vergangenen Herbst hat sie sich als Kulturmanagerin und Kommunikationsberaterin selbständig gemacht. Zu ihren Mandaten gehört auch die Produktion einer Unterhaltungssendung beim lokalen Fernsehsender «Kanal 9».
Aus der Benzinspaltanlage unten im Tal züngelt eine Flamme – sie gehört zur ehemaligen Lonza-Chemiesparte, die unter dem Namen Arxada als ein eigenes Unternehmen ausgelagert wurde. Die Gebäude, in denen der Covid-19-Impfstoff produziert wird, habe die Lonza, nunmehr ein Biotechkonzern, in «schwindelerregendem Tempo» hochgezogen, erzählt Dellberg. Lonza habe allein im vergangenen Jahr tausend Arbeitsplätze geschaffen. «Die Lonza bringt alles in Bewegung: Es gibt zu wenig Kitaplätze, knappen Wohnraum, kaum mehr Arbeitskräfte. Dazu kommen die Altlasten aus der Vergangenheit – wir haben hier die grösste Deponie der Schweiz», erzählt Priska Dellberg mit einer Verve, die vergessen lassen, dass sie gar nicht mehr als Journalistin arbeitet. Als Dellberg bei Radio SRF Wallis-Korrespondentin war, hätten sie ihre Kolleg:innen immer beneidet. «Denn hier spielen sich so viele gute Geschichten ab!» Auch Umweltereignisse und Klimawandel sorgen für einen steten Strom an Themen.
Diesseits des Bahnhofs von Visp ist fast alles Industrie, Industrie, Industrie. «Siehst du das Haus mit dem roten Punkt da hinten?» Näher an der Tierkadaversammelstelle als an der Lonza-Zentrale sitzt Pomona Media. Hier befindet sich das Medienzentrum des deutschsprachigen Wallis. Hier arbeiten die Redaktionen von Radio Rottu und «Walliser Bote». Und um über deren Arbeit zu sprechen, spazieren Priska Dellberg, die freie Pressefotografin Andrea Soltermann und ich von Eggerberg nach Brigerbad.
Vor der Zusammenführung mit dem Lokalradio sass der «Walliser Bote», in Brig an der Furkastrasse. Manche Ältere in der Redaktion klagten laut Priska Dellberg über den Umzug vor vier Jahren. «Wegen dem Kaffee!» ruft Andrea, bevor Priska sagt, dass man unterwegs zur Redaktion ins Visper Industriegebiet halt nicht mehr automatisch so vielen Menschen begegnet wie zuvor. «Am Ende ist es aber egal, wenn es im Juhee draussen ist – im Oberwallis sind wirklich alle mit dem Auto unterwegs.»
Vom Standort in der Peripherie publizieren «Walliser Bote» und Radio Rottu ins Zentrum der Debatte. Der «Walliser Bote» sei in den Cafés oft bereits am Mittag zerfleddert und in Einzelteile zerlegt. Die beiden Lokalmedien erreichen einen Abdeckungsgrad, von dem andere nur träumen können. Gemäss WEMF erreicht die gedruckte Ausgabe über 40’000 Leser:innen. Gleichzeitig läuft es online gut. «60’000 registrierte User:innen…» – «Das ist eine unglaubliche Zahl.» «Ja, die Zahl ist unglaublich.» 40’000 Print-Leser:innen bei 85’000 Deutschsprachigen im Kanton – daneben hat der Fernsehsender «Kanal 9» 31’000 Zuschauer:innen pro Tag. Radio Rottu Oberwallis RRO erreicht zwar nicht mehr 91 Prozent der Bevölkerung wie vor 30 Jahren, aber noch immer einen respektablen Anteil. «20 Minuten» gibt es im Oberwallis nicht. Ja, den «Blick» und «Tages-Anzeiger» sehe man in den Beizen auch, aber die Passion gilt der Region. In ihrer ganzen Breite.
Zu viele Beiträge aus dem Rest der Schweiz über das Wallis verbreiten nach Dellbergs Empfinden Klischees: Sie werden garniert mit Bildern von Walliser Politikern, Männern, die mittags schon Fendant trinken. Priska Dellberg hat genug davon. Das Wallis sei mehr als Christian Constantin, Kampfkühe und Raclette.
Viele, die heute hier leben, kommen von anderswo – oder haben einmal anderswo gelebt. Als sie einst in Zürich wohnte, sei am Freitag gegen 16 Uhr das Perron am Zürcher Hauptbahnhof voller «Heimwehwalliser» gewesen – und wenn der Zug bei Goppenstein aus dem Tunnel kam, konnte man das kollektive Aufatmen hören. Eine Freundin von Dellberg arbeitet in der Industrie in einem Team, in dem acht Nationalitäten zusammenkommen. Die regionalen Medien müssen auch all die Menschen mit breiterem Horizont abholen und mit ihren Geschichten aus dem Wallis ansprechen.
Dem «Walliser Bote» gelinge das. «Der WB ist besser geworden, viel diverser, er schreibt über mehr als nur den 50-jährigen Schäfer aus dem Saastal.» Sex im Alter, Tamponsteuer und Regenbogenfamilien seien als Themen beim «Walliser Bote» vor zehn Jahren noch nicht denkbar gewesen. «Der WB hat sich nicht auf einen Schlag geändert.» Als der Kleiderhändler Fredy Bayard vor vier Jahren das Medienunternehmen übernahm, habe er eine Öffnung gestartet. «Er sagt gern, dass der WB alle Glocken läuten lasse.» SVPler:innen und Grüne, Kulturschaffende und Hausfrauen – mangelnde Breite könne man der Zeitung nicht vorwerfen. Mit Nathalie Benelli ist beim «Walliser Boten» seit 2020 eine Frau Mitglied der Chefredaktion. Seit kurzem ist Silvia Graber Chefredaktorin von Radio Rottu. Die langjährige Fernsehjournalistin teilte sich zuvor die Radio-SRF-Korrespondentinnenstelle mit Priska Dellberg. Es sei zwar reichlich spät, aber immerhin: Es gibt nun Frauen in Führungspositionen bei Walliser Medien.
Die Strasse ist flach, die Strasse ist ruhig, wir befinden uns nun in den Halden. Mein Blick ist so fokussiert auf die Gesprächspartnerin wie in einem Interview am Tisch und trotzdem stürze ich nicht den Hang hinunter. Priska Dellberg weiss viel zu erzählen. Der «Walliser Bote» bringe einen Haufen schöne Reportagen. Man arbeite an Texten und sei ambitioniert im Redigieren. Im Moment kämen da viele gute Autor:innen zusammen. Dellberg liebt ihre Lokalzeitung. Sie gehört zu denen, die sich den «Walliser Boten» in die Ferien nachschicken lassen.
Doch kürzlich sei ihr fast die Kafitasse aus der Hand gefallen und ihre Mutter habe angerufen. «Auf dem Titel war das Foto eines Kriegstoten mit offener Schädeldecke.» Der «Walliser Bote» gelte momentan bei vielen «als Zeitung der grossen Lettern», boulevardesk, teilweise einseitig, aufs Provozieren aus. Sie selbst müsse ab und an leer schlucken – als Journalistin, die weiss, was man darf und was nicht und als Leserin, die ihre Lokalzeitung eigentlich mag. Ein krasses Beispiel war etwa, als in der ersten Woche des Kriegs in der Ukraine zwei im Wallis lebende «Putin-Verehrerinnen» aus der Donbas-Region ihre Sicht in einem Artikel verbreiten durften. «Da gibt man denen eine Doppelseite.» «Ohne Einordnung?» «Ohne Einordnung!» Das habe viele Kommentare und Leserbriefe ausgelöst. «Eine Frau schrieb, dass darf man so einfach nicht stehen lassen. Und solche Momente erlebte auch ich immer wieder in den letzten Monaten: Ich lese etwas und merke, dass man das so einfach nicht stehen lassen kann.» Man haue etwas raus, es wäre keine schlechte Geschichte – aber irgendeine Kontrollinstanz versagt. «Mit meiner Lokaljournalismuserfahrung denke ich da jeweils: Um unsere Arbeit zu machen, müssen die Leute uns vertrauen.» Wenn man am Vertrauen säge, säge man am eigenen Ast.
Die Leute im Wallis, die reagieren schnell. Als Dellberg auf Radio SRF einmal die Glutnester eines Waldbrands – natürlich, nachdem klar war, dass er unter Kontrolle ist – mit einem Weihnachtsbaum verglichen hatte, kamen bereits fünf Minuten nach der Sendung die ersten verärgerten Anrufe. Diese Aufmerksamkeit ist ein rares Gut. Sie kenne Politiker:innen, die diesem oder jenem Redaktionsmitglied des «Walliser Boten» keine Auskunft mehr erteilen. Das sei hier im Oberwallis eher die Art zu reagieren, man wende sich nicht an den Presserat, sondern reagiere direkt mit Gegendarstellungen und Anrufen auf der Redaktion.
Die Fehlleistungen ärgern Dellberg gerade, weil sie das Medium schätzt. «Wegen einzelnen Artikeln wird der WB noch immer als einseitig wahrgenommen, obwohl er’s eben nicht mehr ist.» Bei einer Ausgabe «fällt dir die Kinnlade runter», doch wer über die ganze Woche hinweg liest, sieht: Andere Perspektiven kommen vor. «Du merkst, da schreiben Verschiedene in verschiedenen Tönen.»
Unser Weg passiert Häuser, Ställe und «Gädis». Dazwischen öffnet sich nochmals imposant das Industrietal. Die lodernde Flamme auf dem Lonza-Areal haben wir nun mitten im Blick. Wie ist eigentlich die Recherche des «Tages-Anzeigers» angekommen, die geschildert hatte, dass etwa ein Hundertstel der Schweizer Treibhausgase allein aus der Fabrik da unten stammt? Der Artikel sei wahrgenommen worden, sagt Dellberg diplomatisch. Die Lonza sei enorm wichtig für die Region, aber mit ihren 3000 Arbeitsplätzen «inzwischen halt ein Klumpenrisiko». Man mache politisch und gesellschaftlich viel, damit sie wachsen kann. «Trotzdem ist den Oberwalliserinnen und -wallisern bewusst, dass die Firma auch ihre Schattenseiten hat.» Über die früheren Umweltsünden der Firma berichten «Walliser Bote» und «Kanal 9» «recht intensiv». Man fasse die Lonza nicht mit «Samthandschuhen» an.
Ohnehin – darin liege vielleicht auch die lokale Hingabe zu den Medien begründet – hätten viele Oberwalliser:innen Freude am Streiten, der leidenschaftlichen Debatte. Für Politiker:innen sei das Wallis eine gute Schule, es härte ab. «Das Politisieren im Wallis ist alles andere als Nasenwasser.» Im Wallis, beiderseits der Sprachgrenze, können Politiker:innen gut für die Bundespolitik trainieren.
Die Sprachgrenze sei ein Fakt, aber natürlich kein Graben. Dellberg liest auch täglich «Le Nouvelliste» aus Sion, wo eher über einen Dorfladen in Troistorrents als über die Eisbahn von Saas-Grund berichtet wird. Das einzige Medium, das für beide Regionen da ist, ist der Fernsehsender «Kanal 9», respektive «Canal 9». Obwohl er erst 2009 auf Deutsch startete, hatte er sich wohl auch wegen dem Debattenfokus schnell breit lanciert. Anfangs setzte «Kanal 9» stark auf Diskussionssendungen. Einigen Politiker:innen gelang es sich mit «Kanal 9» überregional zu positionieren. Etwa der heutige Walliser CVP-Ständerat Beat Rieder, der seine Karriere als Talratspräsident im Lötschental anfing, habe «rasch erlickt», dass er es mit dem Sender schafft, «aus seinem Tal rauszukommen». «Alles, wo die Leute einander aufs Dach geben, kommt hier an.» Doch mittlerweile habe der Sender die Debattenformate praktisch gestoppt. Anders als der «Walliser Bote» mache «Kanal 9» relativ wenig von sich reden. «Weder im Guten noch im Schlechten.»
«Nicht, dass du über die eigenen Füsse fällst!», mahnt Dellberg, als ich das Aufnahmegerät in die Tasche packe. Wir verlassen den asphaltierten Weg, fast schon oberhalb von Lalden, und laufen auf einem Pfad, wo Stock und Stein unter den Sohlen spürbar sind. Wir kommen an hohen Eisenbahnbrücken vorbei. In den Windungen des Wegleins vergesse ich die Lonza und die Zivilisation schnell. Doch anders, als wenn ich privat wandere, bin ich nun mit zwei Ortsansässigen unterwegs. Ihre Themen, ihre Vertrautheit mit der Umgebung verschafft einen anderen Bezug zum Weg – wie, wenn ich den lokalen Zungenschlag bloss beim Kaufen der Wanderration an der Volg-Kasse höre. Apropos Dialekt: Gibt es eine Person on air im Radio oder am Fernsehen, die kein Walliserdeutsch spricht? «Ui nein. Das käme nicht gut.» Pause. «Im Gegenteil. Gerade ‹Kanal 9› zeigt die Vielfalt der Region.» Viele Dialekte «von überall aus dem Oberwallis» seien vertreten – auch eine Moderatorin aus dem Lötschental. Dellberg hat sich für den Spaziergang vorbereitet: Gespräche geführt, viele Zahlen recherchiert und Eventualitäten überlegt. Aber mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet.
Über das zweite Pomona-Medium, über Radio Rottu, sprachen wir bis dahin noch gar nicht. Ist das so ein typischer Sender, den man beim Arbeiten im Hintergrund hört? Die relativ lange Hördauer weise daraufhin, antwortet Dellberg. Ob man in Brig in einen Laden tritt oder im Sommer ins Schwimmbad geht – Radio Rottu höre man überall. «Die Leute hören ‹Radio Rottu›, weil Walliserdeutsch gesprochen wird, weil es Wunschkonzerte gibt, Unterhaltung – es ist ein Radio ‹vo iisch für ew›.» Vor Corona habe man das Aussenstudio oft an Anlässen und Ausstellungen gesehen. «Sie schafften das, obwohl sie den Laden mit so wenigen Leuten schmeissen.» Radio Rottu brachte in den letzten Jahren bloss wenige Minuten regionale Nachrichten. Jetzt stemmt die Redaktion zu sechst 20 Minuten Nachrichten mittags und 20 Minuten abends. Das ist aber nur wegen der engen Zusammenarbeit mit der Zeitungsredaktion möglich. «Für die wenigen Mittel, die sie haben, machen sie es sehr gut.» 2,3 Millionen Franken Gebührengelder erhält «Radio Rottu».
Wie viele spätere SRF-Journalist:innen startete Dellberg ihre Laufbahn bei «Radio Rottu», als Teil einer «Praktikantinnenhorde». «Es war damals ein total anderes Unternehmen, mit einer recht starken Redaktion. Damals gab es zwei Stimmen, die die kantonale Politik eigenständig kommentierten.» Heute stellt eine Person dem Staatsrat Fragen, die dann in Zeitung und Radio eingehen. Das sei die Schattenseite von Pomona Media. Aber Dellberg sieht die Mediensituation im Wallis nicht dunkelgrau oder schwarz. Auch, dass das Medienpaket bachab ging, verkrafte der regionale Journalismus.
«Natürlich hat die Vielfalt abgenommen.» Früher seien im Oberwallis zwei unabhängige Wochenzeitungen präsent gewesen und jetzt sind sie weg. Die «Rote Anneliese» gibt es nicht mehr? «Die habe ich nicht mitgerechnet. Das ist vor allem ein Lautsprecher von Peter Bodenmann.» Das Blatt lebt heute höchstens noch vom früheren guten Ruf. Dellberg meinte aber die «Rhonezeitung», die Fredy Bayard übernommen und eingestampft hat und die «Gommer Zeitung», die «sehr lokal, solide Arbeit» gemacht habe. «Solche Dorfblätter braucht es auch. Der WB hat nämlich eine andere Flughöhe.»
Dass der Modeunternehmer Fredy Bayard Titel gekauft und fusioniert hat, sei insgesamt positiv. Dellberg sagt, im Wallis verdanke man dem Quereinsteiger viel. «Der Verlag wäre sonst bei CH Media oder sonstwo. Für die Walliser ist es schlimm, wenn sie Eigenständigkeit verlieren.» Es sind Medien verschwunden. Sie sind in einem Haus konzentriert. Eine lokale Monopolsituation ist entstanden. «Fredy Bayard bestreitet das gar nicht.» Die fehlende Konkurrenz habe jedenfalls nicht zu Beisshemmung geführt. Das könne man den Medien bei bestem Willen nicht vorwerfen. «Vor allem dem WB nicht.»
Ganz zu Ende enttäuscht die Ortskenntnis der Einheimischen: In Brigerbad warten wir am falschen Ort auf das Postauto, müssen winken und rennen. Als wären wir allesamt «Üsserschwiizer», die in Funktionskleidung in einer Altstadt-Bar sitzen und von ihrem Ausflug in die Bergwelt schwärmen.
Im Zug zurück vergleiche ich Zugriffs- oder Abozahlen von Lokalmedien anderswo mit der jeweiligen Bevölkerung. Lokaljournalismus hat ein Handicap in Zeiten von reichweitenorientiertem Online-Journalismus: Ein Skandal in einer Chemiemülldeponie interessiert landesweit, aber spätestens, wenn es um Zonenpläne geht, ist das schlicht nur lokal relevant. Redaktionen werden zusammengelegt, weil es sich sonst angeblich nicht mehr rechnet und bald werden die Zonenpläne nur noch als Einspalter angeteasert. Das Beispiel des Oberwallis zeigt, dass es auch anders ginge: Medien können wirklich eine ganze Region erreichen.
Dass die «Obwaldner Zeitung», die sich von ihrem Nidwaldner Pendant kaum mehr unterscheidet, nicht die Reichweite eines «Walliser Boten» erreicht, scheint klar. Doch auch unabhängige Lokalmedien mit eigenen, engagierten Redaktionen erreichen nicht annähernd den Abdeckungsgrad eines «Walliser Boten». Natürlich spielen in die Walliser Zahlen auch die Kleinräumigkeit, die starke Lokalidentität und vieles mehr mit rein – doch trotzdem wirkt dieser Medienplatz wie ein Denkzettel für den Journalismus im Rest des Landes: Das, was die erreichen, wäre auch anderswo möglich.
Bilder: Andrea Soltermann
Die drei dominierenden Medien im Oberwallis
Wenn sich der «Walliser Bote» potenziellen Inserenten als «Hauspostille der Oberwalliser Bevölkerung» anpreist, dann ist das mehr als nur ein Werbespruch. Mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung erreicht die in Visp erscheinende Tageszeitung im Oberwallis. Seine monopolartige Stellung zementierte das Blatt dank dem geschäftlichen und redaktionellen Verbund mit dem Lokalsender «Radio Rottu Oberwallis» RRO, das sein Programm ohne Konkurrenz seit 1990 in die Bergtäler sendet. Vor vier Jahren folgte eine historische Zäsur: Zuerst übernahm der frühere Bekleidungsunternehmer 2018 die Aktienmehrheit der Mengis Druck- und Verlags AG, die den 1840 gegründeten «Walliser Boten» seit 1931 herausgegeben hatte. Ein Jahr später erwarb er auch noch das Lokalradio RRO.
Bayard, obwohl ohne Erfahrung in der Medienbranche, sollte sich schnell als gewiefter Verleger erweisen. Er unternahm wegweisende Schritte für das Unternehmen, das neu Pomona Media heisst. Seit 2021 bezieht der «Walliser Bote» Artikel von CH Media und übernimmt am Samstag den Mantelteil der «Schweiz am Wochenende». Geschäftlich setzt Bayard ganz auf Bezahlinhalte und liess eine harte Paywall hochziehen. Das sorgte zuerst für ein Murren beim Publikum, aber als Monopolist kann man einen solchen Schritt einfacher durchsetzen, weil es keine Konkurrenz gibt, die einen mit Gratis-Inhalten bedrängt.
Das jüngste reichweitenstarke Lokalmedium ist «Kanal 9» aus Siders. Der Regionalsender begann ab 2009 als Ableger des französischsprachigen «Canal 9» ein Programm fürs Oberwallis auszustrahlen. Finanziert wird der von einem Verein getragene Sender massgeblich aus der Haushaltabgabe für Radio und Fernsehen.
Nick Lüthi