The Good, The Bad & The Ugly LXXVII
Zwei am Morge, Papierknappheit, PR-Coup
The Good – Bye am Morgen
Nach vier Jahren ist es vorbei mit dem SRF-Webvideo-Format «Zwei am Morge». Die Abschiedsfolge hatte ihre Schwächen: Köfte-Grillieren mit Bundesrat Berset wirkt auf dem Papier vielleicht wie eine gute Idee. Doch da sich Hosts und Berset nichts anderes mitteilen zu hatten, als gegenseitige, übertriebene Anerkennung, wirkte das Treffen wie ein peinlicher PR-Termin.
Am besten war «Zwei am Morgen», ohnehin, wenn es daneben ging. Und zwar stärker, als man es sich in der Brainstorming-Sitzung ausmalte: Zum Beispiel, als das «Zwei am Morge»-Team in «Freiheitsbläser»-T-Shirts mit Laubbläsern eine Demo von Massnahmenskeptiker:innen aufmischen wollte. Erst schickt sie ein Demopolizist weg, dann droht ihnen ein Demonstrant mit Gewalt, gegenüber der zweiten Polizeikontrolle bleiben nur kleinlaute Worte: «Wir sind von einem Comedy-Format, ‘tschuldigung!» Den krönenden Abschluss bildete der Rant von Ramin Yousofzai im Auto auf dem Heimweg: Er hätte lieber ausgeschlafen, als sich von allen Seiten anfeinden zu lassen. «Und Till, wir sagten: Mach etwas Photoshopmässiges, aber nicht eins zu eins einfach ihr Logo klauen.»
Den Einsatz in «Freiheitsbläser»-Shirts hatten sich die Macher:innen wohl anders ausgemalt. Doch «Zwei am Morge» hat es ausgehalten und die Zuschauer:innen bekamen dafür Satire am Limit. Ramin Yousofzai, Robin Pickis und Team haben einfach genug Hyperaktivität und Kontrollverlust versammelt, um alle Assoziationen zu unterlaufen, die man mit SRF verbindet. Nicht nur Bundesrat Berset wird die Show vermissen.
The Bad – Der Papierpreis steigt rasant
Das gedruckte «20 Minuten» ist derzeit an manchen Tagen so dünn – man könnte meinen, der Bundesrat hätte diese Woche nicht die letzten Pandemiemassnahmen aufgehoben, sondern alle Pendler:innen sässen im Lockdown zuhause. Liegt es am Papierpreis?
In der gegenwärtigen Rohstoffkrise wird das Zeitungspapier massiv teurer. Der «Beobachter» titelt: «Papierkrise spitzt sich zu». Das Papier, auf dem das Magazin gedruckt ist, sei innert Jahresfrist 84 Prozent teurer geworden. Der «Beobachter» nennt dafür verschiedene Gründe. Erstens: Es fehlt an Altpapier. Aufgrund des Onlinehandel-Booms wird mehr und mehr Papier unwiederbringlich zu Verpackungskarton rezykliert. Zweitens: Die Papierproduktion ist energieintensiv – und die Strompreise steigen infolge des Kriegs in der Ukraine stark. Und drittens komme «ein anhaltender Streik» in der wichtigen finnischen Papierindustrie dazu.
Am stärksten von den steigenden Preisen betroffen sind kleine Medien. Es liegt denn auch nicht an der Papierkrise, dass «20 Minuten» an manchen Tagen inklusive Werbung nur 20 Seiten hat. «Der Umfang unserer Printausgabe ist abhängig von der Anzahl Printanzeigen», sagt Sprecherin Eliane Loum. Die gedruckte Ausgabe sei für «20 Minuten» weiterhin wirtschaftlich so bedeutend, dass kein Ende der Printausgabe geplant sei. Tatsächlich habe sich die Printauflage wieder auf «deutlich über 500’000 Exemplare erholt, was uns optimistisch für die Zukunft stimmt».
Dass viele für die Zukunft darauf verzichten könnten, dass 500’000 Gratiszeitungen mit der Schlagzeile «Hunderte Gastfamilien geben Flüchtlinge zurück» auf der Titelseite gedruckt, verteilt und im Tram liegen gelassen werden, ist ein anderes Thema.
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The Ugly – PR-Coup der Zürcher Justizdirektion
Gute Presse erhalten Gefängnisse selten – umso dankbarer ist wohl die Zürcher Justizdirektion für ihren Coup vergangene Woche. Das neue Gefängnis Zürich-West lud zum Testbetrieb ein und es meldeten sich Journalist:innen von Keystone-SDA, «20 Minuten», SRF, NZZ, «Tages-Anzeiger», Watson, «Tele Top», «Tele Züri», «ZüriToday» und «Le Temps» zum Selbstversuch an. Der Versuchung widerstanden hat der «Blick».
Die Journalist:innen liessen sich bis zu drei Tage einsperren, dokumentierten die «nette» Morgenbegrüssung, die Bücherauswahl (Krimi im Knast – hihi!), sowie das harte Gefängnisleben (Butter ersetzt Labello für die Lippenpflege). Manche Beiträge zeigen mehr Bemühen, die relevanten Informationen herauszufiltern als andere, die die Vorzüge eines handyfreien Knastaufenthalts hervorheben. Insgesamt ist es aber beschämend, wie viele Journalist:innen antraben, wenn die Justizdirektion des Kanton Zürichs mit einer vermeintlich originellen Story lockt.
Etwa zehn Journalist:innen verschwendeten mehrere Tage Arbeitszeit für die Schilderung bemerkenswert ähnlicher halbphilosophischer Ergüsse über das Eingesperrtsein. Man stelle sich vor, sie hätten dieselbe Recherchezeit aufgewendet, um die Geschichten von (Ex-)Häftlingen zu erzählen, für die diese Situation nichts Spielhaftes hat. Im Anmeldeformular für den Gefängnistest verwendete die Zürcher Justizdirektion ein Zwinkersmiley. Was für ein Spass.
Christian Bernhart 02. April 2022, 10:33
Das ist halt der Röstigraben. Le Temps war auch dabei und hat dafür sehr sehr viel Platz eingeräumt.
Nick Lüthi 02. April 2022, 11:58
Merci für den Hinweis. Habe wir entsprechend ergänzt im Text.