The Good, The Bad & The Ugly LXXX
Rundschau/Watson, Swiss Press Award, Sonntagszeitung
The Good – Gelungene Kooperation
Eine gemeinsame Recherche von «Rundschau» und «Watson» widmete sich vergangene Woche einem Femizid von Oktober 2021. Fulya Demi ist mutmasslich von ihrem Ehemann erstochen worden.
Die beiden Journalistinnen Sarah Serafini und Samira Zingaro (Bild) begannen die Recherche kurz nach der Tat. Sie besuchten Demis Eltern in der Türkei, sprachen mit der Nachbarin in Altstetten: «Uns war wichtig, dass wir unsere Protagonist:innen nicht ‹überfallen›», sagt Serafini zur MEDIENWOCHE. Mit viel Gesprächen, Zeit und Einfühlungsvermögen haben die beiden Journalistinnen nach und nach ein Vertrauensverhältnis geschaffen, das ihnen erlaubte, in die Welt von Demi einzutauchen. «Bevor wir im Februar zu den Eltern und der Schwester in die Türkei reisten, standen wir bereits drei Monate lang in regem Kontakt.» Wie berichtet man über ein Thema, das einen als Frau selber betreffen könnte? Die Recherche sei teilweise aufwühlend gewesen, sagt Serafini: «Vor allem Gespräche mit Menschen, die Fulya gut gekannt hatten, waren manchmal schwer zu ertragen. Ich fand es richtig und wichtig, dass auch wir geweint haben, wenn uns danach war.» Entstanden ist ein starkes Stück Journalismus und das auf mehreren Ebenen: gemeinsam statt konkurrenzierend, empathisch und trotzdem reflektiert.
The Bad – «Keine Statistik nach Geschlechtern»
Am 27. April werden die Gewinner*innen des diesjährigen Swiss Press Award geehrt, vergangene Woche wurden die Nominationen bekanntgegeben: Unter den 30 Nominierten finden sich gerade einmal sechs Frauen.
«Wir führen keine Statistik nach Geschlechtern», sagt Mitorganisator Michael von Graffenried auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Und er verweist auf den Swiss Press Photo Award, dort stehen die Gewinner*innen nämlich bereits fest: Der 2. Preis in der Kategorie Porträt ging an das Kollektiv «50-50-50», das im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums der Frauenstimmrechts 50 Frauen fotografiert hat.
Die Fotografinnen haben ihre Frauenporträts alle einzeln eingeschickt. Für von Graffenried bedeutet das, dass der Swiss Press Award «noch nie so viele Preisträgerinnen in einem Jahrgang gehabt hat». Auf der Webseite ist allerdings nur eine der 50 Fotografinnen als Gewinnerin aufgeführt. Von Graffenried sagt, dass leider noch immer zu wenig Frauen an den Ausschreibungen mitmachen – dass es aber jedes Jahr «ein wenig besser» werde. Immerhin sind die Frauen in den sechs verschiedenen Jurys in der Mehrheit: 18 Frauen und 15 Männer.
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The Ugly – Unwidersprochen stehen gelassen
Die Journalistin Alice Schwarzer hat ein neues Buch geschrieben und wurde in der letzten «Sonntagszeitung» dazu interviewt. Die Altfeministin wird unter anderem gefragt, ob es ein Jugendtrend sei, dass sich vor allem die Generation Z «mit LGBT-Themen auseinandersetzt», es gehe um «subjektive Geschlechter», dem das biologische «notfalls angepasst wird» und darum, ob Mütter die «Treiber der Entwicklung» seien, «weil ihre Kinder und deren Wünsche für sie das Mass aller Dinge sind».
Schwarzer stellt in ihren Antworten die These von «echten Transsexuellen» auf und sagt, dass trans Buben (die sie allerdings fälschlicherweise als Mädchen gendert) «in den meisten Fällen nur ein Unbehagen an der Frauenrolle verspüren». Hanna Jannsen ist im Vorstand des queeren Vereins Milchjugend und sagt zur MEDIENWOCHE: «Als erstes finde ich es problematisch, das Ganze als ‹trans Debatte› oder ‹trans Ideologie› darzustellen. Es geht hier um Menschen und deren Rechte nicht um irgendeine ‹Debatte›.» Trans Menschen sind Menschen, die die gleichen Rechte und Chancen verdient haben wie alle anderen Menschen auch, so Janssen: «Ich finde metaphysische Fragen wie ‹Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?› nicht produktiv.» Dass jungen trans Menschen in vielen Fällen nicht geglaubt wird, oder dass ihr Outing als «Phase» abgetan ist, gehört zum bekannten Inventar der Transfeindlichkeit, die mit solchen Aussagen wie denjenigen von Schwarzer zementiert wird – und sie bleiben im Interview unwidersprochen.
Artur Vogel 23. April 2022, 10:32
Eieiei, das ist wirklich ugly: Frau Schwarzer darf Ihre Meinung der Öffentlichkeit kundtun, ohne dass sie die Ideologie der „Medienwoche“-Mitarbeiterin gebührend berücksichtigt. Das geht nun wirklich nicht, Meinungsfreiheit hin oder her. (Ironie off)
Pius Frater 23. April 2022, 17:09
Diese Kolumne ist leider überflüssig wie ein Kropf – weil absolut vorhersehbar und «biased»: Tagi, NZZ, Ringier böse, Woz, watsen, Megafon super. Jede Woche, same procedure. Dafür Geld spenden? Sorry.
Michael Lütscher 24. April 2022, 11:04
Bin einigermassen befremdet darüber, dass die Medienwoche das Aufwerfen von Fragen als „ugly“ qualifiziert. Und wenn Hanna Jannsen sagt, Alice Schwarzer liege falsch, so ist das zumindest ansatzweise das, was es laut Jannsen nicht sei, nämlich eine Debatte. Und das ist doch eine der zentralen Funktionen der Medien.