von Benjamin von Wyl

Warum nicht alles glücklich macht in der «Glückspost»

Das einzige Klatschmagazin der Deutschschweiz tätschelt Schweizer Promis und geht mit europäischen Royals weniger zurückhaltend um. Daneben pflegt die «Glückspost» «Esoterik» als eigene Rubrik und berichtet Mitte März über Putins Horoskop.

Jede Kioskauslage wirkt unvollständig, wenn das Logo mit dem vierblättrigen Kleeblatt fehlt. Vom Kiosk kennen die «Glückspost» alle in der Schweiz. Bei den meisten bleibt es aber beim Blick aufs Titelblatt. Das verspricht nicht bloss Glück: «So geht es ihm im Gefängnis» über Boris Becker. Und: «Viele Rätsel und Schicksalsgeschichten!» Wer das Magazin aufschlägt, sieht ein Inhaltsverzeichnis in ähnlichem Stil: «Königin Letizia: So sieht es bei ihr ‹darunter› aus.» Die «Glückspost» scheint auf Kontroverse und Skandal getrimmt.

Die «Glückspost» gehe «grundsätzlich positiv» auf Prominente zu, erfährt die MEDIENWOCHE vom stellvertretenden Chefredaktor Marco Hirt. Der Name «Glückspost» sei wörtlich zu verstehen – von negativer Klatschberichterstattung nehme man Abstand. «Es liegt uns fern, Prominente in die Pfanne zu hauen und über sie zu lästern, da dies auch von der Leserschaft nicht akzeptiert würde.»

Die MEDIENWOCHE hat das einzige Magazin der Schweiz, das sich überwiegend dem People-Journalismus widmet, während vier Monaten gelesen. Die Lektüre der «Glückspost» macht nostalgisch. Sie erinnert an eine Zeit, als am Samstagabend viele Menschen in der Schweiz «Benissimo» geschaut haben. An eine Zeit der Fernsehabende, in der Comedy-Karrieren nicht auf Youtube sondern auf «SF» begonnen haben. Trotz aller Nostalgie fällt die «Glückspost» nie ins Reaktionäre. Gesellschaftspolitisch ist das Unterhaltungsblatt erstaunlich progressiv – so erzählt sie etwa einfühlsam die Geschichte von einem Ehepaar mit Kindern, das glücklich und freundschaftlich zusammengeblieben ist, nachdem sie sich als lesbisch geoutet hat. Queere Themen finden unaufgeregt Platz im Unterhaltungsblatt.

Schweizer Promis stellt die «Glückspost» in freundlich-respektvollen Porträts vor.

Wenn die «Glückspost» zu Besuch kommt, wenn sie Zeit investiert und in die Wohnung gelassen wird, berichtet sie so gut wie immer überschwänglich. Trotzdem besteht jedes Heft zu etwa einem Viertel aus Drama. Das Drama sucht sich die «Glückspost» international: Eine Frau verliert drei Kinder. Ein Hund ist beinahe verbrannt und entspricht heute nicht mehr den Schönheitsnormen. Zwei Freundinnen haben sich hintergangen. Diese tragischen «Schicksale» spielen sich oft in Grossbritannien oder Nordamerika ab und beinhalten wenig bis keine journalistische Eigenleistung.

Ähnlich scheint es beim Umgang mit Promis: Wenn die «Glückspost» zu Schweizer Promis nach Hause oder mit ihnen zum Verwandtenbesuch im Altersheim darf, gibt sie den Prominenten Raum, ihre aktuellen Projekte zu bewerben – ob es eine Fernsehsendung, ein Musikalbum oder ein Theaterstück ist. Wenn ein populärer Komödiant Geburtstag hat, gibt es zwei Seiten höfliche Anerkennung – inklusive gut platziertem Werbehinweis für das aktuelle Stück im Zürcher Bernhard-Theater. Schweizer Fernsehleute, ob «Tagesschau»-Sprecher:innen oder solche aus dem Unterhaltungssektor, werden in freundlich-respektvollen Porträts vorgestellt. Und eine 90-jährige Fernsehschauspielerin erscheint im «Glückspost»-Porträt «überglücklich».

Fürstin Charlène von Monaco, sowie deren Mann und Kinder, erhalten von der «Glückspost» viel Aufmerksamkeit und wenig Wohlwollen.

In den Kurzbeiträgen setzt das Klatschmagazin wiederum auf Dramatik – über dieselbe 90-jährige Schauspielerin titelte die «Glückspost» auch einmal: «Ihr Wunsch: bald sterben zu können!» Doch das war ein Zusammenschrieb eines Interviews aus Deutschland. Auch Schweizer Promis erzählen in der «Glückspost» nicht immer nur von ihrem Glück – doch es scheint so, dass sie über Schweizer Promis dann berichtet, wenn diese etwas erzählen wollen. Diese Storys berichten vom Überwinden von Negativem. Die «Glückspost» recherchiert nicht in deren Umfeld oder zitiert keine anonymen Kenner:innen oder Freund:innen der Familie.

Anders als bei den monegassischen Royals. Mit diesen befasst sich die «Glückspost» intensiv. Fürstin Charlène von Monaco, sowie deren Mann und Kinder, erhalten viel Aufmerksamkeit und wenig Wohlwollen. Einmal spekuliert die «Glückspost», ob die an Depressionen leidende Fürstin «eine Flucht plant», bezeichnet Charlène als «immer noch labile» Fürstin und behauptet in Berufung auf eine «Bekannte», dass die kranke Fürstin weder ihren höfischen Pflichten noch der Kindererziehung nachkomme. Ein andermal bringt die «Glückspost» «das ersten Foto» von Charlène nach längerem Therapieaufenthalt – das körnige Bild von der Rollbahn eines Flugplatzes reicht für eine Titelstory. Eine weitere Titelstory von Ende Februar sorgt sich angeblich «um das Seelenwohl ihrer Kinder». Respektvoll wäre es, über eine Person, die von einer psychischen Krankheit getroffen ist, zurückhaltend zu berichten. In anderen Fällen zeigt die «Glückspost» dafür Sensibilität – gegenüber der monegassischen Fürstin nicht.

«Charlene ist ein besonderer Fall – seit dem Beginn ihrer Liebe zu Fürst Albert II. ist das Interesse der Leserschaft an ihrem Schicksal enorm gross.»
Marco Hirt, stv. Chefredaaktor «Glückspost»

Jedes neue Detail reicht der «Glückspost» für einen Artikel über den monegassischen Hof. «Fürstin Charlene – brisanter Vertrag: Ehe nur noch Schein!», am 12. Mai. Zwei Wochen später krittelte die «Glückspost», dass Mann und Kind ohne Fürstin im Disneyland gewesen sind. Mit überbordender Berichterstattung über das Fürstenhaus von Monaco ist die «Glückspost» nicht alleine. Weshalb nur befassen sich die People-Ressorts so intensiv mit Monaco? Womöglich weil ein Staat der Reichen und Schönen am Mittelmeer eine Projektionsfläche für viele Leser:innen bietet.

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Marco Hirt sieht die Berichterstattung über Fürstin Charlene in keinem negativen Licht: «Von uns aus betrachtet sehen wir da keine bösartige Berichterstattung. Charlene ist ein besonderer Fall – seit dem Beginn ihrer Liebe zu Fürst Albert II. ist das Interesse der Leserschaft an ihrem Schicksal enorm gross. Und in dieser Krankheitsphase speziell. So gehörte es für uns auch dazu, diese Phase zu verfolgen.»

Vor bald 20 Jahren waren es auch monegassische Royals, die sich bis vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich gegen ins Private dringende Berichterstattung gewehrt hatten. Dieses «Caroline-Urteil», benannt nach der klagenden Caroline von Monaco, dämmte die Zügellosigkeit der Klatschpresse europaweit ein, weil es festhielt, dass auch für Promis ein gewisser Schutz der Privatsphäre gilt. 147 Einträge finden sich in der SMD zu Caroline von Monaco, zum letzten Mal berichtete die «Glückspost» vor drei Jahren grösser über «Die Tragik ihrer gescheiterten Ehe». Der Beitrag liest sich respektvoller als einige der Beiträge vor 20 Jahren, etwa über den «Hass der Schwestern».

Häufig ähneln diese «Glückspost»-Artikel, die von Mitgliedern der Redaktion geschrieben worden sind, Artikeln, die etwa in «The Sun» oder «Mirror» erschienen sind.

Nicht nur die Leser:innen von Klatschmagazinen interessieren sich für Royals, und auch bei anderen Medien kippt das Interesse an ihnen zuweilen in Voyeurismus. Publizistisch lässt sich die intensive Berichterstattung über die Fürstin von Monaco also eher nachvollziehen als die regelmässigen Berichte über dramatische Un- und Vorfälle von nicht-prominenten Menschen aus den USA oder Grossbritannien. Die drastischen Bilder und die Schocknachrichten, bei denen Zeit und Ort weder in Titel noch Lead vorkommen, scheinen nicht zum positivien Kurs der «Glückspost» zu passen. Häufig ähneln diese «Glückspost»-Artikel, die von Mitgliedern der Redaktion geschrieben worden sind, Artikeln, die etwa in «The Sun» oder «Mirror» erschienen sind. Gegenüber Marco Hirt nannte die MEDIENWOCHE als Beispiel die Geschichte einer Britin, die insgesamt drei Kinder verloren hatte. Die Geschichte wird drastisch erzählt: «Ich hatte das Gefühl, ich stünde an der Schwelle des Todes.» Dieses und andere Zitate finden sich exakt in dieser Form in einem Artikel des britischen «Mirror», der etwa zehn Tage vorher publiziert worden ist. Ein Verweis auf den «Mirror» fehlt in der «Glückspost». Marco Hirt antwortet dazu: «Schicksalsgeschichten sind zum Teil Einkäufe über Agenturen, wo die Ersterscheinung, wie zum Beispiel der ‹Mirror›, nicht genannt werden muss.» Wenn es sich aber um einen eingekauften Artikel handelt, erscheint es sonderbar, wenn dann trotzdem eine «Glückspost»-Redaktorin als Autorin des Beitrags auftritt.

In den Kleinanzeigen bewerben viele Hellseher:innen ihre Telefondienste und auch im redaktionellen Teil gibt es «Esoterik» als eigene Rubrik.

Während britische Boulevardzeitungen nicht zitiert werden, verweist die «Glückspost» in ihren Artikeln hingegen regelmässig auf «Bunte» und «Freizeit Woche», die sie zitiert oder deren Berichte als Anlass für eigene Beiträge nimmt. Anders als die «Glückspost» steht die deutsche Klatschpresse regelmässig in der Kritik und muss immer wieder Beiträge löschen. Wie positioniert sich da die «Glückspost»? Gar nicht. Zur Qualität der Klatschpresse in Deutschland «enthalten wir uns einer Wertung», so Hirt. Das Angebot in Deutschland sei «vielfältig».

Die «Glückspost», die unter diesem Namen seit 1977 bei Ringier erscheint, erreicht gemäss WEMF gegenwärtig eine Viertelmillion Leser:innen. Diese sind grösstenteils betagt: Über 70 Prozent haben das 55. Altersjahr hinter sich gelassen. Neben Prominews und «Schicksalen» porträtiert die «Glückspost» regelmässig «normale» Leute, bietet Rätsel, sowie Koch-, Reise- und Gesundheitstipps. In den Kleinanzeigen bewerben viele Hellseher:innen ihre Telefondienste und auch im redaktionellen Teil gibt es «Esoterik» als eigene Rubrik. Unter diesem Label finden sich etwa Beiträge zu indischer Spiritualität, lebendigem Wasser und, etwas blasphemisch, auch Artikel zu katholischer Sakralkunst aus dem Mittelalter.

Astrologin Elizabeth Teissier balanciert zwischen Allgemeinplätzen und Vorhersage – und spielt dabei mit den Hoffnungen der Leser:innen auf Frieden.

Ins Feld der Esoterik gehört wohl auch der erste und einzige grosse Beitrag, mit dem die «Glückspost» den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aufnahm. Das Magazin erscheint immer donnerstags und hat anscheinend eine lange Produktionszeit. Am Donnerstag, 24. Februar, startete der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch eine Woche danach fand sich in der «Glückspost» kein Wort zum Krieg. Ein Bericht über den besonders harten Winter in Moldawien erzählt von einer Situation in Osteuropa, die da bereits überholt scheint. Erst am 10. März prangt auf dem Titel «Krieg in der Ukraine» und eine Frage, die viele Menschen umtreibt: «Wann wird es Frieden geben?» Im Editorial dieser Ausgabe freut sich Hirt darüber, dass ihm das Kundenmagazin des «Gartencenter meines Vertrauens» eine «sehr willkommene Abwechslung» in die «traurig machende Zeit wegen des Ukraine-Kriegs» biete. Doch obwohl das Editorial die Flucht ins Private, beziehungsweise in die Gartencenter-Publizistik, rühmt, verspricht die Titelgeschichte Lösungen. Diese sollen von der bekannten Astrologin Elizabeth Teissier kommen.

Teissier betont im Interview, dass sie keine Prognosen zu politischen Entwicklungen geben kann. Gleichzeitig tut sie dann genau das: «Wir» würden jetzt die Folgen der «sehr harten Planeten-Zyklen von 2020/21» erleben. «Erst Ende März» bestehe Hoffnung. Für Wladimir Putin «dürfte diese Krise länger dauern» – die Astrologin nennt den Zeithorizont Ende 2022 oder Anfang 2023. Putin müsse «mit mehr und mehr Protest» aus der russischen Bevölkerung rechnen. Zum Abschluss darf sie darlegen, dass Putin womöglich ein «Schreckenskönig» sei, der von Nostradamus prophezeit worden ist. Teissier balanciert zwischen Allgemeinplätzen und Vorhersage – und spielt dabei mit den Hoffnungen der Leser:innen auf Frieden. Die «Glückspost» macht mit: «Kann sie uns Hoffnung machen, dass es bald Frieden gibt?» heisst es im Lead.

Ganz grundsätzlich erscheint es fragwürdig, dass ein Magazin einem realen, laufenden Krieg mit Spekulationen über einen «Schreckenskönig» begegnet.

Geführt hat das Interview eine freie Journalistin, die regelmässig für die «Glückspost» berichtet. Deren Twitterprofil wurde gelöscht, kurz nachdem Ringier den Fragekatalog der MEDIENWOCHE erhalten hat. Zuvor retweetete dieses Profil in hoher Kadenz radikale Verschwörungstheorien. So erfuhren die zuletzt 3611 Follower:innen etwa vom «Great Reset», der zusammen mit der Mobiltechnologie 5G dazu führe, dass eine Dystopie Realität werde. Über die Politik in Deutschland konnte man lesen, dass die «sauer verdienten Steuern» den «politischen Herrenmenschen» Chauffeure finanzieren und die «Schafherde blökt (mit Mundschutz)».

Von diesen Positionen distanziert sich Ringier gegenüber der MEDIENWOCHE. Die Artikel der Journalistin seien immer «entlang unserer publizistischen Leitlinien» verlaufen und «politisch neutral» gewesen. Gegenüber Ringier habe die Journalistin auch klargestellt, dass ihr Twitterprofil gehackt worden sei. Die Journalistin selbst liess zwei MEDIENWOCHE-Anfragen unbeantwortet.

Ganz grundsätzlich erscheint es fragwürdig, dass ein Magazin einem realen, laufenden Krieg mit Spekulationen über einen «Schreckenskönig» begegnet. Hirt schreibt dazu, die Leser:innenschaft erwarte nicht, dass die «Glückspost» wiederholt, was bereits in der «Tagesschau etc. schon Thema» gewesen sei. «Für uns als People-Zeitschrift» sei es kaum möglich, einem Krieg gerecht zu werden. Das «Ereignis» habe man aber «nicht ignorieren wollen» und deshalb «die Aktualität aus Sicht der Astrologin einschätzen» lassen. «Damals war ja auch nicht klar, wie sich alles entwickeln würde – und wie lange der Krieg anhalten würde.» Wohl kaum jemand erwartet von der «Glückspost» die Kompetenz, über Geopolitik zu berichten. Anstelle von solch fahrlässigen Beiträgen könnte sie einfach darauf verzichten.

Die «Glückspost» verspricht Glück. Anscheinend vertraut man einem rein positiven Magazin aber nicht genug. Ob monegassische Royals, britische Schicksalsgeschichten oder Putins Horoskop: Kritisch oder kontrovers berichtet die «Glückspost», die sich weltoffen gibt, immer über Geschehen und Personen im Ausland. Der Kurs ist binär: Die weite Welt liefert der «Glückspost» Klatsch, Drama und Drastik. Die Schweiz ist ein Safe Space.

Bilder: Keystone-SDA, Montage: Marco Leisi

Leserbeiträge

Pierre Rothschild 01. Juni 2022, 08:32

Ich durfte, damals bei Ringier, die Glückspost mit meinem Mentor und Freund Jürgen Juckel – einer Leihgabe des Axel Springer Verlages – konzipieren.  Damals und heute ist das Blatt im Bereich Yellow Press in Inhalt und Grundhaltung immer stilsicher geblieben. Yellow Press ist Yellow Press, so wie Zucker süss ist und Pfeffer scharf. So sind natürlich die Stories genau auf dieses Segment ausgerichtet. Der Beitrag hier ist etwas ausserhalb der Proportionen aber hat den Vorteil, dass viele erneut das Blatt in die Hand nehmen werden. Sicher mit Freude und Gewinn.